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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Häufigste Krebserkrankung bei Männern Neuer Speicheltest erkennt Prostatakrebs schneller und genauer
Ein innovativer Speicheltest macht Hoffnung in der Früherkennung von Prostatakrebs. Er verspricht präzisere Ergebnisse als herkömmliche Methoden.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland. Wissenschaftler haben nun einen Speicheltest entwickelt, der das Potenzial hat, die Behandlung dieser Krebserkrankung weltweit zu verbessern, indem er die Krankheit früher erkennt und Männer mit hohem Risiko besser identifiziert.
Damit könnte der Test vielen Männern unnötige Biopsien und Behandlungen ersparen. Entwickelt wurde die Methode von Forschenden des "Institute of Cancer Research, London" (ICR) und des "Royal Marsden NHS Foundation Trust".
Früherkennung mit derzeitiger Methode ist ungenau
Prostatakrebs ist bereits in vielen Ländern die häufigste Krebsart bei Männern. Und laut den Angaben des ICR dürfte sich die Zahl der Prostatakrebsfälle bis 2040 voraussichtlich verdoppeln. Dabei ist Prostatakrebs gut behandelbar, wenn er frühzeitig entdeckt wird. Die Früherkennung ist daher entscheidend.
Das Problem: Die derzeitige Methode, der sogenannte PSA-Bluttest, ist oft ungenau und kann zudem bei einigen Männern zu Überdiagnosen (falsch-positive Ergebnisse) und unnötigen Operationen führen. Lesen Sie hier mehr darüber, warum der derzeitige PSA-Test zu unnötigen Biopsien und Nebenwirkungen wie Impotenz führen kann.
Info: Was bedeutet PSA?
PSA steht für Prostata-spezifisches Antigen: Das ist ein Eiweißstoff, den die Prostata bildet und der in geringen Mengen auch ins Blut übertritt. Da Krebszellen mehr PSA bilden als gesunde Zellen, kann ein erhöhter PSA-Wert auf Prostatakrebs hinweisen. Allerdings können auch andere Faktoren den PSA-Wert steigen lassen, etwa Entzündungen, Fahrradfahren oder eine gutartige Prostatavergrößerung.
Forscher des Institute of Cancer Research (ICR) in London und der Royal Marsden NHS Foundation Trust haben nun möglicherweise eine bessere Alternative gefunden. Ihre Studie zeigt, dass ihr neuer Speicheltest, der eine DNA-Probe in wenigen Sekunden entnimmt, genauer ist als der derzeitige Standard-Bluttest. Die Ergebnisse wurden an diesem Wochenende auf der weltweit größten Krebskonferenz präsentiert.
DNA aus Speichel führt zur zuverlässigen Früherkennung
Für ihren Speicheltest untersuchten Wissenschaftler und Ärzte die DNA von Hunderttausenden von Männern. Der Test funktioniert, indem er genetische Signale im Speichel von Menschen sucht, die nach heutigem Wissensstand mit Prostatakrebs in Verbindung stehen.
In der sogenannten Barcode-1-Studie rekrutierten die Forscher mehr als 6.000 europäische Männer im Alter zwischen 55 und 69 Jahren, bei denen das Risiko für Prostatakrebs erhöht ist. Nachdem der Speichel gesammelt wurde, berechnete der Test den sogenannten polygenen Risikoscore (PRS) jedes Mannes. Dieser basiert auf 130 genetischen Variationen im DNA-Code, die mit Prostatakrebs in Verbindung stehen.
Die Ergebnisse:
- Bei Männern mit dem höchsten genetischen Risiko lieferte der Test weniger falsch positive Ergebnisse als der PSA-Test.
- Der Test erkannte die Männer mit Krebs, die durch den PSA-Test allein übersehen worden wären.
- Der Test entdeckte einen höheren Anteil aggressiver Krebserkrankungen als der PSA-Test.
- Der Test identifizierte auch Männer mit Prostatakrebs, die durch eine MRT-Untersuchung übersehen worden waren.
Test ist Durchbruch nach jahrzehntelanger Forschung
"Mit diesem Test könnte es möglich sein, den Kampf gegen Prostatakrebs zu gewinnen", sagte Ros Eeles, Professorin für Onkogenetik am ICR. "Wir haben gezeigt, dass ein einfacher, kostengünstiger Speicheltest, der Männer aufgrund ihrer genetischen Veranlagung mit höherem Risiko identifiziert, ein effektives Mittel zur Früherkennung von Krebs ist." Auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago erklärte Eeles, der Durchbruch sei nach jahrzehntelanger Forschung zu den genetischen Markern der Krankheit gelungen.
"Unsere Studie zeigt, dass die Theorie in der Praxis funktioniert – wir können Männer mit Risiko für aggressive Krebserkrankungen identifizieren, die weitere Tests benötigen, und diejenigen mit geringerem Risiko von unnötigen Behandlungen verschonen."
Prävention: Lebensstilveränderungen reichen nicht aus
Professorin Eeles vom ICR warnte jedoch, dass weitere Forschungen erforderlich seien, bevor der Test weit verbreitet eingesetzt werden könne. "Unser nächster Schritt wird es sein, die von uns identifizierten genetischen Marker, die mit einem Risiko für Prostatakrebs verbunden sind, in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu testen." So solle sichergestellt werden, dass dieser Test allen Männern zugutekommen könne.
Denn klar ist auch: Durch die steigende Lebenserwartung nimmt die Zahl der älteren Männer weltweit zu. Und das Alter ist – ebenso wie die Gene – ein Hauptrisikofaktor für Prostatakrebs. Daher glauben Experten, dass es unmöglich sein wird, den Anstieg der Krebsfälle nur durch Lebensstiländerungen oder öffentliche Gesundheitsmaßnahmen zu verhindern. Bessere Tests und frühere Diagnosen könnten jedoch helfen, die Belastung zu verringern und Leben zu retten.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- icr.ac.uk: "ASCO 2024: Prostate cancer spit test better for men with high genetic risk than standard blood test". (Stand: Juni 2024; englisch)
- krebsdaten.de: "Prostatakrebs (Prostatakarzinom)". (Stand: 2020)
- gesundheitsinformation.de: "Der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs". (Stand: August 2022)