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Owen und Haatchi: Behinderter Hund hilft behindertem Kind


Behinderter Hund hilft behindertem Kind
"Haatchi hat mir Selbstvertrauen gegeben"

t-online, Simone Blaß

24.08.2016Lesedauer: 4 Min.
Owen und sein dreibeiniger Hund Haatchi sind dicke Freunde.Vergrößern des Bildes
Owen und sein dreibeiniger Hund Haatchi sind dicke Freunde. (Quelle: Verlagsgruppe Droemer Knaur)

Owen ist zehn Jahre alt und leidet unter dem Schwartz-Jambel-Syndrom, einer sehr seltenen Krankheit, von der seit ihrem Bekanntwerden 1962 gerade mal 100 Fälle weltweit dokumentiert sind. Er hatte sich selbst fast schon aufgegeben. Doch dann kam Hund Haatchi in sein Leben.

"Als ich den Hund das erste Mal auf einem Foto sah, blieb mir regelrecht der Atem weg", erinnert sich Owens Stiefmutter Colleen. Die britische Hundetrainerin spürte sofort, dass es mit diesem Tier etwas ganz Besonderes auf sich hat, dass dieser Hund der richtige für sie und ihre Familie war.

Es war Liebe auf den ersten Blick

Die erste Begegnung zwischen Haatchi und Owen bezeichnet die sonst sehr bodenständige Frau dann auch als "elektrisierend und fast schon spirituell – die Atmosphäre im Raum änderte sich von einem Moment auf den anderen." Haatchi legte seinen großen Kopf auf Owens Schoß und blickte ihn lange an – als würde er ihn erkunden wollen. Von dem Moment an waren Hund und Kind eine Einheit, entwickelten eine ganz eigene Kommunikation, hatten sofort eine Bindung zueinander. "Es war, als ob sie wiedervereint würden, wie zwei alte Freunde, die sich wiedertrafen", sagt Colleen.

"Haatchi hat mein ganzes Leben verändert", erzählt Owen. Durch den Hund ist der kleine Junge viel offener und fröhlicher geworden. "Er passt auf mich auf, und er ist etwas ganz Besonderes."

Für Owen ist der tapfere Haatchi ein Vorbild

Man kann es nur vermuten, aber möglicherweise eint das Schicksal die beiden. Denn nicht nur Owen hat täglich zu kämpfen, auch Haatchi hat sein Päckchen zu tragen. Der Anatolische Hirtenhund wurde mit kaum zu glaubender Grausamkeit an das Bahngleis einer viel befahrenen Zugstrecke gebunden. Er überlebte den Zusammenstoß mit einem Zug, verlor dabei aber ein Hinterbein. Es dauerte lange, bis er sich damit arrangieren konnte.

Doch der Junge mit dem Spitznamen Little B. und sein Hund helfen sich gegenseitig und lassen sich einer vom anderen motivieren. "Als Owen sah, wie brav Haatchi sein Futter und seine Medikamente fraß, beschloss er, genauso tapfer zu sein", beschreibt es die Daily Telegraph-Journalistin Wendy Holden in ihrem Buch "Echte Freunde". "Owen hatte gesehen, wie stoisch der Hund Schmerzen und Frust in den letzten Wochen ausgehalten hatte, und nahm sich ihn zum Vorbild."

Es tat dem Jungen gut, dass auch mal jemand anderes in der Familie medizinische Betreuung benötigte. Die beiden trösten sich gegenseitig. Denn beide haben Schmerzen. Immer.

Betroffene leben häufig isoliert

Das Schwartz-Jambel-Syndrom ist extrem selten und noch dazu bei den Betroffenen höchst unterschiedlich ausgeprägt. Das hat zur Folge, dass es kaum Selbsthilfegruppen gibt und die Betroffenen mit ihren Familien meist isoliert bleiben. Owens Muskeln sind dauerhaft in Alarmbereitschaft, angespannt wie bei einem Bodybuilder. Sein Gesicht wirkt dadurch verkniffen. Die Statur ist kleinwüchsig. Die Kraft, die die Muskeln auf Knochen und Gelenke ausüben, zerstört diese nach und nach.

Um sich zu bewegen, ist Owen auf einen Rollstuhl angewiesen. "Er hasste es, angegafft zu werden, und je öfter es passierte, desto mehr versuchte er sich zu verstecken", erinnert sich sein Vater Will. Sobald seine Familie mit ihm das Haus verließ, krümmte sich der Junge zusammen. Er hat die Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, als sehr negativ empfunden, errichtete eine Mauer um sich herum.

Therapiehund Haatchi gibt Owen Selbstvertrauen

Heute ist es Haatchi, auf den die Leute reagieren. "Zum ersten Mal in seinem jungen Leben erlebte Owen, dass die Menschen ihn nicht um seiner Behinderung willen anstarrten, sondern weil er einen 'coolen' Hund hatte." Die Menschen schienen Owen jetzt anders anzusehen. "Als ob der behinderte Hund an seiner Seite ihn sehr viel nahbarer machte."

Kim, Owens Mutter, erinnert sich, dass Owen nur noch von dem Hund sprach und dabei immer lebendiger zu werden schien. Owen wird nicht müde, Haatchis Geschichte zu erzählen und mit ihm ein bisschen anzugeben. "Immer wieder bringt er damit alte Damen dazu, ein paar Tränen der Rührung zu vergießen", schmunzelt sein Vater, der sehr froh darüber ist, dass durch Haatchis Lebenswillen und sein Durchhaltevermögen auch Owens Kraft zurückgekehrt ist.

Ein unschlagbares Team

Die spontane Entscheidung seiner Familie, zu allen Belastungen auch noch einen behinderten Hund zu adoptieren, hat sich als richtig erwiesen. "Nachdem Haatchi das Schlimmste im Menschen erleben musste, bringt er jetzt das Beste zutage", so Colleen. "Little B. war wie eine Knospe, die auf Haatchis Licht und Liebe gewartet hatte, um ihn erblühen zu lassen. Bis zu diesem Moment war er zwar auf der Welt, aber nicht in ihr. Nur ein kleiner Teil war von ihm sichtbar und bekannt."

Auf Will und Colleen wirkt Haatchi, als "wäre er ein Mensch im Körper eines Hundes. Er scheint einfach alles zu verstehen." Inzwischen ist Haatchi ein ausgebildeter Therapiehund. Er bringt so auch in das Leben anderer Freude. Eins aber lässt er sich nicht nehmen: Täglich nach der Schule auf seinen kleinen Freund zu warten.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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