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Lungenärzte zweifeln Grenzwerte an: Ist Feinstaub doch ungefährlich?


Experten zweifeln Grenzwerte an
Ist Feinstaub doch keine Gefahr für die Gesundheit?

Von t-online, dpa, sah, mab

Aktualisiert am 24.01.2019Lesedauer: 3 Min.
Mann mit Atemschutzmaske: Mehr als hundert Lungenspezialisten bezweifeln den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide.Vergrößern des Bildes
Mann mit Atemschutzmaske: Mehr als hundert Lungenspezialisten bezweifeln den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide. (Quelle: Lichtgut/imago-images-bilder)
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Feinstaub und Stickoxide in der Luft sind laut Weltgesundheitsorganisation der Grund für viele Erkrankungen und Todesfälle. Mehr als 100 Lungenärzte zweifeln diese These – und damit den Nutzen der aktuellen Grenzwerte – jetzt an.

Wie gesundheitsgefährdend sind Feinstaub und Stickstoffverbindungen (NOx) in deutschen Städten? Über 100 Wissenschaftler fordern, dass diese Frage von unabhängigen Forschern neu bewertet wird. Denn sie bezweifeln den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und NOx.

Das geht aus einem der "Welt" vorliegenden Papier hervor, das unter anderem Dieter Köhler, Lungenmediziner und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und Thomas Koch, der zehn Jahre in der Daimler-Motorenentwicklung gearbeitet hat und Leiter des Karlsruher Instituts für Kolbenmaschinen ist, verfasst haben.

Studien seien zu einseitig

Bis zu 13.000 Sterbefälle durch Stickstoffverbindungen und bis zu 80.000 Tote durch Feinstaub in der Luft gebe es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr. Fast genau so viele Todesfälle wie Lungenkrebs oder die Lungenerkrankung COPD verursache.

"Lungenärzte sehen in ihren Praxen und Kliniken diese Todesfälle an COPD und Lungenkrebs täglich; jedoch Tote durch Feinstaub und NOx, auch bei sorgfältiger Anamnese, nie. Bei der hohen Mortalität müsste das Phänomen zumindest als assoziativer Faktor bei den Lungenerkrankungen irgendwo auffallen", sagt Köhler laut "Welt".

Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid – der Jahresmittelwert darf 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Außenluft nicht überschreiten – gelten in der EU seit 2010. Sie beruhen auf einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Wichtige Faktoren, die zu den hohen Todeszahlen durch Feinstaub und Stickoxidbelastungen in der Luft geführt hätten, seien einseitig und unter der Maßgabe analysiert worden, dass Feinstaub und NOx auf jeden Fall schädlich seien.

Andere Aspekte wie Lebensstil, Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegung hätten weitaus stärkere Auswirkungen auf Krankheitshäufigkeit und Lebenserwartung. Deshalb gebe es "derzeit keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und NOx“, heißt es in dem Papier der Lungenärzte weiter.

DUH: "Stickoxide bleiben problematisch"

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) argumentiert im Rahmen ihrer Fahrverbotsklagen auch mit den gesundheitlichen Belastungen durch NOx. Das Papier der Lungenexperten werde an ihrer Haltung nichts ändern, sagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH t-online.de. "Wir stützen uns auf Studien, auf die sich unter anderem das Umweltbundesamt, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und auch die Europäische Umweltbehörde (EEA) berufen. Von Herrn Köhler hingegen ist mir keine einzige Studie bekannt."

Bereits vor 20 Jahren seien die bestehenden Grenzwerte auf Basis dieser Studien festgelegt worden – und 2008 mit der novellierten Richtlinie in Kraft getreten. "Der Grenzwert für NO2 ist seit 2010 verbindlich einzuhalten. Man hat diese Diskussion also schon früher geführt und den Wert bestätigt. Trotzdem verweigern wir uns nicht grundsätzlich der Diskussion. Aber sie sollte auf Studien beruhen, die zum Beispiel auch die WHO anerkennt", so die DHU.

Die Position der DUH zu den Auswirkungen der NOx-Belastung werde sich zudem aus einem bestimmten Grund nicht ändern: "Stickoxide bleiben schon deshalb problematisch, weil sie ein sicherer Indikator für andere Schadstoffe in der Luft sind. Neben Feinstaub sind das unter anderem nochmals viel kleinere und unbestritten schädliche Ultrafeinpartikel. Diese dringen in die Blutbahn vor und sind bereits im Gehirn nachgewiesen worden. Es gilt: Wo Stickoxide ausgestoßen werden, da ist die Luft auch durch Ultrafeinpartikel belastet. Und ich kenne keine Studie von Professor Köhler oder jemand anderem, die das Gegenteil beweist."

Kritische Überprüfung der Grenzwerte

Die Lungenärtze stellen sich mit ihrem Papier auch gegen ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), das Ende 2018 veröffentlicht worden war. Darin hieß es: "Studien zeigen, dass die Feinstaub-Belastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist."

Nun heißt es vonseiten der DGP, die aktuelle Stellungnahme werde "als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten und eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub" betrachtet.

Debatte: "Überfällig" oder "Ablenkungsmanöver"?

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nannte die von Lungenärzten geäußerten Zweifel an der Gesundheitsgefahr durch Feinstaub und Stickoxiden einen "wichtigen und überfälligen Schritt". Dies helfe mit, "Sachlichkeit und Fakten in die Dieseldebatte zu bringen", sagt Scheuer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.


Die Grünen sprachen hingegen von einem "Ablenkungsmanöver". Die Debatte "chaotisiert die ohnehin schon unübersichtliche Lage bei den Fahrverboten", erklärt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. In der Forschung gebe es einen breiten Konsens, dass Stickoxide auch schon im geringen Ausmaß schädlich seien und der Grenzwert eigentlich verschärft werden sollte.

Auch die Grünen-Sprecherin für Umweltpolitik, Bettina Hoffmann, warnt davor, Grenzwerte zu verwässern. Grenzwerte seien dazu da, insbesondere auch empfindliche Menschen wie Kranke, Kinder und Schwangere zu schützen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Positionspapier der DGP
  • Nachrichtenagentur dpa
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