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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Explodierende Fleischpreise Düstere Aussichten
Wer in diesen Tagen grillen will, wird womöglich beim Einkauf einen Schreck bekommen. Denn die Fleischpreise sind deutlich gestiegen – wegen des Krieges in der Ukraine.
Draußen scheint die Sonne, die Temperaturen steigen: Viele Bundesbürger dürften in den nächsten Wochen den Grill anwerfen, wenn nicht bereits geschehen. Doch: Die neue Grillsaison hält keine guten Nachrichten für die Deutschen bereit.
Denn die Fleischpreise sind jüngst deutlich gestiegen – und könnten in den kommenden Wochen weiter anziehen. Laut t-online-Preischeck kostete eine 500-Gramm-Packung gemischtes Hackfleisch Ende März bei Rewe noch 4,98 Euro, Ende April lag der Preis bereits bei 5,98 Euro.
Zum Vergleich: Anfang des Jahres kostete die Packung noch 2,49 Euro, ist mittlerweile also mehr als doppelt so teuer. Auch die Branche bestätigt einen enormen Kostendruck und infolgedessen steigende Preise.
Schweinekoteletts und Hähnchenbrust werden teurer
Vom Deutschen Fleischer-Verband, dem Dachverband des Fleischerhandwerks, heißt es, die Preissteigerungen sehe man am deutlichsten bei Hackfleisch.
Rinderhackfleisch habe in der Woche nach Ostern in diesem Jahr rund 24 Prozent mehr gekostet als in der vergleichbaren Woche des Vorjahres. Bei gemischtem Hackfleisch liege die Steigerung sogar bei knapp 34 Prozent.
Demnach werden auch Schweinekoteletts und frische Hähnchenbrust 18 beziehungsweise 20 Prozent teurer angeboten. Für Wurst und Schinken müssen Verbraucher ebenfalls mehr hinblättern: zwischen 3,5 Prozent bei Leberwurst und 13 Prozent bei Fleischwurst.
Gründe liegen im Ukraine-Krieg
Aber warum wird es für Fleischliebhaber teurer? Die Gründe dafür sind vielfältig, gehen jedoch allesamt auf die russische Invasion in der Ukraine zurück – und nicht etwa auf höhere Anforderungen an die Tierhalter.
Die Ukraine ist ein bedeutender Getreidelieferant, durch den Krieg im Land ist sowohl der Anbau als auch der Export gestört. Auch Mais wird in der Ukraine angebaut, ebenso Raps für die Produktion von Speiseöl. In den Supermärkten ist Speiseöl schon seit Wochen immer mal wieder ausverkauft, nicht zuletzt wegen Hamsterkäufen.
Mehr zum Thema Inflation? Lernen Sie in dieser Podcast-Folge mit dem Leiter des Ressorts für Wirtschaft und Finanzen, Florian Schmidt, und t-online-Chefredakteur Florian Harms:
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Getreide bleibt liegen
Viel habe wegen des Krieges nicht ausgeliefert werden können, mit Folgen für die Futtermittel. Denn Getreide und Mais sind Basis für das Futter von Schweinen, Geflügel und Rindern. Werde Futtermittel knapp, stiegen auch die Preise, erläutert Mechthild Cloppenburg, Marktexpertin bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI).
Im April 2022 sei beispielsweise Futtermittel für Schweine 30 Prozent teurer gewesen als im Vorjahresmonat. "Und 2021 waren die Preise bereits hoch", sagt sie im Gespräch mit t-online. Die Futtermittelpreise würden die Fleischproduzenten auf den Handel und letztlich die Verbraucher abwälzen, so Cloppenburg.
"Je länger der Krieg andauert, desto fataler wird es"
Besonders bei Geflügelfleisch würden sich höhere Futtermittelpreise direkt zeigen, sagt die Expertin. Einfach weil es bei Hühnern und Puten von der Aufzucht bis zur Schlachtung deutlich kürzer dauere als etwa beim Rind.
Und die Lage beim Getreide könnte sich noch verschärfen. Immerhin steht in der Ukraine die Getreideernte an. Fraglich sei, wie viel wegen des Krieges überhaupt geerntet und verarbeitet werden könne. "Je länger der Krieg andauert, desto fataler werden die Auswirkungen für die Futtermittelproduktion", so Cloppenburg weiter.
Teure Energie
Neben Futtermittel spielen in der Tierhaltung und Fleischproduktion auch die Energiekosten eine entscheidende Rolle. Beispielsweise für Ställe, die Wurstproduktion oder die Kühlung der Produkte benötigen die Fleischhersteller Unmengen Strom.
Zudem gilt die Fleischindustrie als der zweitgrößte Gasverbraucher in der Lebensmittelbranche, nach der Milchwirtschaft. Ein Gasembargo würde die Branche empfindlich treffen, warnte jüngst der Bauernpräsident Joachim Rukwied im Interview mit t-online.
Doch selbst ohne Gaslieferstopp steigen die Energiepreise seit Wochen an. Was sich wiederum auf die Preise an der Fleischtheke auswirkt. Nicht zuletzt steigen auch die Kosten für Logistik und den Transport, was die Endverbraucherpreise ebenfalls treibt.
"Die erhöhten Produktionskosten sind existenzgefährdend"
Aber nicht nur im Supermarkt oder beim Metzger zeigen sich höhere Preise, sondern auch in der Gastronomie. "Energiekosten wie bei Strom und Erdgas sind ein großer Preistreiber. Bei anderen Rohstoffen wie zum Beispiel Rindfleisch fiel der Preisanstieg um 50 Prozent teilweise sogar noch stärker aus", heißt es beim Bundesverband der Systemgastronomie, der Ketten wie Burger King und Nordsee vertritt.
Getreide, Mehl, Gemüse, Milch, Butter – für alles müssen die Unternehmen mehr bezahlen. Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) sieht Betriebe der Ernährungsindustrie durch die Kostenexplosionen ebenfalls in ihrer Existenz bedroht. Für die Lebensmittelindustrie sei es wichtig, die Preissteigerungen an den Handel und die Verbraucher weiterzugeben.
"Dies wird den großen Konzernen gelingen. Doch viele Mittelständler in der Lebensmittelproduktion werden dies nicht schaffen", sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler jüngst den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die erhöhten Produktionskosten sind für sie existenzgefährdend, manche werden ihren Betrieb schließen müssen."
"Es wird weitere Preissteigerungen geben"
Der Ausblick für die Branche ist daher düster. Und so auch für Verbraucher im Supermarkt. "Die Lage wird sich so schnell nicht entspannen", sagt Marktexpertin Cloppenburg. "Ich gehe davon aus, dass es weitere Steigerungen geben wird."
Vom Fleischer-Verband heißt es ebenfalls, es sei nicht ausgeschlossen, "dass auch in den nächsten Wochen weitere Preisaufschläge zu sehen sein werden".
Besonders wenn man bedenke, dass "viele Kostensteigerungen erst nach Beginn des Ukraine-Krieges die volle Wucht entfaltet haben". Ob nun die Zahl der Vegetarier ansteigen wird, bleibt abzuwarten.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Mechthild Cloppenburg
- Pressemitteilung Fleischer-Verband
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa