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Panikattacken: Es müssen nicht immer Medikamente sein


Herzrasen, schnelle Atmung, Todesangst
Was bei Panikattacken helfen kann

dpa-tmn, Elena Zelle

Aktualisiert am 27.02.2018Lesedauer: 5 Min.
Hinter Panikattacken steckt oft die Angst vor Kontrollverlust.Vergrößern des Bildes
Hinter Panikattacken steckt oft die Angst vor Kontrollverlust. (Quelle: dpa-tmn)

Bei einer Panikattacke schaltet der Körper auf Flucht, obwohl keine akute Bedrohung vorliegt. Diese Art von Angstzustand kann das Leben beeinträchtigen. Die Betroffenen verspüren Leidensdruck. Dabei ist es wichtig, sich nicht zu verstecken.

Schwitzige Hände, Kloß im Hals, ein drückendes Gefühl in der Brust: Andrea Müller (Name geändert) hat Panikattacken. "Ich kann dann auch nicht mehr klar denken. In der Situation ist dann in meinem Kopf nur noch Angst, Angst, Angst", erzählt sie.

"Die Zunge wird dann auch so britzelig, als hätte man etwas Saures gegessen." Und der ganze Körper spannt sich an. Das kann zum Beispiel im Aufzug passieren, in der U-Bahn oder wenn in ihrem Leben große Veränderungen anstehen. Damit ist Müller nicht allein: Zwei Prozent der Deutschen haben laut Robert Koch-Institut eine Panikstörung.

Hilflosigkeit und Angst vor Kontrollverlust

Dahinter steckt oft die Furcht, Kontrolle abzugeben, erklärt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP). "Betroffene haben das Gefühl, hilflos in der Situation eingesperrt zu sein und dass sie ohne weiteres nicht wieder rauskommen."

Ausgelöst werden Panikattacken etwa, wenn nahestehende Menschen plötzlich sterben oder man bei einem Unglück hilflos war. Aber auch positive Veränderungen wie die Geburt eines Kindes oder eine Heirat können den Zustand hervorrufen. Nur selten haben die Angstanfälle körperliche Ursachen wie etwa eine Überfunktion der Schilddrüse.

Die Ursachen einer Panikstörung

Bei einer Panikstörung sind in der Regel zwei Hirnbereiche betroffen. Beim ersten Hirnbereich handelt es sich um den linken Gyrus frontalis inferior im Frontallappen. Dieser Bereich ist für Funktionen wie Aufmerksamkeit, Vernunft und Verstand verantwortlich. Der zweite betroffene Hirnbereich ist das sogenannte Furcht-Netzwerk, wo emotionale Ereignisse verarbeitet und bewertet werden.

Eine Panikattacke dauert etwa 20 Minuten

Bei einer Panikattacke laufen die nicht willentlich steuerbaren Mechanismen des sympathischen Nervensystems, das unter anderem den Körper in Fluchtbereitschaft versetzt, unabhängig von äußeren Umständen ab. Die Folgen können etwa Herzrasen, Schwitzen, Harndrang oder Atemnot sein.

Meist dauert eine Panikattacke etwa 20 Minuten. Der Körper verhält sich, als würde er einem Löwen gegenüberstehen. Jeder Mensch kann prinzipiell mal eine Panikattacke erleben. Die meisten halten die Symptome zunächst für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. "Das wird von vielen so erlebt, als wäre die Angst die Folge von den wahrgenommenen körperlichen Symptomen", erklärt Roth-Sackenheim.

Man entwickelt Todesangst

Auch Andrea Müller wusste bei ihrer ersten Panikattacke überhaupt nicht, was los ist. Sie wusste auch nicht, dass es Panikattacken gibt. "Ich dachte, ich sterbe." Damals war die heute 32-Jährige 17 und hatte auf der Abschlussfahrt mit der Schule gerade einen Joint geraucht. Nach diesem Erlebnis war eine Weile Ruhe, aber die nächste Attacke kam ein paar Wochen später, wieder im Urlaub. Und auch die nächsten Attacken kamen.

"Es gab Phasen, in denen ich nicht mehr auf die Straße gegangen bin", sagt Müller. Inzwischen ist sie in Therapie, besucht regelmäßig die Münchner Angst-Selbsthilfe (Mash) und hat einen Klinikaufenthalt hinter sich. Mittlerweile gibt es auch Zeiten ohne die Angstanfälle. Kurz vor dem Abschluss ihres Studiums vor zwei Jahren etwa wurde es aber beispielsweise wieder schlimmer – denn das war eine große Veränderung.

Oft hilft eine Verhaltenstherapie

Wer etwa zweimal im Monat eine Panikattacke hat oder merkt, dass sich die auslösenden Situationen ausdehnen, sollte sich an einen Arzt wenden, rät Roth-Sackenheim. Vielen Betroffenen hilft eine kognitive Verhaltenstherapie. Zunächst ist es wichtig, den Patienten zu erklären, was eigentlich mit ihnen passiert. Denn Personen mit einer Panikstörung fürchten sich oftmals so sehr vor der nächsten Panikattacke, dass sie eine Erwartungsangst entwickeln, eine Angst vor der Angst.

"Panikattacken sind eine funktionelle Störung. Das heißt, nicht die Funktion an sich ist krankhaft, sondern deren Steuerung", erklärt Roth-Sackenheim. Der wichtigste Aspekt aber sei, dem Patienten klarzumachen, dass das, was er während einer Panikattacke erlebt, von selbst und schnell wieder vorbeigeht.

Spaziergänge und Sport wirken positiv

Auch Müller hat gelernt, mit den Panikattacken umzugehen. Wenn ein erster Anflug von Angst spürbar wird, versucht sie, dem Gefühl keine Aufmerksamkeit zu schenken. Bei einer Panikattacke geht sie zum Sport oder draußen spazieren. Und sie telefoniert ziemlich viel. "Das Handy ist mein Rettungsanker. Es hilft mir, wenn jemand dabei ist – live oder am Telefon. Das erdet mich, wenn ich nicht klar denken kann." Wenn sie nachts von einer Panikattacke geweckt wird, helfen oft Serien, die sie fast auswendig kennt. Die häufig empfohlene ruhige Atmung hilft ihr nicht. "Ich bekomme dann immer mehr das Gefühl, zu hyperventilieren."

Igelbälle und Kälte können helfen

Auch Kältereize oder die Massage mit dem Igelball hilft manchem, sagt Roth-Sackenheim. "Solche Dinge helfen, sich in der Realität zu verankern." Ein Bestandteil der kognitiven Verhaltenstherapie ist auch die Konfrontation: Das bedeutet, dass Betroffene angstauslösende Situationen gemeinsam mit ihrem Therapeuten durchstehen. Wer als Angst vorm U-Bahn-Fahren hat, setzt sich mit dessen Begleitung in eine U-Bahn.

Die Angst vor der Angst

Die Konfrontation muss ohne Hilfsmittel vonstatten gehen: "Viele trinken Wasser oder hören Musik zur Ablenkung. Das drückt die Angst künstlich runter", erklärt Jens Plag von der Spezialambulanz für Angsterkrankungen an der Berliner Charité. Denn das führt langfristig dazu, dass eventuell schon Panik ausbricht, wenn man zum Beispiel kein Wasser dabeihat. "Bei der Konfrontation machen die Betroffenen die Erfahrung, dass die Angst physiologisch von alleine abfällt", erklärt er.

Medikamentöse Behandlung meist mit Antidepressiva

Das unterstützende Mittel D-Cycloserin bekommen Betroffene nur in der jeweiligen Situation. Wird eine Panikstörung neben der kognitiven Verhaltenstherapie medikamentös behandelt, geschieht das derzeit meist mit Antidepressiva, die täglich eingenommen werden müssen. "Sie gleichen etwa den zu geringen Serotonin-Spiegel der Betroffenen aus und machen nicht abhängig", erklärt Plag. Das ist bei Benzodiazepinen anders. Deshalb hätten die seiner Meinung nach auch mittel- und langfristig in der Behandlung nichts zu suchen.

Ausdauersport kann Symptome lindern

Förderlich hingegen ist Sport. Auch das haben Plag und seine Kollegen erforscht. In der Studie ging eine Gruppe von 40 Betroffenen neben der kognitiven Verhaltenstherapie dreimal in der Woche 30 Minuten laufen, die andere Gruppe machte neben der Therapie Dehnungsübungen. "Sechs Monate nach dem Ende der Studie zeigte die Laufgruppe eine geringere Angstsymptomatik", sagt Plag. Es empfiehlt sich für Betroffene "absolut", Ausdauersport wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen zu betreiben.

Andrea Müller hat auch die Selbsthilfegruppe sehr geholfen. "Man muss nichts erklären. Und man merkt einfach, dass man nicht alleine ist." Früher hat sie sich wegen ihrer Panikattacken zu Hause verkrochen und geschämt. Heute sagt sie: "Bloß nicht."

Suchen Sie sich Unterstützung

Wenn Sie unter wiederkehrenden Panikattacken leiden, können Sie sich zuerst an Ihren Hausarzt wenden. Er kann Ihnen in der Regel weiterhelfen und Ihnen bei Bedarf auch bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten helfen. Falls es Ihnen lieber ist oder Sie akut an einer Panikattacke leiden, können Sie sich auch direkt an einen Therapeuten Ihrer Wahl wenden – eine benötigte Überweisung kann üblicherweise nachgereicht werden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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