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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Herbstwelle baut sich auf Neue Variante dominant in Deutschland
Das Robert Koch-Institut meldet erneut steigende Corona-Zahlen. Was kommt diesmal in der kalten Jahreszeit auf uns zu? Ein Experte sieht noch viele offene Fragen.
Der Herbst ist da und mit ihm die nächste Corona-Welle. Viele Menschen in Deutschland haben bereits bemerkt, dass die Zahl der Atemwegsinfektionen wieder steigt. Doch was steckt hinter den neuen Fällen? Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen.
Neue Corona-Variante dominant in Deutschland
Seit etwa vier bis fünf Wochen steigen sowohl die Viruslast im Abwasser als auch die vom Robert Koch-Institut (RKI) geschätzten Corona-Inzidenzen in Deutschland. "In der Bevölkerung und im ambulanten Bereich setzt sich ein Anstieg der SARS-CoV-2-Aktivität fort", heißt es dazu im aktuellen RKI-Wochenbericht.
Dass die Corona-Herbstwelle jetzt startet und die Fallzahlen weiter in die Höhe steigen werden, davon ist laut Experten auszugehen. "Es deutet sich tatsächlich eine neue Welle, getrieben durch die KP.3-Variante, an", sagt der Epidemiologe Prof. Markus Scholz t-online. Diese sei mittlerweile die elfte Corona-Variante, die in Deutschland dominant wird, so der Experte. Und: Corona trage damit weiterhin zu einer erheblichen Krankheitslast bei.
Zur Person
Prof. Markus Scholz ist Epidemiologe an der Universität Leipzig und forscht dort zur Entwicklung der Pandemie.
Laut Scholz führt der schnelle Variantenwechsel dazu, dass das charakteristische jahreszeitliche Muster, das wir zum Beispiel bei Grippe kennen, bei Corona nicht auftritt. Das heißt: Es gibt teilweise mehrere Wellen pro Jahr. "Insgesamt zählen wir seit Beginn der Pandemie zwölf Infektionswellen, die mehr oder weniger stark ausgeprägt waren", sagt der Epidemiologe.
Wie stark die aktuelle Herbstwelle ausfällt, lasse sich aber noch nicht abschätzen. Die letzten fünf Wellen hätten eine vergleichbare Intensität bezüglich kritischer Fälle (schwere Verläufe und Hospitalisierungen) gezeigt.
Zur Erklärung
Wissenschaftler schauen bei der Bewertung der Corona-Lage vorrangig auf die kritischen Fälle. Die berichteten Infektionszahlen sind deutlich unterschätzt, weil in der Bevölkerung kaum noch getestet wird.
Virusvariante KP.3.1.1 – erste Erkenntnisse aus Japan
Doch was wissen wir über die Untervariante KP.3.1.1, die gerade mehr als 70 Prozent der Corona-Infektionen in Deutschland ausmacht? Unterscheidet sie sich von anderen Omikron-Ablegern oder ist gar gefährlicher?
Gesicherte Antworten gibt es darauf bislang nicht. Fest steht aber: KP.3.1.1 ist ein Abkömmling der JN.1-Linie und in mehreren Ländern bereits vorherrschend. Wie Wissenschaftler aus Japan in einer neuen Studie berichten, könnte KP.3.1.1 einen erheblichen Fitnessvorteil gegenüber ihren Vorgängern haben. "KP.3.1.1 hat eine wesentlich höhere Reproduktionszahl als die Vorläufer KP.2, KP.2.3 und KP.3", so ihre Einschätzung im Fachjournal "The Lancet". Das bedeutet: KP.3.1.1 ist ansteckender und für die menschlichen Antikörper schwieriger abzuwehren.
Laut Scholz bewirkt dieser Fitnessvorteil lediglich, dass sich die Variante durchsetzt. Er sagt: "Dies war im Prinzip bei jeder Variantenkombination der Fall, die sich in Deutschland in der Vergangenheit durchgesetzt hat. Das ist also nicht ungewöhnlich." Das Gefahrenpotenzial der Variante ist für ihn bislang schwer kalkulierbar: Wie wahrscheinlich schwere Verläufe bei Infektionen seien und wie stark die noch bestehende Immunisierung in der Bevölkerung gegen die Variante wirke, sei unbekannt. Diese Fragen aber seien aktuell wichtig zu klären.
Warum das Coronavirus ständig neue Varianten hervorbringt
Das Coronavirus mutiert häufig, weil es ein RNA-Virus ist, das bei jeder Vermehrung kleine Fehler (Mutationen) in seinem genetischen Code aufweist. Diese Mutationen geschehen zufällig, aber einige von ihnen können dem Virus Vorteile verschaffen, wie zum Beispiel eine höhere Übertragbarkeit, ein besseres Entkommen vor dem Immunsystem oder eine Resistenz gegen bestimmte Behandlungen wie Impfstoffe und Medikamente.
Schutzmaßnahmen weiterhin wichtig
Die Symptome von KP.3.1.1 ähneln Berichten zufolge denen früherer Corona-Varianten. Es zeigen sich klassische Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Atemprobleme sowie Geruchs- und Geschmacksverlust.
Obwohl die genaue Schwere und die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen KP.3.1.1 weiterhin beobachtet und untersucht werden, gehen Experten davon aus, dass die aktuellen Impfstoffe weiterhin Schutz bieten. Seit Mitte August 2024 ist in Deutschland ein angepasster Biontech-Impfstoff verfügbar. Mit einer Auffrischung impfen lassen sollten sich der Ständigen Impfkommission (Stiko) zufolge Menschen ab 60 Jahren, Personen mit Vorerkrankungen oder Beschäftigte, die im Gesundheitsbereich tätig sind (mehr dazu hier). Der ideale Zeitpunkt für die Impfung ist laut Stiko im Herbst.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- infektionsradar.gesund.bund.de: "Aktuelle Infos: Akute Atemwegserkrankungen in Deutschland"
- influenza.rki.de: "ARE-Wochenbericht des RKI"
- rki.de: "COVID-19-Impfempfehlung"
- thelancet.com: "Virological characteristics of the SARS-CoV-2 KP.3.1.1 variant" (englisch)
- Schriftliches Interview mit Prof. Markus Scholz