Urteil des Verfassungsgerichts Staat darf auf Steuernachzahlungen keine Zinsen fordern
Der Staat darf Zinsen auf Steuernachzahlungen erheben – aber nicht in Zeiten des Niedrigzinses. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch. Der Gesetzgeber muss nun eine Neuregelung finden.
Die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent ist für den Verzinsungszeitraum ab 2014 verfassungswidrig. Für den Zeitraum bis Ende 2018 könne das bisherige Recht noch angewandt werden. Für den Zeitraum danach müsse der Gesetzgeber bis Ende Juli 2022 eine Neuregelung finden, erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch.
Der Zinssatz sei nicht mehr zu rechtfertigen, wenn er sich als "evident realitätsfern" erweise – was wegen des aktuell bestehenden "strukturellen Niedrigzinsniveaus" der Fall sei, teilte das Gericht weiter mit. Grundsätzlich sei der Gesetzgeber dazu berechtigt, Zinsen auf Steuernachzahlungen zu erheben. Dem liege die Annahme zugrunde, dass Steuerpflichtige einen Vorteil hätten, wenn ihre Steuer erst spät festgesetzt würde.
Kläger bekamen nur in einem Fall Recht
Allerdings bilde der typisierte gesetzliche Zinssatz ab 2014 diesen potenziellen Vorteil nicht mehr hinreichend ab. Er habe sich mit sechs Prozent pro Jahr schon so weit vom tatsächlichen Marktzinsniveau entfernt, dass er "in etwa das Doppelte des höchsten überhaupt noch erzielbaren Habenzinssatzes ausmachte."
Geklagt hatten zwei Firmen, die nach Außenprüfungen Gewerbesteuer samt Zinsen nachzahlen mussten. Ihre Verfassungsbeschwerden bezogen sich zum einen auf die Jahre 2010 bis 2012 und zum anderen auf 2010 bis 2014. Nur letztere wurde als teilweise begründet gewertet, nämlich für das Jahr 2014.
- Nachrichtenagentur AFP