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Heimische Produktion: Darum fließen die Milliarden nun nach Deutschland


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Heimische Produktion
Darum fließen die Milliarden nun nach Deutschland


Aktualisiert am 18.03.2022Lesedauer: 5 Min.
In Produktion (Symbolbild): Für den Bau eines E-Autos brauchen die Autobauer voraussichtlich deutlich weniger Personal – hier könnten einige Arbeitsplätze langfristig entfallen.Vergrößern des Bildes
In Produktion (Symbolbild): Für den Bau eines E-Autos brauchen die Autobauer voraussichtlich deutlich weniger Personal – hier könnten einige Arbeitsplätze langfristig entfallen. (Quelle: Rainer Weisflog/imago-images-bilder)
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Von Grünheide bis Magdeburg: Ostdeutschland freut sich über Industrieansiedlungen. Auch die Bundesregierung möchte wegen der Chipkrise die Halbleiterproduktion zurückholen. Ist das sinnvoll?

Im vergangenen Jahr mussten Unternehmen auf der ganzen Welt eine bittere Wahrheit akzeptieren: Die internationalen Lieferketten sind nicht störungsfrei. Erst belastete die Corona-Pandemie den Warenverkehr – und jetzt zeigt Russlands kriegerische Invasion in die Ukraine, dass auch politische Verhältnisse ein Risiko für Unternehmen darstellen.

Doch Deutschland und Europa könnten womöglich davon profitieren – etwa wenn Unternehmen einen geeigneten Ort für neue Fabriken suchen. "Geopolitische Konflikte sind für die globalisierte Welt ein gewaltiges Risiko. Alle wirtschaftlichen Akteure werden ihre Standortwahl kritisch überprüfen", sagt Philipp Schlüter, Partner bei der Investmentbanking Beratungsgesellschaft Cowen.

Die EU hat es sich bereits zum Ziel gesetzt, in einigen Bereichen die Produktion wieder nach Europa zurückzuführen, als Lehre aus dem jüngsten Halbleitermangel. Am Dienstag gelang dann der erste große Coup: Der Chiphersteller Intel wählte die Stadt Magdeburg als seinen neuen Standort aus – 17 Milliarden Euro will der US-Konzern in zwei neue Fabriken in der Stadt investieren. Innerhalb der kommenden zehn Jahre möchte das Unternehmen sogar bis zu 80 Milliarden Euro in den EU-Raum stecken.

EU will unabhängiger bei den Lieferketten werden

Auch die Autobranche kündigte zuletzt einige neue Fabriken in Deutschland und Europa an. So plant Volkswagen, insgesamt sechs europäische Batteriefabriken in den kommenden Jahren sowie eine eigene "Gigafactory" in Wolfsburg zu bauen – und investiert dafür hohe Milliardensummen. Auch BMW und Mercedes setzen auf eigene Batteriewerke in Deutschland.

Aus der Politik erhalten solche Ankündigungen großen Zuspruch, viele Behörden sind bei den Projekten besonders zügig in den Genehmigungsverfahren. Die Bundesregierung und die EU haben es sich zum Ziel gesetzt, widerstandsfähigere Lieferketten und leistungsfähige Produktionsstrukturen aufzubauen, heißt es sowohl aus dem Wirtschaftsministerium als auch aus der EU-Kommission nach der geglückten Milliardeninvestition von Intel.

Dreht sich die Globalisierung also um? Trotz der Euphorie über die großen Investitionssummen wäre das kein wünschenswertes Szenario für Deutschland. "Wir sollten nicht in die Versuchung geraten, alle Produktionsschritte wieder zurück nach Deutschland zu holen", sagt etwa Vincent Stamer, Experte für internationale Handelspolitik am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, im Gespräch mit t-online.

Internationale Lieferketten bringen Wohlstand

"Die internationalen Lieferketten haben uns in den vergangenen Jahrzehnten unglaublichen Wohlstand gebracht", so der Ökonom. Bei den Störungen der vergangenen zwei Jahre komme man zwar schnell in die Versuchung zu glauben, Deutschland könnte selbst alles günstiger und besser.

"Das ist aber nicht der Fall. Wir schaffen große Wohlstandseffekte für uns und andere Länder, wenn wir uns auf unsere Stärken konzentrieren", betont Stamer. Bei hochtechnologischen Produkten könnten sich jedoch eigene Fabriken lohnen, um bei Störungen in der Lieferkette auch einspringen zu können.

Und noch etwas spricht für die Milliardeninvestitionen in Deutschland: Mit der Autoindustrie befindet sich die wichtigste Branche hierzulande derzeit in der Transformation. Die E-Mobilität verändert die Geschäftsmodelle der Autobauer dramatisch. "Der Verbrennungsmotor wird in Zukunft irgendwann eine Nische sein", sagt Investmentberater Schlüter, der sich unter anderem auf den Automobilsektor spezialisiert hat.

Sind die Investitionen wirklich ein Standortbekenntnis?

Mit dem Wandel zur E-Mobilität fallen perspektivisch viele Arbeitsplätze weg, die aktuell noch klassisch für die Branche sind. "Generell sieht man, dass bei der Produktion von E-Autos die Komplexität in der Konstruktion abnimmt. Immer mehr in der Produktion wird automatisiert", so Schlüter.

Das bedeute auch, dass weniger Arbeitskräfte für ein Fahrzeug benötigt werden. Statt eines Ausbaus des Standortes könnten die neuen Firmen langfristig also womöglich nur den Status quo erhalten. Konkret könnte das bedeuten: Die Standorte für die Produktion der E-Autos nehmen zu, die Produktionskapazitäten für Verbrenner nehmen langfristig aber ab.

In der Summe könnten die neuen Fabriken also den Schwund an Arbeitsplätzen, der durch das Ende der Verbrenner naht, lediglich etwas auffangen. Im besten Falle bleibt einer Region so eine ähnliche Zahl an Arbeitsplätzen und damit Sicherheit erhalten. Für Deutschland ist das besonders wichtig: Viele Regionen sind hier von den großen Autobauern direkt und indirekt abhängig.

Vor allem eines der Herzstücke des E-Autos bleibt dabei laut den aktuellen Plänen nah an den Hauptstandorten der deutschen Autobauer: die Batterien für die Fahrzeuge. Das ist nicht ganz verwunderlich: Auch bei den Verbrennern haben die Konzerne die Produktion eines Großteils der Motoren nicht aus Europa verlagert. Die Batterie ist zudem aktuell eines der Bauteile mit den höchsten Kosten im Einkauf – mit der eigenen Produktion machen sich die Autobauer von ausländischen Lieferanten wie LG und deren Preisstruktur unabhängig.

VW verlagert Produktion teilweise aus Europa heraus

In Zukunft könnten aber tatsächlich andere Aspekte bei E-Autos mehr an Gewicht gewinnen als die Batterie. "Die Wertschöpfungskette verschiebt sich langfristig zu den Chips und der Software. Da ist es sinnvoll, direkt an der Quelle zu sitzen", sagt Schlüter und verweist auf den Softwarekonzern Apple, der mittlerweile seine eigenen Mikrochips herstellt.

Auf die eigenen Batteriefabriken könnten also weitere Investitionen folgen, etwa in eigene Chipunternehmen. Die müssen aber nicht zwangsläufig dem Beispiel der Batteriefabriken folgen. Apple stellt seine Chips etwa in Kooperation mit einer Firma in Taiwan her und der Autobauer Tesla soll aktuell laut diverser Medienberichte mit Samsung über seine neue Chipgeneration in Verhandlungen stehen.

Auch VW-CEO Herbert Diess machte am Dienstag deutlich, dass Milliardeninvestitionen in Europa kein strenges Bekenntnis für den heimischen Markt sind. Aufgrund des Ukraine-Krieges verlagert VW einen Teil seiner Produktion vorübergehend aus Europa in die USA und China. Sollten sich die Spannungen in Europa verschärfen, würde VW sogar weitere Produktionskapazitäten verschieben.

VW: Man kann nicht nur mit Demokratien zusammenarbeiten

In Russland hat Volkswagen seine Produktion bereits eingestellt – auch andere westliche Unternehmen haben sich aus Protest gegen den russischen Krieg in der Ukraine aus dem Land zurückgezogen (eine Übersicht der Unternehmen finden Sie hier). Das wirtschaftliche Handeln dürfte sich in Zukunft dennoch nicht nach politischen Idealen bei den großen deutschen Konzernen richten.

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"Wenn man nur mit etablierten Demokratien zusammenarbeiten würde, die nur sieben bis neun Prozent der Weltbevölkerung vereinen, hätte ein Autobauer keine Geschäftsgrundlage", so VW-Chef Herbert Diess am Dienstag auf die Frage eines Journalisten mit Verweis auf China. "Deswegen ist und bleibt China wichtig."

Gegenseitige Abhängigkeiten haben auch politische Vorteile

Das Bekenntnis zum Land der Mitte ist nicht verwunderlich: Denn eine Absage an China hätte für die deutsche Autobranche deutlich verheerendere Konsequenzen als das vorübergehende Abschalten der Bänder in Russland. Während dieses die Bilanzen von VW, BMW und Mercedes nur geringfügig treffen dürfte, ist China ein essenzieller Markt für deutsche Autobauer.

Solche gegenseitigen Abhängigkeiten seien aber nicht verkehrt, betont Vincent Stamer vom IfW Kiel. Das zeige aktuell das Beispiel Russland. "Hätten wir hier keine Handelsbeziehungen mit Russland, hätten wir auch keinen Handlungsspielraum für Sanktionen", sagt der Experte.

Es zeigt aber auch: Wer aufgrund der angekündigten hohen Investitionen von einem neuen Boom des Wirtschaftsstandorts Deutschland träumt, könnte bald schon unsanft erwachen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Vincent Stamer
  • Gespräch mit Philipp Schlüter
  • Pressekonferenz Volkswagen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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