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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gründer tritt ab Das bedeutet Jeff Bezos' Abgang für die Amazon-Kunden
Jeff Bezos gibt seinen Posten als Chef von Amazon überraschend auf. Was heißt das für den Konzern? Und welche Folgen müssen Amazon-Kunden erwarten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Am Dienstagabend bebte das Internet: Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, will sich von der Spitze des Konzerns zurückziehen. 27 Jahre lenkte er das Unternehmen, das einst als Buchhändler im Netz startete und sich inzwischen zum Kaufhaus für alles entwickelt hat – jetzt soll mit Andy Jassy der aktuelle Chef des Cloud-Geschäfts übernehmen.
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Was das heißt, wie es für Amazon weitergeht und welche Auswirkungen der Wechsel auf Bezos Vermögen haben könnte: t-online beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Abgang des Amazon-Gründers.
Warum gibt Jeff Bezos die Führung des Konzerns ab?
Das fragen sich auch viele Beobachter des Konzerns. Der Zeitpunkt, sich von der Konzernspitze zurückzuziehen, hat viele überrascht. Bezos selbst begründete den Schritt mit folgenden Worten: "Derzeit ist Amazon so erfinderisch wie nie zuvor, weswegen dies die optimale Zeit für den Wechsel ist."
Gleichzeitig stellte der 57-Jährige klar, dass er sich nicht zur Ruhe setzen wolle. In seiner Funktion als Chef des Verwaltungsrates wird er bei Amazon weiterhin in das Geschäft involviert bleiben. "Ich hatte nie mehr Energie, es geht hier nicht um den Ruhestand", sagte er. Künftig werde er sich auf seine Stiftungen, den SpaceX-Konkurrenten Blue Origin, die Tageszeitung "The Washington Post" sowie seine anderen Leidenschaften konzentrieren.
Wer wird Bezos' Nachfolger an der Konzernspitze?
Neuer Amazon-Chef soll im dritten Quartal des Jahres Andy Jassy werden. Jassy hat bislang Amazons Cloudsparte AWS verantwortet. Intern gilt die Nachfolge als keine Überraschung. Nachdem sich Jeff Wilke, der das Einzelhandelsgeschäft verantwortete, zum Jahresbeginn in den Ruhestand zurückzog, war Jassy bereits der zweithöchste Manager bei dem Konzern aus Seattle.
Zugleich kam Jassy wohl zugute, ein Mann der Veränderung zu sein. Im Dezember sagte er auf einer Firmenveranstaltung: "Du willst dich neu erfinden, wenn du gesund bist, du willst dich ständig neu erfinden." Der heute 53-Jährige kam direkt nach seinem Harvard-Studium zu Amazon. "Ich habe meine letzte Abschlussprüfung am ersten Freitag im Mai 1997 absolviert und startete bei Amazon am Montag darauf", erzählte der Betriebswirt Jassy in einem Podcast.
2006 gründete er bei Amazon das Cloudgeschäft AWS und baute es zur weltgrößten Plattform vor Microsoft und Google mit Millionen Nutzern auf. Seitdem ist das Geschäft ein wichtiges zweiten Standbein für Amazon neben dem Onlinehandel. Jassy ist verheiratet und zweifacher Vater. Er gilt als Sport- und Musikliebhaber. Er ist an der Hockey-Mannschaft Seattle Kraken beteiligt, die in der kommenden Saison in der Liga starten wird.
Im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod der Afroamerikanerin Breonna Taylor hat sich Jassy für eine stärkere Rechenschaftspflicht der Polizei ausgesprochen. Zudem gilt er als Unterstützer der Rechte von LGBT-Personen.
Was bedeutet der Wechsel für Amazon?
Bezos dürfte als geschäftsführender Vorsitzender des dem Vorstand übergeordneten Verwaltungsrats auch nach seinem Rücktritt weiterhin großen Einfluss auf den Konzern ausüben. Allerdings darf man schon fragen, ob Amazon sich auch die Innovationskraft erhalten kann, die Bezos in den vergangenen 20 Jahren dort etabliert und weiterentwickelt hat.
Amazon sei der beste Ort zum Scheitern, ist einer der bekannten Aussprüche des Milliardärs. Genau diese Bereitschaft, Misserfolge in Kauf zu nehmen, hat ermöglicht, dass das Unternehmen Produkte wie Alexa und Echo erfolgreich auf den Markt bringen und damit eine eigene Geräte-Kategorie etablieren konnte. Eine Fähigkeit, die man einige Jahre davor bestenfalls Steve Jobs und Apple zugetraut hatte.
Doch Bezos ist nicht weg – und wichtige Schlüsselfiguren bleiben dem Unternehmen erhalten. Bezos Nachfolger Andy Jassy gilt als enger Vertrauter, der eben diese Kultur lange Jahre gelebt hat und weiterführen kann. Und mit David Limp, dem Chef der wichtigen "Geräte & Dienste"-Sparte bei Amazon und "Vater" von Alexa, ist eine wichtige Schlüsselfigur für Amazons Innovationskraft weiter an Bord.
Ohnehin ist anzunehmen, dass Bezos für die wirklich spannendsten Innovationen in seinem Unternehmen auch aus der neuen Position heraus genügend Zeit finden wird.
Welche Folgen hat Bezos' Abgang für mich als Kunden?
Wahrscheinlich gar keine. Zwar ist möglich, dass sich Amazon unter Jassy noch stärker dem boomenden Cloud-Geschäft, dem Vermieten von Serverkapazitäten, widmen wird. Jedoch wird auch Jassy penibel darauf achten, das ursprüngliche Kerngeschäft von Amazon nicht zu vernachlässigen – im Gegenteil:
Schon jetzt ist absehbar, dass Amazon seinen Service für die Endkunden eher noch ausbauen wird. So plant der Konzern etwa die Paketzustellung per Drohne, auch das Prime-Angebot will Amazon erweitern.
Kann Jeff Bezos je wieder der reichste Mann der Welt werden?
Lange Zeit war er es, seit Kurzem ist er es nicht mehr: Durch die rasanten Kursgewinne der Aktie seines Unternehmens hat kürzlich Tesla-Chef Elon Musk Jeff Bezos an der Spitze der Liste der reichsten Männer weltweit überholt. Der Erhebung des Wirtschaftsdienstes Bloomberg zufolge beläuft sich das Vermögen Musks derzeit auf 188,5 Milliarden US-Dollar – Bezos liegt mit 188 Milliarden US-Dollar leicht dahinter.
Ob er durch seinen Rücktritt vom Amazon-Chefposten je wieder die Chance auf den Spitzenplatz hat, hängt deshalb umso mehr von seiner Konkurrenz ab und weniger davon, wie viel weniger er in seinem neuen Job als Verwaltungsratschef von Amazon verdient. Trauen die Investoren und Anleger Tesla weiterhin so viel zu wie zuletzt, treiben sie den Kurs der Tesla-Aktie steiler in die Höhe als den von Amazon, dürfte Musk seinen Vorsprung ausbauen und Bezos abhängen.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters, dpa-AFX