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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hohe Inflation Neuer Steuervorschlag könnte Ihnen bis zu 600 Euro bringen
Dem Steuerzahlerbund gehen die Steuerentlastungen von Finanzminister Lindner nicht weit genug. Der Verein legt deshalb einen eigenen Vorschlag für die Gesetzesanpassung vor.
Energiepauschale, Tankrabatt und günstige Bustickets: Angesichts der höchsten Inflationsraten seit 40 Jahren hat die Bundesregierung vor zwei Wochen ein Milliardenpaket geschnürt, das die Deutschen entlasten soll.
Nun geht es Ende dieser Woche im Bundestag um ein weiteres Vorhaben der Ampelkoalition, das für mehr Netto vom Brutto sorgen soll. Sein Name: Steuerentlastunggesetz. Gemeint ist damit eine Anpassung des Einkommensteuertarifs für das laufende Jahr.
Die Idee von Finanzminister Christian Lindner (FDP): Die Inflation aus dem vergangenen Jahr soll sich ebenso wie die prognostizierte Teuerungsrate für dieses Jahr im Steuertarif niederschlagen, die Deutschen damit weniger an den Fiskus überweisen müssen.
Steuerzahlerbund will weitergehende Entlastungen
Rückwirkend zum 1. Januar will Lindner dafür den steuerlichen Grundfreibetrag von 9.984 Euro auf 10.347 Euro anheben. Parallel soll der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 auf 1.200 Euro steigen.
Zudem sollen Pendler ab dem 21. Kilometer statt bislang 35 Cent pro Kilometer nun pauschal 38 Cent geltend machen können – was eigentlich erst ab dem Jahr 2026 geplant war. Ersparnis für den einzelnen Steuerzahler laut einer Berechnung für die "FAZ": bis zu 170 Euro pro Jahr.
Ein gutes Vorhaben, findet – wenig überraschend – auch der Bund der Steuerzahler (BdSt), der regelmäßig für geringere Steuern und gegen Verschwendung von Steuergeld eintritt. Und doch gehen dem Verein die Pläne nicht weit genug, wie sein Präsident Reiner Holznagel kurz vor der ersten Beratung im Bundestag kritisiert.
"Ein erster Schritt ist gemacht", sagt Holznagel t-online. "Aber das reicht nicht!" Fairer wäre es, wenn die Ampel ihr neues Gesetz auf einem "grundsätzlich reformierten Einkommensteuertarif" aufbaue. "Dazu wäre es geboten, die 5-Prozent-Inflationsprognose für dieses Jahr zu berücksichtigen – davon geht die Bundesbank aktuell aus."
Aktuelle Inflationsprognose berücksichtigen
Holznagel macht Druck: "Wir appellieren an die Ampelkoalition, den Regierungsentwurf dringend zu überarbeiten."
Konkret schlägt der BdSt vor, neben den Pauschalbeträgen auch alle weiteren Schwellen, Tarifeckwerte, der Einkommensteuer an die Inflation anzupassen. Zudem sollte Lindner eine "möglichst aktuelle" Inflationsprognose für 2022 berücksichtigen, um die kalte Progression möglichst vollständig abzubauen.
- Kalte Progression: Was ist das noch einmal?
"Dadurch würden kleinere und mittlere Einkommen deutlich stärker entlastet", sagt Matthias Warneke, der als wissenschaftlicher Leiter am Deutschen Steuerzahlerinstitut die Idee des Steuerzahlerbunds durchgerechnet hat.
Seinen Kalkulationen zufolge ergäben sich durch die geforderte Anpassung der Anpassung des Steuertarifs folgende Entlastungen gegenüber dem aktuell noch geltenden Einkommensteuertarif:
Jahreseinkommen | Entlastung | Prozentual |
---|---|---|
20.000 Euro | 181 Euro | 8,2 Prozent |
50.000 Euro | 464 Euro | 3,9 Prozent |
80.000 Euro | 623 Euro | 2,6 Prozent |
Ein Single mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro würde pro Jahr also 464 Euro sparen, das entspricht einer Ersparnis von 3,9 Prozent. Im Vergleich zu Lindners Vorschlag zur Anpassung des Steuertarifs ergäbe die Idee eine etwas kleinere Entlastung, doch auch die wäre spürbar:
Jahreseinkommen | Entlastung | Prozentual |
---|---|---|
20.000 Euro | 112 Euro | 5,2 Prozent |
50.000 Euro | 396 Euro | 3,4 Prozent |
80.000 Euro | 554 Euro | 2,3 Prozent |
Inwieweit die Vorschläge des Steuerzahlerbundes in der parlamentarischen Beratung Gehör finden, ist offen. Fest steht: Verabschiedet der Bundestag das Steuerentlastungsgesetz noch vor der Sommerpause, können sich die Deutschen zur Jahresmitte über ein kleines Nettolohn-Plus freuen.
Da das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten soll, müssen die Arbeitgeber den neuen Tarif nämlich in ihrer Lohnabrechnung berücksichtigen – und für die erste Jahreshälfte entsprechend deutlich weniger Lohnsteuer ans Finanzamt abführen. In der zweiten Jahreshälfte würde dann jeden Monat ein kleinerer Betrag zusätzlich auf dem Konto landen.
Die Folgen der gestiegenen Preise dürfte das jedoch nur wenig abmildern. Zuletzt sprang die Inflationsrate gar auf einen Wert von 7,3 Prozent, so viel wie zuletzt 1981. Und eine Umkehr dieser Entwicklung ist ob des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und seinen Konsequenzen derzeit kaum absehbar.
- Schriftliches Statement Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler
- Berechnungen des Deutschen Steuerzahlerinstituts
- Schriftliches Statement Matthias Warneke, Steuerzahlerinstitut