In China Erste genetisch veränderte Babys geboren
In China sind erstmals Kinder auf die Welt gekommen, deren Erbanlagen verändert worden sind. Die Zwillinge sollen resistent gegen HIV sein. Der Deutsche Ethikrat kritisiert den Eingriff.
Einem chinesischen Wissenschaftler zufolge sind weltweit erstmals Babys nach einer Genmanipulation zur Welt gekommen. "Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt", sagt der Forscher He Jiankui in einem am Sonntag auf YouTube verbreiteten Video.
Kinder sollen resistent gegen HIV sein
Demnach hatte der an Embryonen vorgenommene Eingriff mit dem noch sehr jungen Verfahren Crispr/Cas9 das Ziel, die Kinder resistent gegen HIV zu machen. Eine geprüfte wissenschaftliche Veröffentlichung zu den Eingriffen gibt es noch nicht, sondern lediglich einen Eintrag in einem chinesischen Register für klinische Tests.
Embed
"Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche", erklärt Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, zu der Verkündung. "Ob es stimmt oder nicht, was der chinesische Forscher He behauptet: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen aufs Schärfste zu kritisieren."
Laut nahezu einhelliger Einschätzung sei die Grundlagenforschung noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen. "Die Neben- und Spätfolgen sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren."
Was ist Crispr/Cas9?
Die Genschere Crispr/Cas9 geht auf einen Abwehrmechanismus von Bakterien zurück. In den 1980er-Jahren fanden Forscher die ungewöhnlichen, sich wiederholenden Sequenzen im Erbgut der Kleinstlebewesen.
Später wurde entdeckt: Die Bakterien schützen sich vor eindringenden Viren, indem sie Schnipsel aus deren Erbgut in ihre eigene DNA einbauen. So können sie den Eindringling bei einer erneuten Attacke wiedererkennen und gezielt ansteuern. Das passiert, indem die eingebauten DNA-Sequenzen aktiviert und in sogenannte RNA-Erbgutmoleküle umgeschrieben werden.
Der zweite – schneidende – Teil der Genschere ist das Enzym Cas9. Es zerschnipselt an der angesteuerten Stelle das Erbgut, ursprünglich das des Eindringlings.
Gene verändern – oder ausschalten
Zwei Forscherinnen, die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und die US-Biochemikerin Jennifer Doudna, begannen, die molekulare Such- und Schneidemaschine gezielt für Arbeiten am Erbgut zu nutzen.
Ihre Studie erschien 2012 im Magazin "Science". Mit dem Miniwerkzeug können Gene verändert, an- oder ausgeschaltet und durch fremde Bestandteile ergänzt oder ersetzt werden. Emmanuelle Charpentier forscht heute als Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.
Ungelöste Probleme der Genschere
Seit 2013 weiß man, dass Crispr/Cas9 auch beim Menschen funktioniert. Mittlerweile werden zudem andere Enzyme außer Cas9 als Schnittwerkzeug getestet. Außerdem zeigte sich, dass Crispr nicht nur DNA, sondern auch die etwas andere RNA schneiden kann. Somit kommt die Genschere auch für den Kampf gegen gefährliche Viren wie HIV infrage.
- Fortschritte in der Forschung: HIV-Impfstoff – Affen vor Infektion geschützt
- Kampf gegen Aids: HIV: Ein neunjähriges Mädchen scheint geheilt zu sein
- "Skalpell der Gentechniker": Wird das ''Skalpell der Gentechniker'' reguliert?
Es gibt jedoch noch ungelöste Probleme – etwa bei der zuverlässigen Reparatur der zerschnittenen Sequenzen. Crispr ist die Abkürzung für "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats".
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa