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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Videochat mit dem Arzt So funktioniert die digitale Sprechstunde
Ärztliche Beratung – ganz ohne Besuch in der Praxis: Durch die Corona-Pandemie ist die Online-Sprechstunde attraktiv geworden. Nicht nur Anfahrten entfallen, auch das Ansteckungsrisiko sinkt.
Doch die Videosprechstunde bietet noch weitere Vorteile. Welche das sind, wer besonders von einer telemedizinischen Beratung profitiert und was Patienten beachten sollten.
Videosprechstunden auf dem Vormarsch
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind virtuelle Arztgespräche zunehmend beliebter geworden. Statt im Behandlungszimmer oder per Telefon findet das Gespräch mit dem Arzt nun immer häufiger digital per Videosprechstunde statt. Im Jahr 2020 sprachen sich einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom zufolge zwei Drittel der Teilnehmenden offen gegenüber Videosprechstunden aus.
Und auch von Ärzteseite wird die Online-Sprechstunde genutzt: In einer Umfrage des health innovation hub und der Stiftung Gesundheit gaben mehr als 50 Prozent der befragten Ärzte und Psychotherapeuten an, die Videosprechstunde zu nutzen.
"Die Videosprechstunde ist in vielen Bereichen eine gute Ergänzung und wird von Teilen der Ärzteschaft und von vielen Patienten wohlwollend aufgenommen", sagt Internist Dr. med. Ivo Grebe, Mitglied im Vorstand des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (BDI) und Vorsitzender der AG Hausärztlich tätige Internistinnen und Internisten des BDI.
"Die Videosprechstunde wird sowohl in Arztpraxen als auch in Kliniken – auch für den fachlichen Austausch der Ärzte verschiedener Kliniken untereinander – genutzt und funktioniert gut. Auch digitale Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, sogenannte Gesundheits-Apps, die von den Krankenkassen erstattet werden, sind immer mehr im Kommen."
Krankheit zuhause bleiben können
Ein Vorteil der digitalen Sprechstunde mit dem Arzt ist, dass Patienten das Haus nicht verlassen müssen. Wer krank ist, etwa eine Magen-Darm-Grippe hat, fühlt sich oftmals nicht in der Lage, den Anfahrtsweg und längere Wartezeiten durchzustehen. Dann ist es für ein Gespräch und eine Krankschreibung einfacher, aus dem Bett kurz an den Computer zu gehen – oder gleich das Smartphone im Bett für das Arztgespräch zu nutzen. Ein Anruf vorab in der Praxis klärt, ob eine Videosprechstunde im individuellen Fall möglich ist oder ob doch der persönliche Kontakt erforderlich ist.
Für die Online-Sprechstunde brauchen Patienten keine besondere Technik. Notwendig ist ein Computer oder ein Smartphone mit Kamera, Lautsprecher und Mikrophon sowie eine stabile Internetverbindung. Die Online-Arztpraxis wird durch einen zertifizierten Videoanbieter zur Verfügung gestellt. Datenschutzrechtliche Vorgaben werden so erfüllt. Das Arztgespräch darf nicht aufgenommen oder gefilmt werden. Die Kosten für den digitalen Arztbesuch werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Keine zusätzliche Ansteckungsgefahr
Wer nicht in die Arztpraxis muss, kann zusätzliche Ansteckungsrisiken minimieren, etwa in Bus und Bahn oder im Wartezimmer des Arztes. Denn auch wenn die Fenster in der Regel offen sind: Im Wartezimmer kommen auf engem Raum mehrere Erkrankte zusammen. Ebenso wird man als Nutzer einer Videosprechstunde selbst nicht zum Überträger von Viren auf andere Wartende.
"Auch im Rahmen des Praxismanagements bieten Videosprechstunden Vorteile. Der Arzt hat die Möglichkeit, mit vielen Patienten in Kontakt treten zu können, ohne dass diese sich ins Wartezimmer setzen müssen", sagt Grebe. "So können die verfügbaren Sitzplätze von denen genutzt werden, die persönlich untersucht werden müssen. Für Blutbildbesprechungen beispielsweise oder die Anpassung der Medikamente ist ein persönliches Erscheinen in der Regel nicht notwendig. Auch mit Blick auf Hausbesuche kann die Videosprechstunde in vielen Fällen eine Alternative darstellen."
Zeitersparnis durch fehlende An- und Abreise
Auch die Zeitersparnis ist ein Vorteil der Videosprechstunde. Kranke müssen, sofern es sich lediglich um ein Gespräch ohne körperliche Untersuchung handelt, nicht mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen oder sich gar fahren lassen. Das spart Stress und Zeit. Vor dem Online-Termin erhält der Patient vom Arzt die Zugangsdaten für die Videosprechstunde, über die er sich einwählen und seinen Namen eingeben kann.
Auch hier gilt: Pünktlich sein. Und prüfen Sie zuvor die Internetverbindung sowie das Mikrophon. Am besten wählen Sie sich bereits fünf bis zehn Minuten vor dem Termin ein, um sicherzugehen, dass alles funktioniert.
"Man könnte meinen, dass Videosprechstunden besonders von Menschen genutzt werden, die auf dem Land leben. Dort sind aber häufiger ältere Generationen ansässig. Diese fühlen sich mit dem Computer oft nicht wohl und bevorzugen weiterhin das persönliche Gespräch", weiß der Internist. "Videosprechstunden werden vor allem von den unter 50-Jährigen genutzt. Besonders von denen, die beruflich oder familiär stark eingespannt sind."
Dr. med. Ivo Grebe ist Mitglied im Vorstand des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (BDI) sowie Vorsitzender der AG Hausärztlich tätige Internistinnen und Internisten des BDI. Der Experte für Innere Medizin und Rheumatologie ist am MVZ Aachen Zentrum tätig.
Entfernungen spielen keine Rolle
Ein weiterer Vorteil der Videosprechstunde ist die Möglichkeit, mit spezialisierten Ärzten Kontakt aufnehmen zu können, die in weiter entfernten Städten praktizieren. "Die Videosprechstunde ist meist auch dann möglich, wenn der Patient zuvor noch nicht bei der Ärztin oder dem Arzt in Behandlung war.
Es ist möglich, die elektronische Gesundheitskarte über Kamera zu erfassen und eine Identitätsprüfung durchzuführen", sagt Grebe. Ob im weiteren Verlauf ein persönlicher Kontakt notwendig wird, ergibt sich aus dem Gespräch mit dem Arzt. Der Erstkontakt kann in vielen Fällen per Video erfolgen.
Hürden für psychisch Kranke sind geringer
Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten können ebenfalls Videosprechstunden anbieten. Für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression oder Angststörung, kann das sehr hilfreich sein, wenn sie nicht aus dem Haus müssen und einen langen Anfahrtsweg vor sich haben. So besteht die Chance, dass Termine regelmäßiger wahrgenommen und seltener abgesagt werden – einfach, weil die Hürde zur Teilnahme als niedriger wahrgenommen wird.
Ein möglicher Nachteil kann sein, wenn sich der persönliche Bezug und das Vertrauen über den Computer nicht so gut entwickeln. Der Experte rät daher, zwischen persönlichen und digitalen Therapiesitzungen zu wechseln – je nach Bedarf des Patienten.
"Damit Betroffene von der Videosprechstunde profitieren können, ist es wichtig, dass diese genauso vertraulich und störungsfrei verlaufen kann wie die normale Sprechstunde oder Therapiestunde", sagt Grebe. "Es ist daher empfehlenswert, dass diese in Räumen stattfinden, die Rückzug, Ruhe und Privatsphäre bieten. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können die Videosprechstunde grundsätzlich dann nutzen, wenn es bereits einen persönlichen Erstkontakt zur Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung gab und aus therapeutischer Sicht kein unmittelbarer persönlicher Kontakt erforderlich ist."
Wie finde ich einen Arzt mit Videosprechstunde?
Bislang gibt es kein Register, in dem Ärzte aufgeführt sind, welche die Videosprechstunde anbieten. In der Regel geben Ärzte auf Ihrer Website an, ob Sie über eine digitale Sprechstunden erreichbar sind. Auch die telefonische Rückfrage ist möglich. Ob im individuellen Fall ein Onlinetreffen ausreicht oder ob eine körperliche Untersuchung notwendig wird, lässt sich im Gespräch mit dem Praxisteam im Rahmen der Terminvereinbarung klären.
"Auch wenn die Videosprechstunde ein Angebot ist, das immer mehr Ärzte anbieten und immer mehr Patienten nutzen, so ist doch davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt auch weiterhin bevorzugt wird. Auch, weil sich der Patient als Gesamtmensch angenommen fühlen möchte und das persönliche Gespräch als näher und direkter wahrgenommen wird", sagt Grebe.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Bdi.de: "PraxisApp und Videosprechstunde". Online-Information des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (BDI). (Stand: Aufgerufen am 6. September 2022)
- bitkom.org: "Corona-Pandemie. Zwei Drittel wünschen sich Online-Sprechstunden beim Arzt". Pressemeldung von Bitcom e. V. (Stand: 31. März 2020)
- stiftung-gesundheit.de: "Ärztliche Arbeit und Nutzung von Videosprechstunden während der Covid-19-Pandemie. Repräsentative deutschlandweite Befragung ambulant tätiger Arztinnen und Ärzte". PDF der Stiftung Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem health innovaton hub. (Stand: 2020)
- zusammengegencorona.de: "Was ist die Videosprechstunde und was sind die Vorteile gegenüber einer gewöhnlichen Sprechstunde?" Online-Information der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Bundesregierung. (Stand: 10. August 2022)
- kbv.de: "Coronavirus: Hinweise zur Videosprechstunde". PDF der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). (Stand: Januar 2022)
- kbv.de: "Online in die Arztpraxis. So funktioniert die Videosprechstunde". Online-Informationsblatt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). (Stand: Januar 2022)
- stiftung-gesundheitswissen.de: "Online zum Arzt: Wie funktioniert die Videosprechstunde?" Online-Information der Stiftung Gesundheitswissen. (Stand: 29. November 2021)