Forscher entschlüsseln das biologische Alter Mit 38 schon so alt wie eine 60-Jährige
Alter ist relativ. So manche 38-Jährige steckt in einem Körper, der bald reif für die Rente ist. Andere gehen als Mittzwanziger durch. Forscher aus den USA haben das biologische Alter von 100 Menschen ermittelt. Ihre Vision: Den Alterungsprozess insgesamt verlangsamen, statt einzelne Altersleiden zu therapieren.
Die Studie belegt, dass sich das biologische Alter von Menschen bereits in relativ jungen Jahren sehr stark unterscheiden kann. Bislang konzentriert sich die Altersforschung vor allem auf ältere Menschen. "Wenn wir aber altersbedingte Krankheiten verhindern wollen, müssen wir das Altern schon bei jungen Menschen untersuchen", schreibt Studienautor Dan Belsky von der Duke University in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS").
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Datengrundlage ist die sogenannte "Dunedin-Studie": Im Rahmen dieser Langzeit-Erhebung wurden 1037 Menschen aus der neuseeländischen Stadt Dunedin von ihrer Geburt bis zu ihrem 38. Lebensjahr regelmäßig körperlich und psychologisch untersucht.
Organe altern am schnellsten
Die Forscher entwickelten eine Methode, mit der sich Ausmaß und Geschwindigkeit des Alterns bei jungen Erwachsenen messen und vergleichen lassen. Laut Belsky zeigt sich der Prozess an den Organen früher als an Augen, Gelenken und Haaren.
Folglich prüfte das Forscherteam 18 entsprechende Biomarker, zu denen neben der Nieren- und Lungenfunktion auch Werte der Leber und des Immunsystems gehörten. Auch Cholesterinspiegel und Herzfitness wurden gemessen. Die Forscher erfassten zudem die Zahngesundheit und den Zustand der kleinen Blutgefäße hinter dem Auge, die als Indikator für den Zustand der Blutgefäße im Hirn gelten. Zudem wurde die Länge der Telomere gemessen, das sind die Chromosomenenden, die sich im Alter verkürzen.
In einem Kalenderjahr um drei Bio-Jahre gealtert
Anhand solcher Werte berechneten die Wissenschaftler das biologische Alter der 38-jährigen Probanden: Es lag bei 28 bis 61 Jahren. Die Forscher verglichen die Daten mit den Untersuchungsergebnissen der Studienteilnehmer, als sie 26 und 32 Jahre alt waren, um individuelle Altersprozesse bestimmen zu können.
Das Ergebnis: Die meisten Teilnehmer alterten tatsächlich jedes Jahr um ein biologisches Jahr. Einige aber alterten jedes chronologische Jahr um drei biologische Jahre, während andere gar nicht alterten und jünger blieben als ihr biologisches Alter.
Diejenigen, deren biologisches Alter höher als 38 Jahre war, alterten entsprechend schneller. Sie zeigten auch einen stärkeren IQ-Rückgang, Zeichen für ein erhöhtes Schlaganfall- und Demenzrisiko sowie verminderte motorische Fähigkeiten. Die Spuren des Alterns waren dabei schon mit 26 Jahren nachweisbar, so Gerontologe Belsky.
Foto-Test bestätigt: Das biologische Alter ist sichtbar
Die Probanden, die biologisch älter waren, schnitten auch schlechter in Gleichgewichts- und Koordinationsübungen sowie in kognitiven Tests ab. Zudem gaben sie selbst öfter an, körperliche Probleme etwa beim Treppensteigen zu haben. Dazu passt die Fremdwahrnehmung: Studenten der Duke University sollten auf Fotos das Alter der Probanden schätzen. Jene, die biologisch älter waren, wurden auch als älter eingestuft.
Umwelteinflüsse lassen uns schneller altern
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Analyse hilft, in den Alterungsprozess im Ganzen einzugreifen, anstatt einzelne Leiden isoliert zu behandeln. "Wenn wir älter werden, wächst unser Risiko für verschiedenen Krankheiten", so Belsky. "Um mehrere Krankheiten gleichzeitig zu verhindern und nicht Blindekuh zu spielen, muss das Altern selbst unser Ziel sein."
Wertvoll dafür sind Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung, die vermuten lassen, dass das Altern nur zu 20 Prozent genetisch bedingt ist. Der Rest geht auf Umwelteinflüsse zurück.
Bald mehr Greise als Fünfjährige auf der Welt
Die Erkenntnisse von Belsky und seinen Kollegen sind wichtig, weil die Weltbevölkerung immer älter wird. So warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits vor den Herausforderungen für die Gesundheitssysteme. Im Jahr 2020 werde es erstmals mehr Menschen über 60 Jahre geben als Fünfjährige. Für Deutschland prognostiziert das Statistische Bundesamt, dass im Jahr 2050 jeder dritte Deutsche über 65 Jahre alt sein wird.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.