Familie Ludwig isst nur Rohkost Kann man Kinder mit roh-veganer Kost gesund ernähren?
Familie
Der Tag beginnt mit einem rohen Porridge aus geschrotetem Nackthafer mit Chiasamen und Wasser. Tochter Karla, zwei Jahre alt, ist hochzufrieden. "Sie liebt dieses Frühstück, auch mit Banane, Nussmilch und Hanfsamen", erzählt ihre Mutter Ute. Familie Ludwig ernährt sich von roher Kost; auf den Tisch kommen Obst und Gemüse, Sprossen, Keime, Kräuter, Nüsse und Saaten.
"Rohkost wird unterschätzt"
Das klingt auf den ersten Blick ein bisschen mager. Doch auf ihrem Familienblog zeigen die Ludwigs, wie bunt und vielfältig ihre Küche tatsächlich ist. Es gibt Torten, Brot, Eis, Suppen, Salate, sogar Burger. "Wir können eigentlich alles, was man so aus der normalen Küche kennt, auch in einer Rohkostform zubereiten", sagt Ute.
"Rohkost wird von den meisten Menschen total unterschätzt", glaubt Sonja Reifenhäuser, Food-Coach aus Berlin. "Dabei gibt es ganz viele Möglichkeiten, sich mit Rohkost vollwertig und abwechslungsreich zu ernähren." In den Großstädten, in Szene-Cafés und veganen Supermärkten wächst die Nachfrage nach grünen Smoothies, rohen Torten mit Cashewnussboden und Avocadofüllung oder Energie-Riegeln aus Kakao und Datteln. "Die Menschen spüren, dass ihnen diese Lebensmittel gut tun, denn ein frischer grüner Smoothie macht wach und sorgt für einen richtigen Kick", sagt die Ernährungsberaterin.
Ein Wonneproppen - auch mit Rohkost
Auch bei den Ludwigs werden regelmäßig Smoothies getrunken. Im Frühjahr und Sommer kann Tochter Karla die nötigen Blätter, zum Beispiel Löwenzahn oder Giersch, mit Mama im Garten sammeln. "Dazu kommen dann Banane, Apfel oder Mango in den Mixer, oder wir machen einen roten Smoothie aus Beerenobst." Sorge, dass Karla nicht genügend Nährstoffe bekommt, haben die Ludwigs nicht: "Sie ist ein richtiger Wonneproppen."
Kinderärztin ist skeptisch
Annette Lingenauber, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde aus Hamburg ist dennoch skeptisch: "Gerade eine roh-vegane Ernährung ist nicht ungefährlich." Durch den Verzicht auf Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte drohe ein Mangel an Vitamin B12 mit der Gefahr von neurologischen Schäden. Familie Ludwig, die tatsächlich auch auf tierische Produkte verzichtet, ist sich dessen bewusst: "Wir nehmen B12 als Nahrungsergänzungsmittel."
Gewichtsentwicklung genau beachten
Die Sorgen der Ärztin teilt die Familie nicht: "Wir spüren ja, dass es uns allen körperlich gut geht, waren zum Beispiel schon ganz lange nicht mehr krank." Mittlerweile wissen sie auch genau, worauf sie achten müssen. "Eisen bekommen wir zum Beispiel aus Sesam, Jod und andere wichtige Mineralien aus Algen, gesunde Fettsäuren aus Kokosölen und Nüssen."
Wählen Eltern diesen Weg, sollten sie sich laut Lingenauber auf jeden Fall von einem Kinderarzt betreuen lassen. "Bei den U-Untersuchungen können wichtige Parameter wie Wachstums- und Gewichtsentwicklung beobachtet werden."
"Natürlich gibt es Risiken"
Reifenhäuser, die Seminare zum Thema Rohkost gibt, sagt: "Natürlich gibt es Risiken bei dieser Ernährungsform." Doch die große Nachfrage nach Informationen zeige auch, dass sich Rohköstler in der Regel sehr intensiv mit Lebensmitteln und ihren Bestandteilen auseinandersetzen.
Im Einklang mit der Natur leben
Familie Ludwig hat sich für ihre Ernährungsweise entschieden, um mit der Natur im Einklang zu sein. Fertiggerichte aus der Tiefkühltruhe und andere verarbeitete und gekochte Lebensmittel gehörten dabei nicht auf den Speiseplan. "Die Natur bietet uns Lebensmittel in ihrer reinsten Form. Wir sind fest überzeugt, dass dort alles drinsteckt, was wir brauchen."
"Ernährung muss Kindern Spaß machen"
Karla, die mit den Ernährungsüberzeugungen ihrer Eltern aufwächst, ist noch zu klein, um Fragen zu stellen. Sie isst - noch - mit Begeisterung, was Mama und Papa zubereiten. Was die Zukunft bringt, kann Ute nicht einschätzen. Dogmatisch will sie aber in keinem Fall sein: "Sie darf auch heute schon andere Dinge essen, zum Beispiel wenn sie bei Oma und Opa oder bei Freunden ist." Diese Offenheit empfiehlt auch Reifenhäuser: "Ernährung muss Kindern Spaß machen. Dazu gehört auch, dass Mama und Papa nicht alles verbieten und man aus anderen Töpfen probiert."
Breite Vielfalt an Nahrungsmitteln anbieten
Offen bleiben gilt auch im umgekehrten Fall: Reifenhäuser findet es eine gute Idee, wenn Eltern es mal mit der Rohkostküche versuchen: "Gerade für Kinder bietet die Rohkost viele Möglichkeiten, mit Lebensmitteln und Geschmack zu experimentieren."
Blätter, Früchte, Nüsse und neue Gemüsesorten zu probieren, erweitere die Wahrnehmung von Kindern: "Schmecken, riechen, fühlen - das ist doch so wichtig für die Entwicklung!"
Ein Argument, dem auch Kinderärztin Lingenauber zustimmt: "Es ist gut und richtig, Kindern eine breite Vielfalt an Nahrungsmitteln anzubieten." Rohkost liefere außerdem viele Vitamine und Mineralstoffe und stärke die Kaumuskulatur.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.