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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auskunftei unter Druck Schufa droht nächste Änderung
Ist der Schufa-Score doch nicht so wichtig wie gedacht? Das versucht sich die Auskunftei gerade bestätigen zu lassen. Was dahinter steckt.
Je besser der Schufa-Score, desto höher die Chance auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss – so preist die Wirtschaftsauskunftei ihre Bewertung für die Kreditwürdigkeit von Personen auf ihrer eigenen Website an. Müsste dann nicht umgekehrt gelten: Je schlechter der Schufa-Score, desto geringer die Chance? Im schlimmsten Fall sogar ein Ausschlusskriterium?
Diesem Eindruck scheint die Schufa gerade entgegenwirken zu wollen. Wie die Auskunftei auf Nachfrage von t-online bestätigt, bittet sie derzeit ihre Geschäftskunden um Bestätigung, dass der Score-Wert für ihre Entscheidungen nicht maßgeblich ist. Man könnte auch sagen: doch nicht so wichtig ist, wie etwa auf der Website behauptet wird. Zuerst hatten NDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) über die vertraulichen Briefe berichtet.
Wie maßgeblich ist der Schufa-Score?
Hintergrund ist, dass es nach Ansicht eines Gutachters am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen Europarecht verstoße, wenn die Auskunftei Score-Werte für die Kreditwürdigkeit automatisiert erstelle. Denn laut der europäischen Datenschutzgrundverordnung dürfen Entscheidungen, die für Betroffene rechtliche Wirkung haben, nicht nur auf Basis von automatisiert verarbeiteten Daten getroffen werden. Der Score-Wert soll bereits eine solche verbotene automatische Entscheidung darstellen.
Das Gutachten ist für die Richter am EuGH nicht bindend, sie folgen dieser Art von Einschätzung aber oft. Entsprechend bemüht sich die Schufa nun darum zu belegen, dass ihr Score kein maßgebliches Kriterium für Unternehmen und Banken ist, wenn sie Verträge und Kredite vergeben. Dass dies in aller Regel der Fall sei, entnehme man "aus Gesprächen mit Kunden", teilt die Schufa t-online mit.
Schufa denkt bereits über Alternativen nach
"Die Frage nach der Maßgeblichkeit kann nur durch die Unternehmen selbst beantwortet werden. Nur sie kennen ihre internen Prozesse und Regelwerke der Entscheidungsfindung. Ob es solche Sachverhalte – und damit verbunden etwaigen Anpassungsbedarf in den Prozessen gibt, klären wir mit unserer Abfrage", heißt es weiter.
Ein solcher Fall könnte nach Aussage von Schufa-Sprecherin Tanja Panhans zum Beispiel vorliegen, wenn eine Bank einen potenziellen Kunden ohne weitere Prüfung ablehne, sobald sein Score einen bestimmten Wert unterschreite. "Eine Lösung könnte dann sein, dass sich die Bank eine Einwilligung von ihren Kunden für dieses Vorgehen holt oder dass sie sich solche Fälle eben doch genauer anschaut", so die Sprecherin.
Das könnte, nach Aussage von Schufa-Sprecherin Tanja Panhans, dann der Fall sein, wenn es regelmäßige Praxis ist, dass eine Bank einen potenziellen Kunden ohne weitere Prüfung ablehnt, sofern ein bestimmter Score-Grenzwert unterschritten wird, den die Bank definiert. "Dann sind gegebenenfalls interne Prozesse bei der Bank anzupassen. Zudem sieht Artikel 22 DSGVO auch eine Einwilligungserklärung durch den Kunden als mögliche Lösung vor", so die Sprecherin.
Urteil würde nicht nur die Schufa betreffen
Für den Fall, dass der EuGH dem Gutachten folgen sollte, "werde sich das Handeln der Schufa selbstverständlich den neuen Gegebenheiten anpassen." Ein entsprechendes Urteil würde aber nicht nur die Schufa betreffen, sondern alle Unternehmen in Europa, die andere Firmen und Behörden bei Entscheidungen durch sogenannte Profilbildung unterstützen – also anhand von Werten einschätzen, wie gut jemand seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt.
Einem anderen EuGH-Urteil war die Schufa bereits im Frühjahr zuvorgekommen. Damals hatte sie die Speicherdauer von Daten zu Privatinsolvenzen von drei Jahren auf sechs Monate verkürzt (mehr dazu hier).
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Schufa-Sprecherin Tanja Panhans
- Schriftliche Mitteilung der Schufa
- tagesschau.de: "Die Schufa will nicht so wichtig sein"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa