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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hormone und Psyche Progesteronmangel und Depression – gibt es einen Zusammenhang?

Viele Frauen mit einem Progesteronmangel haben auch mit psychischen Beschwerden zu tun – bis hin zur Depression. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Eine Depression ist eine weit verbreitete psychische Erkrankung, die erheblichen seelischen Leidensdruck verursacht. Typischerweise fühlen Betroffene sich niedergeschlagen, traurig und antriebslos – und das dauerhaft oder über lange Zeiträume hinweg immer wieder.
Was genau dahintersteckt, ist nicht abschließend geklärt. Meist lässt sich eine Depression nicht eindeutig auf eine bestimmte Ursache zurückführen. Vielmehr entwickelt sie sich in der Regel durch ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Neben äußeren Belastungen und den dadurch ausgelösten psychischen Reaktionen sind oft auch biologische Einflüsse und Vorgänge beteiligt – Veränderungen im Hormonhaushalt zum Beispiel.
Depression durch Progesteronmangel?
Das sogenannte Gelbkörperhormon Progesteron erfüllt im weiblichen Körper eine wichtige Aufgabe: Es gehört zu den Botenstoffen, die den Menstruationszyklus steuern.
Ein Progesteronmangel äußert sich in erster Linie durch
- Zyklusstörungen (insbesondere verkürzte Zyklen und Schmierblutungen) und
- Schwierigkeiten, trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs schwanger zu werden.
Abgesehen davon stellen Frauen mit einem Progesteronmangel häufig noch unterschiedliche weitere Symptome bei sich fest – teilweise auch psychische.
Diese sind allerdings nicht die direkte und alleinige Folge des Progesteronmangels. Vielmehr lassen sie sich auch oder in erster Linie auf die vielfältigen Auswirkungen der Erkrankung oder körperlichen Veränderung zurückführen, die üblicherweise hinter dem Mangel steckt.
Für einen verringerten Progesteronspiegel kann es verschiedene Ursachen geben:
- Manchmal "schwächelt" der Gelbkörper, produziert also zu wenig Progesteron. Solch eine Gelbkörperschwäche kann unterschiedliche Auslöser haben, unter anderem Stress, eine Essstörung sowie eine Schilddrüsenerkrankung.
- Ein Mangel an Progesteron kann auch entstehen, wenn der Eisprung ausgeblieben ist, etwa infolge einer Erkrankung wie dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS), aufgrund von Stress, einer Essstörung oder weil die Wechseljahre begonnen haben.
Frauen mit einer Essstörung, PCOS, einer Schilddrüsenerkrankung oder Wechseljahresbeschwerden haben nicht selten auch mit depressiven Verstimmungen zu tun. Ob und inwieweit die Hormone daran schuld sind, lässt sich jedoch nicht klar und mit Gewissheit sagen.
Hormone und depressive Symptome: Es ist kompliziert …
Die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron können sich stark auf das seelische Befinden auswirken. Bei manchen Frauen verstärken hormonelle Schwankungen depressive Symptome. Bei anderen rufen sie die Beschwerden sogar hervor – wenn auch häufig im Zusammenspiel mit anderen Faktoren, die die Psyche belasten.
Depressive Beschwerden, die mit einem Absinken des Östrogen- und Progesteronspiegels zusammenhängen, können etwa auftreten bei:
- Frauen mit einem prämenstruellen Syndrom (PMS) beziehungsweise der ausgeprägteren Form davon, der prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS). Sie fühlen sich regelmäßig in der zweiten Zyklushälfte psychisch beeinträchtigt.
- Müttern in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes (Wochenbettdepression).
- Frauen in den Wechseljahren.
Allerdings sind die abgesunkenen Hormonspiegel sehr wahrscheinlich nicht die Ursache der Probleme – zumindest nicht die alleinige: Für alle drei Gruppen haben Studien gezeigt, dass Frauen mit PMDS, Wochenbettdepressionen oder psychischen Beschwerden in den Wechseljahren nicht generell geringere Östrogen- und Progesteronspiegel haben als psychisch gesunde Frauen in der gleichen Lebensphase.
Die Entstehung dieser Symptome lässt sich also offenkundig nicht grundsätzlich auf einen Mangel an Östrogen oder Progesteron zurückführen, sondern ist weitaus komplexer:
- Einiges spricht dafür, dass Frauen mit PMDS nicht etwa besonders starke hormonelle Schwankungen haben, sondern dass ihr Nervensystem besonders empfindlich auf diese reagiert.
- Bei Frauen mit einer Wochenbettdepression lassen sich oft auch viele äußere Einflüsse feststellen, die mit erheblichen seelischen Belastungen einhergehen – etwa die (nicht in jedem Fall geplanten und gewollten) Veränderungen der Lebenssituation, Konflikte in der Partnerschaft und/oder Schlafmangel.
- Depressionen während der Wechseljahre lassen sich ebenfalls oft nicht – oder nicht allein – auf die hormonellen Veränderungen zurückführen. Vielmehr scheinen auch hier meist mehrere Faktoren zusammenzuwirken: Viele Frauen mittleren Alters haben zunehmend mit körperlichen Beschwerden zu tun, die mit dem Altern und/oder den Wechseljahren zusammenhängen. Hinzu kommen nicht selten berufliche Belastungen, Pflegeverpflichtungen oder finanzielle Sorgen.
Das heißt: Seelische Probleme können zwar etwas mit hormonellen Schwankungen zu tun haben und in vielen Fällen durch sie mitbedingt sein. Meist ist aber davon auszugehen, dass die Beschwerden nicht allein auf einen Mangel an Östrogen oder Progesteron zurückzuführen sind.
Entsprechend ist es für gewöhnlich nicht sinnvoll, depressive Symptome allein mit Hormonen zu behandeln. Frauen mit einer Wochenbettdepression bekommen normalerweise keine Hormone verordnet, sondern Maßnahmen zur Entlastung und möglicherweise eine Psychotherapie empfohlen.
Bei prämenstruellen psychischen Beschwerden (also PMDS) können bestimmte hormonelle Verhütungsmittel Teil der Therapie sein. Helfen können jedoch möglicherweise auch andere Ansätze – etwa Entspannungstechniken, Sport, eine verbesserte Schlafhygiene oder der Verzicht auf Alkohol und Nikotin.
Bei einer depressiven Verstimmung in den Wechseljahren können Hormone (in Form einer Hormonersatztherapie) ebenfalls manchmal zur Besserung beitragen. In der Regel kommen zudem eine Psychotherapie sowie Antidepressiva zur Behandlung infrage.
In jedem Fall gilt: Welche Therapie für eine Frau geeignet und aussichtsreich ist, hängt stark von ihrem individuellen Gesundheitszustand und ihrer persönlichen Lebenssituation ab. Um die richtige Behandlungsform für sich zu finden, sollte eine Frau daher zunächst eine Ärztin oder einen Arzt und dann gegebenenfalls eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten konsultieren.
- Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Abrufdatum: 12.3.2025)
- Online-Informationen von Deximed: deximed.de (Abrufdatum: 12.3.2025)
- Online-Informationen von MSD Manual: www.msdmanuals.com (Abrufdatum: 12.3.2025)
- Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: www.gesundheitsinformation.de (Abrufdatum: 12.3.2025)
- "Mögliche Beschwerden in den Wechseljahren". Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.frauengesundheitsportal.de (Abrufdatum: 3.3.2025)
- Hawkins, S. S.: "Associations Between Menopause and Depression". Journal of Obstetric, Gynecologica and Neonatalal Nursing, Vol. 54, Iss. 1, pp. 20-31 (Januar 2025)
- Cary, E., et al.: "Premenstrual disorders and PMDD – a review". Best Practice & Research. Clinical Endocrinology and Metabolism, Vol. 38, Iss. 2, No. 101858 (Januar 2024)
- Nuriyeva, R., et al.: "Prämenstruelles Syndrom (PMS) und prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS)". Journal für Gynäkologische Endokrinologie, Ausg. 25, S. 13-18 (März 2022)
- Practice Committees of the American Society for Reproductive Medicine and the Society for Reproductive Endocrinology and Infertility: "Diagnosis and treatment of luteal phase deficiency: a committee opinion". Fertility and Sterility, Vol. 115, Iss. 6, pp. 1416-1423 (Juni 2021)
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.