Forschung profitiert Unheimlicher Marburg-Virus gibt Rätsel auf
Im Sommer 1967 werden in Marburg Menschen sterbenskrank. Warum genau, weiß zunächst niemand. Den Medizinern wird klar: Sie haben es mit einem gefährlichen und bis dahin unbekannten Feind zu tun. So schlimm der Ausbruch des Marburg-Virus damals war: Die Forschung profitiert bis heute.
Als im August 1967 ein schwer kranker Patient in die Marburger Uni-Klinik gebracht wird, vermuten die Ärzte noch eine Sommergrippe. Doch die Symptome werden immer schlimmer und diffuser. Der nächste Kranke kommt, dann noch einer und noch einer. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, um ihm auf die Spur zu kommen.
Marburg-Virus ist mit Ebola-Erreger verwandt
Das gelingt schließlich dort, wo die Krankheit ausgebrochen ist: im beschaulichen Marburg. Seitdem trägt das Virus, ein Verwandter des Ebola-Erregers, den Namen der mittelhessischen Universitätsstadt. Es sei das erste Mal gewesen, dass so ein gefährlicher Erreger hierzulande aufgetreten sei, sagt der Virologe Stephan Becker von der Universität Marburg.
Labor-Beschäftigte infizierten sich mit Virus
Für medizinische Versuche importierte Affen aus Uganda brachten den Virus mit, und es waren zuerst Labor-Beschäftigte, die sich infizierten. Wobei der eigentliche Wirt des Virus Flughunde sind, wie man heute weiß. Trotz der damaligen Dramatik: "Der Ausbruch war die Initialzündung für das Verständnis von solch hochpathogenen Viren", sagt Prof. Becker, der das Uni-Institut für Virologie leitet.
Immunsystem ist nicht auf solche Viren trainiert
"Das Problem dieser Infektionen ist, dass das menschliche Immunsystem nicht darauf vorbereitet ist. Es reagiert falsch." Es könne diese Viren nicht interpretieren. "Dadurch, dass das Immunsystem nicht trainiert ist auf diese Art von Viren, reagiert es über. Das nennt man Zytokinsturm – und das ist der Grund dafür, dass Menschen an dieser Infektion sterben", so Becker.
In Europa starben von 31 Infizierten 7 Patienten
Nicht nur in Marburg gab es im Jahr 1967 Kranke, auch in Frankfurt und in Belgrad rangen Patienten um ihr Leben. Von den 31 Infizierten starben sieben. "Es war eine unheimliche Situation. Man wusste ja zunächst nicht, wie die Infektion übertragen wird", erinnert sich der 82-jährige Werner Slenczka, heute emeritierter Virologie-Professor, damals Forschungsassistent. Er war es, der den Erreger identifizierte.
Situation entspannte sich im September 1967
Allmählich entspannte sich die Situation in Marburg. Im September 1967 seien die ersten Patienten aus dem Krankenhaus entlassen worden, erzählt Slenczka weiter. "Man stellte fest, dass keine bleibenden Schäden zu vermuten waren und es vor allem keine weitere Ausbreitung gab." Die Suche nach dem Erreger ging in Marburg weiter.
Virus-Suche geht mit Ansteckungsangst einher
"Es war keine leichte Aufgabe. Es war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagt der 82-Jährige. Zudem sei es ein "ziemlicher Ritt über den Bodensee" gewesen. "Denn wir wussten nicht sicher, ob der Erreger durch unsere Methode inaktiviert wird." Er habe keine panische Angst gehabt, allerdings Angst genug, um sich zu schützen.
Marburg-Erreger wurde mit Farbstoff identifiziert
Die Methode, die zum Erfolg führte, war die Immunfluoreszenz. Dabei werden Antikörper mit einem Farbstoff markiert und mit UV-Licht zum Leuchten gebracht. Diese können sich an Erreger heften. "Das war damals noch eine sehr komplizierte Technik", erzählt Slenczka. Der Feind war damit identifiziert.
Wissenschaftler entwickeln heute Ebola-Impfstoff mit
Der Ausbruch in Marburg und die Suche nach dem Erreger prägten Becker zufolge auch die weitere virologische Forschung in Marburg. Mittlerweile ausgestattet mit einem modernen Hochsicherheitslabor wird hier nicht nur an Marburg-Viren geforscht, sondern auch mit Lassa- oder Ebola-Viren. Marburger Wissenschaftler waren auch während der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika im Einsatz und sind an der Entwicklung eines Impfstoffes beteiligt.
Ebola-Ausbruch 2014 rückt Virus in Mittelpunkt
"Die Geschichte des Marburg-Virus ist nicht nur eine Geschichte der hochpathogenen Infektionen", betont Becker. "Es sagt auch sehr viel über unsere Umwelt und Gesellschaft aus." Etwa, dass wir auch heute noch sehr verletzlich solchen Infektionen gegenüber seien. Das habe der Ebola-Ausbruch 2014 gezeigt.
"Und wenn dann solch ein Ausbruch da ist, ist das nicht nur ein Gesundheitsproblem. Dann wird es auch zu einem politischen Problem, weil ganze Regionen plötzlich instabil werden", so Becker weiter.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.