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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drohendes Böller-Totalverbot "Womöglich gibt es nie wieder Feuerwerk in Deutschland"
Wegen der Corona-Pandemie soll es dieses Jahr kein Silvesterfeuerwerk geben. Für die Pyrotechnik-Industrie wäre das der Gau: Tausende Arbeitsplätze sind bedroht.
Angesichts des geplanten Böllerverbots zu Silvester schlägt die Feuerwerksindustrie Alarm: Der gesamten Branche drohe das Aus, bis zu 3.000 Jobs könnten dauerhaft wegfallen, dürften dieses Jahr keine Raketen und Böller verkauft werden.
"Wir machen mehr als 90 Prozent des Jahresumsatzes an den letzten drei Tagen rund um Silvester", sagte Klaus Gotzen, Geschäftsführer des Verbandes der pyrotechnischen Industrie (VPI), t-online. Konkret gehe es um eine Summe von 122 Millionen Euro, den die Feuerwerksbranche zuletzt an Silvester umgesetzt hat.
"Ohne das Silvester-Geschäft droht der Feuerwerksindustrie das Aus. Womöglich gibt es dann nie wieder Feuerwerk in Deutschland", so Gotzen. Der Grund: "Es müsste keine Pyrotechnik mehr produziert oder importiert werden, weil die Lager voll blieben. Im Gegensatz zu anderen Branchen hätten wir also ein Jahr lang nichts zu tun. Das kann sich keiner leisten."
Länder erwägen wegen Corona Verbot von Feuerwerk
Erschwerend hinzu komme, dass viele Firmen Lieferverträge bereits weit vor der Corona-Krise abgeschlossen und vorfinanziert hätten. Der Industrie drohe deshalb der finanzielle Kollaps.
Hintergrund der Warnung ist der Plan eines generellen Feuerwerksverbots an Silvester, der sich am Sonntag auch in der Beschlussvorlage der Länder für die anstehenden Ministerpräsidentenkonferenzen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) manifestierte. Die Politik will so dafür sorgen, dass die Krankenhäuser in der Corona-Pandemie nicht zusätzlich mit Patienten belastet werden, die sich an Silvester mit Feuerwerk verletzen.
Konkret heißt es in dem Beschlussentwurf, den die SPD-geführten Länder unter dem Vorsitz von Berlin erarbeitet haben: "Zum Jahreswechsel 2020/2021 sind der Verkauf, Kauf und das Zünden von Feuerwerk verboten, insbesondere um die Einsatz- und Hilfskräfte zu entlasten, die Kapazitäten des Gesundheitssystems freizuhalten und um größere Gruppenbildungen zu vermeiden."
"Die Lage ist bedrohlich"
Gotzen hält diese Begründung für wenig sinnvoll. "Wer sich an die Gebrauchsanweisung hält, kann sich mit legalem Feuerwerk kaum verletzen", sagte er. Zudem sei das Risiko in diesem Jahr sogar noch geringer, weil es keine größeren Menschenansammlungen und Partys gebe, bei denen Menschen übermäßig viel Alkohol trinken. "Was spricht also dagegen, wenn eine Familie im kleinen Kreis mit genügend Abstand eine Rakete aus einem Flaschenkasten zündet?", sagt Gotzen.
Sein Appell in Richtung der Politik: "Die Lage ist für die Branche sehr bedrohlich. Wir müssen dringend darüber sprechen, ob ein Totalverbot von Feuerwerk wirklich sinnvoll ist. Käme es wirklich so, bräuchte es umfassende Staatshilfen – damit es in den kommenden Jahren überhaupt noch Feuerwerk in Deutschland gibt."
Das Verbot von Böllern und Raketen ist seit Jahren Thema. Immer wieder fordern Politiker fast aller Parteien, Tierschützer und Gesundheitsexperten ein Verbot von Feuerwerk im privaten Gebrauch. In Umfragen äußerte zuletzt auch eine Mehrheit der Deutschen ihre Ablehnung von Feuerwerk. Ein Pro und Kontra der t-online-Redaktion zum Thema lesen Sie hier.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen