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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verbraucher wundern sich Deutschlands Supermarkt-Kassen gehen die Tüten aus
Wer in den Supermarkt geht, sollte aktuell einen Einkaufsbeutel dabei haben: An den Supermarktkassen werden vielerorts die Papiertüten knapp. Warum das so ist und wie lange das so bleibt.
Den spontanen Einkauf schnell in der Papiertüte nach Hause zu tragen könnte in den kommenden Wochen und Monaten schwierig werden. In deutschen Supermärkten werden die Einkaufstüten aus Papier knapp. Das geht aus einer Umfrage von t-online unter Vertretern von Supermärkten, führenden Tragetaschenherstellern und dem Industrieverband Papier- und Folienverpackung (IPV) hervor.
IPV-Geschäftsführer Karsten Hunger sagte auf Anfrage: "Ja, in der Tat gibt es ganz aktuell diesen Engpass bei Papiertragetaschen." Damit bestätigte Hunger Beobachtungen, die mehrere t-online-Leser zuvor bei ihrem Wocheneinkauf gemacht hatten.
Erhöhte Nachfrage und fehlende Fachkräfte
Als Gründe für die entstandenen Lieferengpässe führt Hunger zum einen eine erhöhte Nachfrage nach den Tüten an. Diese sei seit Längerem stetig gewachsen: "Unter anderem das Verbot leichter Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von unter 50 Mikrometer ab Anfang 2022 hat diesen Trend nochmals unterstützt."
Hinzu kämen Engpässe bei den Produzenten, die in der Corona-Pandemie dem erhöhten Bedarf an Take-Away-Tüten für Essen zum Mitnehmen nachkommen müssten. "Es entstanden Lieferengpässe, vor allem bei braunem Kraftpapier, aber man stieß auch schlicht an Kapazitätsgrenzen bei den Produktionsmaschinen", so Hunger weiter.
Zwar hätte die Schließung zahlreicher Geschäfte die Papiertüten-Krise bis zuletzt noch ausgeglichen. Da etwa Modegeschäfte während des Lockdowns nicht öffnen durften, sei der Bedarf geringer ausgefallen als bei einer dauerhaften Öffnung der Läden.
Durch die Lockerungen für den Einzelhandel jedoch würden die Lieferlücken nun überdeutlich. Ein weiteres Problem: "Der Branche fehlt es bereits seit Jahren an Fachkräften. Somit schafft auch der maschinelle Kapazitätsaufbau nicht unbedingt eine Entlastung für den Markt", sagt Hunger.
Problem kann noch bis Ende des Jahres andauern
Mit einer baldigen Entspannung sei nicht zu rechnen. Obwohl die Hersteller mit verstärkten Investitionen gegensteuerten, gebe es weitere "limitierende Faktoren", so Hunger, etwa den Fachkräftemangel. Er rechne daher erst in einigen Monaten damit, dass es in Deutschland wieder genug Papiertüten gibt: "Aktuell sind nach unseren Informationen bis Ende des Jahres die Kapazitäten an Maschinen, Personal und Material nahezu voll ausgeschöpft."
Ein ähnliches Bild zeichnen die Hersteller selbst. t-online hat mehrere Produzenten kontaktiert, die jedoch nur hinter vorgehaltener Hand über die Engpässe sprechen wollten. Auch die großen Supermarktketten bestätigten die Probleme in Teilen.
Auf t-online-Anfrage hieß es etwa von Kaufland: "Bei der Belieferung unserer Papiertüten haben sich die Vorlaufzeiten seitens Lieferanten teilweise verlängert." Ihren Kunden biete die Kette stattdessen Permanent-Tragetaschen und Kartons an. Aldi Süd sieht indes keine Schwierigkeiten. "Aktuell sind uns bei unseren Papiertragetaschen keine Lieferengpässe bekannt", teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.
Das Problem könnte sich auch noch ausweiten, denn auch Klebstoffe und Transportmittel wie Paletten sind momentan knapp. Zudem hält der Kunststoffmangel seit Anfang des Jahres an.
Steigende Rohstoffpreise belasten Unternehmen
Die Papiertüten-Krise steht in einer Reihe mit weiteren Engpässen. Ob Holz, Kupfer oder Weizen: Seit Jahresbeginn werden fast all Rohstoffe teurer. Experten sprechen bei einer solchen längeren erhöhten Nachfrage nach Rohstoffen von einem Superzyklus, bei dem die Preise für zahlreiche Roherzeugnisse über einen längeren Zeitraum steigen. Mehr dazu lesen Sie hier.
Darunter leiden verschiedenste Branchen. Während Holz- und Stahlmangel vor allem die Möbelbranche, Handwerksbetriebe und die Bauindustrie treffen, treffen Papier- und Kunststoffknappheit die Verpackungsindustrie.
Einer Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zufolge sehen zwei Drittel der befragten Industriebetriebe mittlerweile in Energie- und Rohstoffpreisen ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Anfang des Jahres waren es 45 Prozent.
- Eigene Recherche
- Gespräche mit IPV-Geschäftsführer Karsten Hunger, Kaufland und Aldi Süd
- Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags