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Übergewicht bei Kindern: Was tun mit dicken Kindern?


Übergewicht bei Kindern
Hilfe, mein Kind ist pummelig!

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 15.07.2013Lesedauer: 5 Min.
Übergewichtige Kinder brauchen Unterstützung von ihren Eltern.Vergrößern des Bildes
Übergewichtige Kinder brauchen Unterstützung von ihren Eltern. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Auch, wenn die deutschen Kinder nicht mehr die dicksten im europäischen Raum sind - ein Grund zum Jubeln ist das noch lange nicht. Denn immerhin ist immer noch jedes fünfte bis sechste Kind zwischen zwei und elf Jahren übergewichtig oder adipös. Auf gut deutsch: zu fett. Doch wo liegt die Grenze zwischen ein bisschen Babyspeck, Übergewicht und Fettsucht? Und was können Eltern tun, um pummeligen Kindern auf den richtigen Weg zu helfen, bevor es zu spät ist?

So ein schönes strammes Baby, mit runden Backen und dicken Beinchen löst bei uns ganz automatisch den Beschützerinstinkt aus. Doch irgendwann ist es vorbei mit dem Kindchenschema. Kinder und Jugendliche, die zu dick sind, fühlen sich in der Regel nicht wohl in ihrer Haut. Sie werden ausgelacht, weil sie beim Sport wie ein Mehlsack am Seil hängen, finden in den gängigen Klamottenläden nichts zum Anziehen, können oft nicht mithalten und leiden unter Selbstzweifeln. Doch sie müssen gar nicht zu dick sein, um sich unwohl zu fühlen. Manchmal genügt es, wenn sie sich stark auf die Grenze zwischen Normal- und Übergewicht zubewegen.

Gerade bei Mädchen im Umbruch zwischen Kindheit und Pubertät kann man häufig beobachten, dass sich durch den Hormonschub Speckpölsterchen bilden. Doch so sicher, dass sich das verwächst, ist man heute nicht mehr, denn nicht selten sind Bewegungsmangel und fehlende Stressbewältigungskompetenzen wichtige Auslöser für Übergewicht. Und die verwachsen sich nun mal nicht von alleine.

50 Prozent der dicken Kinder leiden bereits unter Folgeschäden

Es gilt zu bedenken, dass die Fettzellen, die im Kindes- und Jugendalter aufgebaut werden, im weiteren Leben erhalten bleiben. Was bedeutet, dass übergewichtige Kinder ihr Leben lang dazu neigen werden, zu viel auf die Waage zu bringen und damit ein höheres Risiko haben, an ernährungsbedingten Krankheiten zu erkranken. Dem "Konsensuspapier für Patientenschulungsprogramme für Kinder und Jugendliche mit Adipositas" kann man entnehmen, "dass bei der Hälfte der adipösen Kinder und Jugendlichen mindestens eine Begleiterkrankung beziehungsweise ein weiterer Risikofaktor vorliegt."

Die Beurteilung, ob ein Kind zu dick ist, ist nicht immer einfach

Hört man sich unter Eltern um, dann sind sich die meisten Mütter sicher, dass sie sehr gut beurteilen könnten, ob ihr Kind zu dick sei. Doch offensichtlich funktioniert diese persönliche Einschätzung doch nicht bei jeder Familie. Man brauche eine verlässliche Messmethode, erklärt Susanna Wiegand, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kinder- und Jugendalter. "In der täglichen Praxis wird der Body-Mass-Index (BMI) als Maß für Übergewicht verwendet. Da Kinder wachsen und sich ihre Körperproportionen ändern, braucht man alters- und geschlechtsangepasste Normalwerte." Übergewicht hat ein Kind demnach immer dann, wenn es in seiner Alters- und Geschlechtsgruppe einen BMI hat, der größer ist als die 90. Perzentile, Fettsucht, wenn es die 97. Perzentile überschreitet. Für einen Laien ist das nicht ganz leicht zu durchschauen.

Der Kinderarzt sollte die erste Adresse sein

Am besten, man verwendet einen BMI-Rechner im Internet als ersten Anhaltspunkt und wendet sich dann mit seinen Befürchtungen direkt an den Arzt. Er sollte, so Dr. Ulrich Fegeler vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, sowieso immer der erste Ansprechpartner sein. Zu einer guten Diagnose gehört erst einmal, den Blutdruck des Patienten zu überprüfen, sich die Gewichtsentwicklung der vorherigen Jahre anzusehen und Familienerkrankungen abzufragen. Denn die Neigung zu Übergewicht ist vererbbar. "Der Kinder- und Jugendarzt versucht dann, das Problem einzugrenzen, also zu sehen, ob ein psychosomatisches Problem vorliegt oder einfach nur eine falsche Ernährung im Rahmen einer familiären Fehlernährung. Und er prüft, ob möglicherweise ein extrem seltener Stoffwechseldefekt der Grund für das Übergewicht ist."

Manche übergewichtige Kinder sind den Kassen noch nicht dick genug

Dazu kommt, dass der Arzt weitere Ansprechstellen kennt, zum Beispiel Adipositassprechstunden an Spezialeinrichtungen oder Kollegen, die Adipositasgruppen betreuen. So wie Dr. Stefan Schäfer, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Nürnberg, dem das Thema sehr am Herzen liegt: "Die maximale Therapie besteht in einem mehrwöchigen Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik für adipöse Kinder und Jugendliche. Aber die Krankenkassen sehen den Grund für eine Teilnahme an einer teuren Patientenschulung nur dann, wenn das Kind wegen seines Übergewichts bereits krank beziehungsweise extrem fettleibig ist. Das Problem ist also, dass bei den Kindern, deren Eltern das Übergewicht früh genug erkannt haben, die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sie sind quasi noch nicht dick genug!"

Gewicht halten statt abnehmen

Den Eltern dieser Kinder bleiben also nur wenige Alternativen, wenn es ihnen nicht gelingt, den Nachwuchs selbst zu mehr Bewegung und gesünderer Ernährung zu motivieren. Manchmal hilft eine Ernährungsberatung, die man dann aber aus eigener Tasche zahlen muss. Die typischen Diäten sind für Kinder, die sich ja noch im Wachstum befinden, übrigens nicht geeignet. Die Gefahr, dass wichtige Nährstoffe fehlen, ist zu groß. Auch Light-Produkte sind, wie man inzwischen weiß, keine Alternative. Entweder erhalten sie Süßstoffe, die den Insulinspiegel durcheinanderbringen und wieder Heißhunger auslösen oder sie gleichen den Mangel an Fett mit Zucker aus, beziehungsweise andersherum. Ein häufiger Rat von Fachleuten lautet: Das Gewicht halten. Denn während des Wachstums verschwindet damit das Problem oft von alleine.

Übergewicht ansprechen ja, aber mit Bedacht

Das Kind beziehungsweise den Jugendlichen auf das Übergewicht anzusprechen, ist nicht einfach. "Eine Stigmatisierung ist auf keinen Fall sinnvoll", erklärt Susanna Wiegand. Es sollte sich von selbst verstehen, dass Eltern verletzende Kommentare unterlassen müssen, denn außer Trotz werden sie sowieso nichts damit erreichen. Im Gegenteil, sie könnten eine Basis dafür schaffen, dass das Kind noch mehr Kummer in sich hineinfrisst. Ist es also schädlich für das Selbstbild eines jungen Menschen, wenn man ihn auf ein Zuviel auf den Rippen hinweist? Dr. Fegeler sieht hier keinen Grund, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. "In der Regel handelt es sich um Jugendliche, die in das eitle Alter kommen. Eine gewisse Selbstkritik gegenüber der eigenen Übergewichtigkeit ist vonnöten, um eigenmotiviert - und das ist das Entscheidende - Diät- und Sportprogramme durchzuhalten."

Pizza-Verbote bringen nichts

Ein Verbot von bestimmten Nahrungsmitteln ist völlig sinnlos. Erstens ist das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner und zweitens ist es wichtig, dass ein Umdenken stattfindet - am besten in der ganzen Familie. Nicht der Schokoriegel hier und da oder das Stückchen Kuchen am Sonntag sind der Auslöser für Übergewicht, sondern in der Regel liegt es an Bewegungsmangel und fehlender gesunder Kost. Ein striktes Verbot von Chips und Co. führt meist nur zu Heißhungerattacken. Manchmal hilft es schon, feste Familienmahlzeiten einzuführen, vielleicht sogar gemeinsam einzukaufen und zu kochen, um wieder zu lernen, das Essen zu genießen. Ein regelmäßiges Frühstück und leckere, liebevoll zubereitete Pausenbrote können die Käsesemmel vom Hausmeisterstand schlagen. Schließlich isst das Auge auch mit.

Wann ist es Hunger, wann Appetit?

Ein Kind mit Übergewicht muss lernen, zwischen Hunger und Appetit zu unterscheiden. Keine leichte Aufgabe. "Man könnte denken, der eigentliche Grund zu essen sei Hunger. Wir essen jedoch häufig, weil es so gut schmeckt, weil es gerade angeboten wurde oder aus Stress, Frust und Langeweile. Denn Essen löst positive Gefühle aus", heißt es in einem Ratgeber für übergewichtige Kinder, herausgegeben von Professor Dr. Thomas Reinehr von der Universität Witten-Herdecke. Entscheidender Unterschied zwischen Appetit und Hunger: Bei Hunger könnte man jedes Lebensmittel verzehren, bei Appetit nur bestimmte. Man hat zum Beispiel Lust auf Schokolade, ein Apfel aber wird abgelehnt.

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Das Kind begleiten

Wichtig ist für ein Kind, das versucht, ein paar Pfund loszuwerden, dass es Unterstützung findet. Es braucht jemand, der Verständnis für Rückfälle hat und es weiter motiviert. Übergewicht verschwindet nicht von heute auf morgen. Und auch, wenn bei Kindern die Erfolge schneller zu erreichen sind als bei uns Erwachsenen: Wenn man es vernünftig angeht, dann dauert es auch hier seine Zeit, bis man wieder beim Idealgewicht angelangt ist.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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