"Wie nach dem Zweiten Weltkrieg" Syrien buhlt um deutsche Investoren
Syrien ist weiter Bürgerkriegsland, doch die Führung des Landes plant bereits für die Zeit danach. Auch deutsche Firmen sollen helfen, das zerstörte Land wieder aufzubauen. Interesse ist vorhanden, doch die Hürden sind noch hoch.
In seiner Vision von einem Syrien ohne Krieg erheben sich riesige Hochhäuser mit gläsernen Fassaden inmitten der Wüste. Auf den leeren Flachdächern von Damaskus - der Hauptstadt, die von sich behauptet, eine der ältesten und am längsten bewohnten Städte der Welt zu sein - sorgen Solarpaneele für Strom. Windfarmen entstehen am Rand eines Sees unweit von Homs, wo viele Stadtviertel noch immer in Trümmern liegen.
"Die Situation in Syrien ist vergleichbar mit der in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg", sagt Tamer Jaghi. "Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür, wie so ein Wiederaufbau gelingen kann." Während in vielen Teilen Syriens noch gekämpft wird, macht er sich schon Gedanken über die Zeit nach dem Krieg.
Jaghi sitzt in einem kleinen Büro im Stadtzentrum der Hauptstadt und denkt darüber nach, welche internationalen Firmen er nach Syrien einladen könnte. Mit seiner Firma Al-Baschek organisiert Jaghi eine Messe zum Wiederaufbau des Landes: "Rebuild Syria". Auf seinem Schreibtisch liegen mehrere Prospekte, die für Investitionen in dem Bürgerkriegsland werben: "Weil jede Krise auch Möglichkeiten schafft!", steht darauf.
Infrastruktur liegt am Boden
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnen damit, dass der Wiederaufbau Syriens bis zu 200 Milliarden US-Dollar kosten könnte. Vor allem die Infrastruktur hat gelitten: Straßen, Brücken, Wasser- und Stromnetze sind in einigen Teilen des Landes komplett zerstört. Notwendige Investitionen blieben in den vergangenen sechs Jahren aus.
Der IWF geht davon aus, dass es - wenn der Krieg morgen aufhört - etwa 20 Jahre dauern würde, bis das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Syrien wieder auf Vorkriegsniveau ist. Der Wiederaufbau benötige daher grundlegende internationale Hilfe. Und die soll, wenn es nach Tamer Jaghi geht, auch aus Deutschland kommen.
"Natürlich ist auch der syrische Markt interessant für uns", sagt Florian Attenhauser von der Firma Sennebogen. Die Maschinenfabrik aus dem bayerischen Straubing ist weltweit für ihre Kräne bekannt. Jede Investition in den Aufbau der Infrastruktur sei sinnvoll, sagt der Unternehmenssprecher.
"Aktuell ist bei den angefragten Projekten noch eine große Zurückhaltung zu spüren, was auch mit den politischen Rahmenbedingungen zusammenhängt." Bei der syrischen Wiederaufbaumesse im vergangenen Jahr ließ sich die Firma aus Bayern von einem libanesischen Partner in Damaskus vertreten, um die Produkte "Made in Germany" anzubieten.
Deutsche Firmen bereits vertreten
Neben Sennebogen stehen noch weitere deutsche Firmen im Ausstellungskatalog der Messe aus dem Vorjahr. Vorn ziert das Porträt von Syriens Präsident Baschar al-Assad den Prospekt, der verspricht, "privilegierter Wettbewerbsteilnehmer" zu werden. Auch die beiden Firmen Thyssenkrupp (Beckum) und WSS Investments (Dorsten) aus Nordrhein-Westfalen werden dort neben syrischen Ministerien und Firmen vornehmlich aus dem Libanon aufgeführt.
Auch wenn sich deutsche Firmen derzeit noch über lokale Partner in Damaskus vertreten lassen und stellenweise "nur Prospekte und Werbegeschenke auslegen", wie eine Firma sagt: Die Messeveranstalter propagieren offen mit den deutschen Teilnehmern und wollen zeigen, dass es viel Interesse an Syrien gebe und das Land trotz aller Kritik am militärischen Vorgehen der Armee gegen Opposition und Zivilbevölkerung international nicht mehr isoliert sei.
Über die deutschen Industrie- und Handelskammern könnten erste vorsichtige Anfragen von syrischer Seite festgestellt werden, teilt auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit. "Syrien und der Irak bieten eigentlich Potenzial für die deutsche Wirtschaft", sagt Philipp Andree, Leiter des Nahost-Referats beim DIHK. Grundvoraussetzung für ein Engagement seien allerdings eine Stabilisierung der politischen Lage und ein Ende des Krieges.
Wirtschaftsministerium rät von Geschäften ab
Aber auch wenn die Warenausfuhren von Deutschland nach Syrien nach Daten des Zolls während des Krieges um 93 Prozent zurückgegangen sind: Deutsche Firmen lieferten im vergangenen Jahr immer noch Waren im Wert von knapp 52 Millionen Euro nach Syrien. Einen Großteil machten dabei medizinische Geräte und Arzneimittel aus, aber auch Stahltriebwerke, Autos, Insektizide bis hin zu Krawatten finden sich in den Zolldaten.
Siemens teilte auf Anfrage mit, dass der Fokus derzeit auf wenigen selektiven Projekten im Bereich der Energieerzeugung und der Lieferung von Medizintechnik liege. "Siemens sieht sich verpflichtet, in diesem Land zum Wiederaufbau beizutragen." Das Bundeswirtschaftsministerium rät derzeit von der Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten in Syrien ab. Und auch das Auswärtige Amt teilte mit, dass es derzeit keine aktiven Schritte der Außenwirtschaftsförderung gebe.
Bisher noch zu viele Hürden
Andere Länder sind da bereits aktiver. Vor allem Länder, die Syrien auch militärisch unterstützen. Anfang des Jahres unterschrieben Syrien und der Iran mehrere Absichtserklärungen für Investitionen. Es ging um Phosphatminen und Telekommunikationsverträge. Nach Angaben iranischer Staatsmedien wurden im Energiesektor Verträge im Wert von rund 660 Millionen US-Dollar unterschrieben. Daneben sollen auch Russland und China nach Berichten internationaler Beobachter wie der amerikanischen Denkfabrik Brookings eine große Rolle bei den Investitionen spielen.
"Wir würden hier aber auch gerne mehr Europäer sehen", sagt Tamer Jaghi, der die Messe zum Wiederaufbau organisiert. Dabei betont er, dass die Regierung für einen Großteil der Investitionen zahlen könne, was internationale Experten bezweifeln. Jaghi würde gerne mehr deutsche Firmen in Syrien sehen. "Für uns zählt die Qualität."
Die deutschen Firmen sind aber noch zurückhaltend. Es gibt weitreichende Sanktionen gegen Syrien, die eine Ausfuhr von zahlreichen Materialien und Geräten in das Bürgerkriegsland verbieten. Der Zahlungsverkehr ist eingeschränkt und die Logistik vor Ort gefährlich und teuer. Messe-Direktor Jaghi ist sich aber sicher: "Wenn die Friedensverhandlungen erfolgreich sind, stehen die Europäer Schlange."