Längere Pausen erlaubt Amazon lockert Arbeitsbedingungen wegen steigender Unfallzahlen
Der Onlineriese Amazon will längere Pausen für Mitarbeiter in den US-Lagerhallen ermöglichen. Die Unfallrate ist dort um fast 80 Prozent höher als in denen anderer Konzerne.
Nach einem Bericht über eine Zunahme von Arbeitsunfällen aufgrund des hohen Drucks bei Amazon lockert der Onlineriese seine Arbeitsbedingungen in den USA. Die Mitarbeiter bekämen mehr Zeit für Pausen, teilte das Unternehmen mit Sitz in Seattle am Dienstag (Ortszeit) mit. "Arbeiter an Amazon-Standorten werden häufiger und schwerer verletzt als in den Lagerhäusern anderer Unternehmen", heißt es in einem zuvor veröffentlichten Bericht einer Koalition von Gewerkschaften.
Das sogenannte Time Off Task-System, das mit Hilfe von Algorithmen die Produktivität der Mitarbeiter beim Sortieren, Verpacken und Bewegen von Paketen misst, "kann leicht falsch interpretiert werden", schrieb der Leiter des globalen Vertriebs bei Amazon, Dave Clark, an seine Mitarbeiter. "Ab heute wird 'Time off Task' im Durchschnitt länger dauern", versprach er, ohne genauere Angaben zu machen.
Viele Mitarbeiter und Verbände werfen Amazon vor, unnötigen Stress zu verursachen, indem das Unternehmen in seinen Logistikzentren zum Beispiel nicht genügend Zeit für den Gang zur Toilette einräumt.
Fast 80 Prozent mehr Unfälle als bei anderen Unternehmen
Laut der Studie des von Gewerkschaften gegründeten sogenannten Strategic Organizing Center erlitten im vergangenen Jahr fast sechs Prozent der Mitarbeiter einen Unfall, der sie zu einer vorübergehenden Pause oder zu einer anderen, weniger körperlich anstrengenden Tätigkeit zwang. "Diese Rate ist fast 80 Prozent höher als bei allen anderen Arbeitgebern mit Lagerhallen im Jahr 2020", heißt es in dem Bericht.
Auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP erklärte eine Unternehmenssprecherin dazu: "Wir haben unser engagiertes Team für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auf mehr als 6200 Mitarbeiter erweitert und bis 2020 mehr als eine Milliarde Dollar in neue Sicherheitsmaßnahmen investiert."
Amazon verhindert Gewerkschaftsinitiativen
Amazon steht in den USA wegen der Arbeitsbedingungen in der Kritik. Anfang April war der Versuch gescheitert, erstmals eine Gewerkschaftsvertretung bei dem Unternehmen zu bilden - eine breite Mehrheit der Beschäftigten im Logistikzentrum in Bessemer im Bundesstaat Alabama stimmte gegen die Arbeitnehmervertretung.
Die Initiative der Gewerkschaft RWDSU löste aber eine landesweite Debatte über die Arbeitsbedingungen bei dem Versandhändler mit seinen 800.000 Angestellten in den USA aus. Gewerkschaften und auch Politiker kritisieren, dass die Beschäftigten bei Amazon einem hohen Arbeitsdruck und einer permanenten Kontrolle ausgesetzt seien.
Amazon selbst war entschieden gegen die Gewerkschaftspläne vorgegangen. Das Unternehmen profitiert massiv von geschlossenen Läden im Zuge der Corona-Lockdowns. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 1,3 Millionen Menschen; 2020 waren rund 500.000 Leute zusätzlich eingestellt worden.
- Nachrichtenagentur AFP