Gesund bleiben Eine Stunde Bewegung wiegt acht Stunden Sitzen auf
Stundenlanges Sitzen schadet – ist aber für viele Büroarbeiter unvermeidbar. Eine neue Studie macht jetzt Mut: Wer sich jeden Tag bewegt, kann die negativen Effekte sogar ganz ausgleichen.
Der menschliche Körper ist fürs Dauersitzen nicht geschaffen. Je mehr wir sitzen, desto höher ist unser Risiko etwa für Herz- und Kreislaufkrankheiten. Doch ihr Sitzpensum können sich viele leider nicht aussuchen – für Büroarbeiter sind acht Stunden auf dem Schreibtischstuhl Alltag.
Diese Vielsitzer sind es, an die sich ein Forscherteam jetzt mit einer positiven Nachricht wendet: Wer sich genug bewegt, kann die Gesundheitsrisiken vom stundenlangen Sitzen sogar aufheben. Dafür ist lediglich eine Stunde Bewegung am Tag nötig – zum Beispiel in Form von gemütlichem Radfahren oder forschem Gehen (ab 5,6 km/h).
Daten von mehr als einer Million Menschen
Für ihre Analyse nutzten Forscher um Ulf Ekelund von der Norwegian School of Sport Sciences die Daten von mehr als einer Million Menschen weltweit, die bei 16 verschiedenen Untersuchungen mitgemacht hatten. Nachdem sie die Zahlen zusammengetragen hatten, verteilten sie die Teilnehmer auf verschiedene Gruppen:
- Als Basis dienten den Wissenschaftlern vier Bewegungsgruppen - vom Viertel, das sich mit bis zu fünf Minuten am Tag am wenigsten bewegte, bis hin zum Viertel, das sich mit mehr als einer Stunde am Tag am meisten bewegte.
- Innerhalb dieser Bewegungsgruppen gab es zudem Untergruppen - abhängig davon, wie viel die Teilnehmer saßen: Zu den Kaumsitzern zählten alle, die bis zu vier Stunden am Tag sitzen, in die höchste Gruppe kamen alle, die auf mehr als acht Stunden kommen.
Diese Daten kombinierten die Forscher anschließend mit den Sterberaten während der Untersuchung. Von den mehr als einer Million Teilnehmern starben 80.000 von zwischen zwei und 18 Jahren innerhalb der Studienzeit.
Gesundheitsrisiko wie durchs Rauchen
Die Ergebnisse waren klar:
- Mit zunehmenden Stunden, die jemand Tag für Tag sitzt, steigt das Risiko, frühzeitig zu sterben.
- Andersherum sinkt mit zunehmenden Minuten, die sich jemand Tag für Tag bewegt, das Todesrisiko.
Darüber hinaus analysierten die Forscher erstmals in diesem Umfang, wie sich die Effekte von Sitzen und Bewegung gegenseitig beeinflussen.
Wer am wenigsten saß und am meisten Sport trieb, hatte ein 59 Prozent geringeres Sterberisiko als die Teilnehmer, die am meisten saßen und am wenigsten Sport trieben. Das entspreche etwa der Wirkung, die auch Rauchen oder Übergewicht auf die Gesundheit hätten, schreiben die Forscher im Fachblatt "The Lancet".
Im Gegensatz dazu konnten die Wissenschaftler innerhalb der Gruppe, die sich am meisten bewegte (60 bis 75 Minuten pro Tag), keine Unterschiede feststellen.Egal ob sie weniger als vier, sechs oder sogar mehr als acht Stunden am Tag saßen - das Risiko, innerhalb der Studienzeit zu sterben, war ähnlich. Die Bewegung scheint, so lässt es sich aus den Daten herauslesen, das Risiko durch das viele Sitzen auszugleichen.
"Es muss kein Besuch im Fitnessstudio sein"
"Es wurden schon so viele Bedenken geäußert über die Gesundheitsrisiken, die mit dem heutigen, vom Sitzen geprägten Lebensstil einhergehen", sagte Ulf Ekelund laut einer Mitteilung des Fachmagazins. "Unsere Botschaft ist eine Positive: Es ist möglich, diese Risiken zu senken oder gar zu eliminieren, wenn man nur aktiv genug ist – sogar ohne Sport oder Besuche im Fitnessstudio."
Für viele Menschen, die zur Arbeit pendeln und einen Bürojob haben, gebe es keine Möglichkeit, dem langen Sitzen zu entkommen, so Ekelund weiter. "Vor allem für diese Menschen können wir nicht genug betonen, wie wichtig Bewegung ist - egal ob es sich dabei um einen Spaziergang in der Mittagspause, eine Joggingrunde am Morgen oder eine Fahrradfahrt zur Arbeit handelt."
Auch wer nicht auf eine Stunde kommt, profitiert, wie die Daten zeigen. Zwar konnte Bewegung das höhere Sterberisiko nicht eliminieren, aber zumindest senken. Frühere Untersuchungen hatten etwa gezeigt, dass schon fünf Minuten tägliches Joggen das Herz schützen können.
Busfahrer häufiger herzkrank als Schaffner
Die Aussagekraft der Studie ist vor allem aufgrund der vielen Teilnehmer und aufgrund der eindeutigen statistischen Trends enorm. Trotzdem bleiben wie bei allen Untersuchungen dieser Art Unsicherheiten. So war etwa der größte Teil der Versuchsteilnehmer älter als 45, außerdem stammten fast alle aus Westeuropa, den USA oder Australien. Ob die Ergebnisse auch auf andere Bevölkerungsgruppen zutreffen, ist deshalb fraglich.
Hinzu kommt, dass die Forscher nur Zusammenhänge beobachten konnten: Fakt ist, dass in der Gruppe mit den Bewegungsmuffeln mehr Menschen starben. Dies beweist aber noch nicht, dass die Bewegung der Grund dafür ist. Davon abgesehen decken sich die Ergebnisse der aktuellen Studie jedoch mit der Tendenz vieler anderer Untersuchungen.
Eine Analyse aus dem Jahr 2012 ging sogar so weit, mangelnde Bewegung jährlich mit mehr als fünf Millionen Todesfällen weltweit zu verbinden. Eine andere Studie hatte schon im Jahr 1953 nachgewiesen, dass Busfahrer, die vor allem sitzen, häufiger Erkrankungen der kleinen Gefäße rund ums Herz haben als Schaffner, die bei ihrem Job vor allem stehen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.