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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Elster-Drama "So etwas darf nicht erneut passieren"
Das Steuerportal Elster ist seit Tagen nicht erreichbar. Ein klassisches Symptom der verschleppten Digitalisierung in den Behörden?
Seit dem 1. Juli kann im Onlineportal Elster die Grundsteuererklärung eingereicht werden, die von den Finanzämtern für die Neuberechnung der Grundsteuer eingefordert wird. Doch selbst die vorbildlichsten Immobilien- und Grundbesitzer dürften ihre Angaben noch schuldig sein – denn das System brach angesichts des Ansturms der vergangenen Woche zusammen.
Typisch Finanzverwaltung? Anruf bei einem, der es wissen muss: Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.
t-online: Herr Köbler, Zehntausende Deutsche wollten in den vergangenen Tagen ihre Grundsteuererklärung bei Elster hinterlegen – und sahen bloß eine schwarze Seite. Was war da los?
Florian Köbler: Statt wie sonst 10.000 durchschnittliche Sessions pro Tag hatten wir in den letzten Tagen oftmals mehr als 120.000. Natürlich freut sich die Finanzverwaltung, dass die Leute für das Thema sensibilisiert sind und sich um ihre Grundsteuererklärung kümmern. Aber dieser Ansturm war einfach zu groß: Am Mittwoch ist es zum Totalausfall von Elster gekommen.
Können Sie konkreter werden?
Ein Bauteil, das die Zugriffslast auf die Server verteilen soll, hat nicht standgehalten. Den Unmut der Bürger darüber kann ich gut verstehen: Auch ich wollte mich nämlich anmelden.
Es geht immerhin um 36 Millionen Häuser und Grundstücke, zu denen bis Ende Oktober Angaben vorliegen sollen. Hätte man diese hohen Zugriffszahlen da nicht voraussehen können?
Tatsächlich hatten wir mit einem solchen Szenario in den ersten Tagen geplant. Aber: Das fragliche Bauteil war eigentlich auf bis zu 180.000 Sitzungen ausgelegt. Dass es bereits bei 60.000 Zugriffen den Geist aufgibt, war einfach nicht abzusehen. Heute Morgen wurde das Ersatzteil geliefert. Es ist auf bis zu 300.000 gleichzeitige Zugriffe ausgelegt. Ab morgen sollte also alles wie gewohnt funktionieren. Bis dahin bitten wir die Bürger noch um etwas Geduld.
Warum müssen sich Grundbesitzer überhaupt selbst kümmern? Zynisch könnte man sagen: Sie fordern die Daten bei den Behörden an, um sie wiederum einer anderen Behörde auf dem Silbertablett zu servieren.
Viele Daten, zum Beispiel die genauen Wohnflächen, das Baujahr oder die Grundstücksart liegen teilweise nicht digital vor. In dem Fall könnte nur geschätzt werden, zahlreiche Einsprüche wären die Folge. Da ist es besser, wenn die Grundbesitzer ihre Daten selbst einreichen. Klar ist aber auch, dass wir für die entsprechende Infrastruktur sorgen müssen – so etwas wie vergangene Woche darf nicht erneut passieren.
Steht das Elster-Drama stellvertretend für den Stand der Digitalisierung in den Finanzbehörden?
Das kann man so nicht sagen. Die Grundsteuerreform ist eine Jahrhundertaufgabe. Die Steuerverwaltung ist bereits die digitalste Verwaltung in Deutschland. Trotzdem ist man auch hier noch hybrid unterwegs, manches muss noch auf Papier eingereicht werden. Insbesondere die Corona-Pandemie hat gezeigt: Wir müssen in puncto Digitalisierung noch besser werden. Damit das gelingt, fordern wir schon lange mehr Investitionen in technische Infrastruktur und Personal.
Florian Köbler, geboren 1982, ist seit Ende Juni 2022 Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. In dieser Funktion vertritt er Beamte und Arbeitnehmer der Steuerverwaltung.
Was möchten Sie mit dem Geld in der Verwaltung verbessern?
Wir wollen uns stärker nach den Erwartungen der Bürger richten. Das heißt zum Beispiel: einen leichten digitalen Workflow zwischen Bürger und Steuerverwaltung anzubieten – im Bestfall mit einer App am Handy. Insbesondere die jüngere Generation wird einfache, digitale Lösungen – zu Recht – einfordern. In Zukunft sollte der Großteil der Steuererklärungen außerdem per Computer geprüft werden, um mehr Zeit für komplizierte Einzelfälle zu schaffen.
Ganz schön hehre Ziele.
Absolut. Und wir werden sie nur erreichen, wenn wir pragmatisch denken. Aktuell hat die Digitalisierung die Verwaltung eher verkompliziert, Gesetze konzentrieren sich auf Einzelfallgerechtigkeit. Nehmen Sie beispielsweise die Werbungskostenpauschale: Diese beträgt ab 2022 1.200 Euro. Würde sie erhöht, müssten viel weniger Bürgerinnen und Bürger überhaupt eine Steuererklärung abgeben.
Wie kann der Gesetzgeber Sie bei der Digitalisierung unterstützen?
Entscheidend ist die Klärung der offenen Fragen zum Datenschutz. Finanzbehörden und Betriebe müssen sich in Zukunft besser austauschen. Im Idealfall würde der Computer hier einen gezielten Erstcheck vornehmen und die schwarzen Schafe aussortieren. Um die kümmern wir uns dann ganz besonders.
Und für die Betriebe gibt es einen positiven Nebeneffekt: Die Zeitdauer für Betriebsprüfungen würde sich reduzieren, das beweisen Beispiele aus Estland.
Vielen Dank, Herr Köbler, für das Gespräch.
- Interview mit Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft