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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neues Coronavirus Virologin: "Wer gesund ist, muss sich keine Sorgen machen"
In Deutschland wächst die Sorge vor der neuen Lungenkrankheit aus China. Wie hoch das Risiko eines Ausbruchs ist und wie man die Gefahr einer Ansteckung verringern kann, erklärt die Virologin Melanie Brinkmann im Interview mit t-online.de.
Das neuartige Coronavirus aus China breitet sich immer weiter aus. Jeden Tag steigt die Zahl der Infizierten, mehrere Menschen sind bereits am dem mit SARS verwandten Erreger gestorben. Im Gespräch mit t-online.de erklärt die Virologin Prof. Dr. Melanie Brinkmann, wie gut Deutschland auf einen möglichen Ausbruch vorbereitet wäre und was Menschen tun können, wenn sie fürchten, sich infiziert zu haben.
t-online.de: Wie wahrscheinlich ist es, dass das neue Coronavirus bald auch Deutschland erreicht?
Prof. Dr. Melanie Brinkmann: Man sollte sich auf jeden Fall darauf einstellen, dass das neue Coronavirus auch Europa und Deutschland erreicht. Schließlich reisen die Menschen viel und rund um den Globus. Das war beim Sars-Coronavirus 2002/2003 ja auch der Fall.
Zurzeit würde ich aber sagen, dass ein Ansteckungsrisiko extrem gering ist – es sei denn, man war kürzlich auf Fernreise oder hatte Kontakt etwa mit Kollegen, die in China unterwegs waren. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass hierzulande alle Hausärzte von dem Risiko wissen und sich bei Verdachtsfällen sofort an das Robert Koch-Institut wenden.
Wie gut wäre Deutschland auf eine Verbreitung der neuen Lungenkrankheit vorbereitet?
Unser Gesundheitssystem ist sehr gut auf einen Ausbruch vorbereitet. Bedenklich wäre es eher, wenn das Virus ein Entwicklungsland erreicht, dessen Gesundheitssystem und Infrastruktur mit einem Ausbruch nicht umgehen könnte.
Was bedeutet "gut vorbereitet" genau?
Taucht ein Verdachtsfall auf, können die Krankenhäuser in Deutschland verlässlich darauf reagieren, auch das Personal ist gut geschult. Dann wird der Patient innerhalb rund eines Tages auf das Coronavirus und Grippe getestet und kommt, sollte sich der Verdacht bestätigen, in Quarantäne.
Zudem befasst sich in Deutschland das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) als deutschlandweiter Forschungsverbund mit mehreren Hundert Ärzten und Naturwissenschaftlern rund um die Uhr mit der Prävention, Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten.
Wie verhalte ich mich, wenn ich den Verdacht habe, mich infiziert zu haben?
Schwierig ist, dass die meisten Menschen mit Grippesymptomen erstmal zum Arzt laufen und im Wartezimmer vielleicht weitere Menschen anstecken. Wer verdächtige Symptome erkennt, dem würde ich stattdessen raten, zuerst beim Hausarzt anzurufen und ihm die Symptome und den Verlauf des Fiebers zu schildern. Ich als Infektionsbiologin setze mich sowieso nie in Wartezimmer, weil das Ansteckungsrisiko dort eben groß ist – gerade in der Grippesaison.
Prof. Dr. Melanie Brinkmann
Die Virologin Prof. Dr. Melanie Brinkmann ist Professorin an der Technischen Universität Braunschweig und Leiterin der Nachwuchsgruppe "Virale Immunmodulation" am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Das HZI ist das größte Forschungszentrum in Deutschland, das sich ausschließlich der Infektionsforschung widmet.
Was wissen wir bislang über die Inkubationszeit und sichtbare Symptome?
Ausgehend von dem, was wir über das Sars- und Mers-Virus wissen, gehen Experten aktuell von einer Inkubationszeit von rund zwei Wochen aus. Sicher ist aber auch das noch nicht. Das Sars-Coronavirus und das neuartige Coronavirus sind zwar verwandt, die Symptome bei Sars waren aber wesentlich gravierender.
An dem neuen Virus sind bisher nur Menschen gestorben, die vorher schon eine Krankheitsgeschichte, also zum Beispiel ein geschwächtes Immunsystem hatten. Wer gesund ist, muss sich nach jetzigem Stand erstmal keine großen Sorgen machen.
Bei den Symptomen ist eine Einschätzung noch schwierig – auch deshalb, weil bei der aktuellen Grippe- und Erkältungszeit ohnehin viele Leute niesen und husten. In den kommenden Tagen wissen wir sicher mehr. Der Test auf das Virus ist ja erst kürzlich entwickelt und – was bislang einmalig ist – sehr schnell online gestellt worden, sodass er überall verfügbar ist.
Wie kann ich das Risiko einer Ansteckung mindern?
Noch ist nicht genug über den Übertragungsweg bekannt, aber vermutlich läuft die Ansteckung wie beim Sars-Coronavirus über Tröpfcheninfektion. Trotzdem: Eine Maske zu tragen, halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für übertrieben – außer vielleicht im Wartezimmer vom Arzt.
Es lohnt sich aber sicher, noch stärker auf einfache Hygienemaßnahmen zu achten: Häufig Hände waschen, die Hände mit Desinfektionsmittel einreiben und sich möglichst nicht mit den Händen ins Gesicht fassen, wenn man beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Außerdem hilft es, Leute nicht direkt anzuhusten oder anzuniesen und sich nicht in die Hand zu niesen oder husten, sondern in die Armbeuge. In den USA lernen das schon die kleinen Kinder.
Man kann sich zudem auch jetzt noch gegen die Grippe impfen lassen. Das ist gerade bei älteren Menschen oder Schwangeren sinnvoll und macht es leichter, bei verdächtigen Symptomen zu reagieren. Aber wer ansonsten grundsätzlich gesund ist, sollte zwar den Arzt informieren, sich dann aber am besten ins Bett legen und gesund pflegen lassen. Wobei die Familie am besten Abstand hält und sich häufig die Hände wäscht und desinfiziert.
Sind Fluggastkontrollen an Flughäfen Ihrer Meinung nach denn sinnvoll?
Solche Kontrollen sind meiner Meinung nach jetzt noch übertrieben. Das kann sich aber natürlich jederzeit ändern.
Das neue Virus gehört zur selben Virusfamilie wie Sars. Kann das die Entwicklung eines Impfstoffs beschleunigen?
Bei der Entwicklung eines Impfstoffs wird die Forschung von vorne beginnen müssen, da hilft auch das Vorwissen zum Sars-Erreger wenig. Außerdem gibt es gegen Sars keine Impfung.
Interessanterweise kommen aber beide Viren aus China. Sars tauchte 2002 auch zuerst dort auf.
Das liegt sicher auch an der Art, wie in China mit Wildtieren umgegangen wird. Dort kommen Menschen auf den Märkten in ganz engen Kontakt mit wilden Tieren, die solche Viren in sich tragen und teilweise auch übertragen können.
Auf dem Markt in Wuhan, von dem das Virus ausgehen soll, wurden laut im Internet einsehbaren Preislisten zum Beispiel lebende Füchse, Wolfswelpen, Krokodile, Ratten und auch Zibetkatzen verkauft. Von letzteren ging 2002 das Sars-Virus aus.
Hinzu kommt, dass die engen Menschenmassen in Ländern wie China sowieso eine gute Brutstätte für neue Erreger bieten. Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten – und es kann immer wieder passieren.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.