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Zum journalistischen Leitbild von t-online.NRW-Ministerin warnt "Bauen wird in Deutschland zum Luxusgut"
Wirtschaftsminister Habeck irritierte Ende Januar viele Häuslebauer mit seinem Förderstopp. Jetzt meldet sich die NRW-Bauministerin zu Wort – und fordert ein "Baukosten-Moratorium".
Angesichts der Aufregung um die KfW-Bauförderung plädiert die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) für ein "Baukosten-Moratorium". Das müsse die Bundesregierung zeitnah beschließen.
"Bauen wird in Deutschland zunehmend zum Luxusgut. Die Anforderungen, die der Bund an Häuslebauer stellt, sind unfassbar hoch", sagte sie t-online. Und: "Das von Habeck verursachte Förderchaos setzt dem Ganzen noch die Krone auf."
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die bisherigen Förderprogramme für energieeffizientes Bauen und Sanieren der Förderbank KfW am 24. Januar überraschend gestoppt. Auch bereits gestellte Anträge sollten ursprünglich nicht mehr bewilligt werden.
Schließlich entschied die Regierung, dass alle vor dem 24. Januar gestellten Anträge doch nach den bisher geltenden Kriterien bearbeitet werden. Weitere Anträge sind jedoch nicht mehr möglich – obwohl das Förderprogramm eigentlich bis Ende Januar hätte laufen sollen. Mehr dazu lesen Sie hier.
- KfW-Förderstopp: Die erste Bruchlandung des Robert Habeck
Habeck "hat dramatisch Vertrauen verspielt"
Scharrenbach kritisiert den angekündigten Plan als "Reparatur eines selbst verursachten Schadens". Wirtschaftsminister Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) müssten nun "schnellstmöglich liefern. Ansonsten müssen Tausende Bauprojekte gestoppt werden", so die Bauministerin.
"Ein Gebäude kauft man schließlich nicht im Supermarkt, hier braucht es lange Planung." Mit dem Förderstopp habe Habeck "dramatisch Vertrauen verspielt. Es braucht daher dringend ein Baukosten-Moratorium", so die Politikerin.
So könnte das Baukosten-Moratorium aussehen
Wie das aussehen soll, skizziert die Ministerin ebenfalls. "Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, die geplanten Bauvorschriften und alles, was den Bau die kommenden Jahre verteuert, einem Realitätscheck zu unterziehen. In dieser Zeit müssen die Preistreiber neu sortiert werden."
Konkret stellt sich Scharrenbach also vor, dass der Bund bestimmte Gesetzesvorhaben überdenkt, beispielsweise eine weitere Verschärfung der Energieeinsparverordnung. Diese wird seit Jahren angepasst, das letzte Mal 2020.
Habeck kündigte indes bereits an, die Anforderungen für den Häuserbau wegen des Klimaschutzes noch zu verschärfen. So soll es etwa bei gewerblichen Neubauten Pflicht werden, Solaranlagen zu errichten, "bei privaten Neubauten die Regel", heißt es im Sofortprogramm, das Habeck Mitte Januar vorstellte.
"Eine Schimäre, die die Bundespolitik da aufmacht"
Beim Hausbau müssten heutzutage alle möglichen Vorschriften beachtet werden, kritisierte Scharrenbach. "Auf der einen Seite werden derzeit in das Gebäude alle Anforderungen reingebracht – ohne den Sinn zu hinterfragen. Das verteuert das Bauen immens."
Auf der anderen Seite beschwerten sich einige Fachpolitiker, "dass der Quadratmeter nicht mehr unter 5 Euro vermietet werden kann". Das passe schlicht nicht zusammen, sagte sie.
Ziel müsse sein, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. "Zudem dürfen wir den Kampf gegen den Klimawandel und die Bezahlbarkeit vom Häuserbau nicht gegeneinander ausspielen." Ohnehin sei klar: "Sie können nicht jedes Bestandsgebäude auf null CO2-Ausstoß trimmen. Das ist eine Schimäre, die die Bundespolitik da aufmacht."
Auch Bauwirtschaft kritisiert hohe Anforderungen
Mit ihrem Vorschlag dürfte Scharrenbach auf offene Ohren in der Bauwirtschaft stoßen. Erst jüngst befürchtete der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, dass die Baupreise in Deutschland in diesem Jahr zulegen. Im vergangenen Jahr seien sie um 6 Prozent gestiegen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur: "Das ist der stärkste Anstieg in über 20 Jahren gewesen."
In diesem Jahr rechnet der Verband mit einem Zuwachs von 4 Prozent. Die Bauwirtschaft sei in einer Spagatsituation. "Auf der einen Seite steht das Ziel im Koalitionsvertrag, dass 400.000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden sollen und dass man möglichst zu verträglichen Preisen Wohnungen mieten kann." Geywitz plant, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen zu lassen, davon 100.000 Sozialwohnungen.
Auf der anderen Seite gebe es ambitionierte Ziele im Bereich Nachhaltigkeit und Klimawende, so Pakleppa. "Auch solche Anforderungen führen dazu, dass Bauen teurer wird, weil wir energetisch hochwertiger bauen müssen."
"Frau Geywitz muss sich mit Vorschlag auseinandersetzen"
Dass Geywitz tatsächlich das Wohnungsbauziel erreicht, daran glaubt ihre Amtskollegin aus NRW nicht. Das werde sie "mit den aktuellen Plänen nicht schaffen", so Scharrenbach – etwa weil es nicht genügend Baugrundstücke gebe.
Dazu komme die geschilderte Problematik der steigenden Baukosten. Scharrenbachs Idee soll Geywitz daher helfen, so die Hoffnung. "Frau Geywitz muss sich mit dem Vorschlag eines Baukosten-Moratoriums ernsthaft auseinandersetzen", sagte Scharrenbach.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Ina Scharrenbach
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa