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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wohn-Gigant geplant Diese Folgen hätte eine Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen
Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia hat sich mit dem zweitgrößten Deutsche Wohnen auf eine Fusion geeinigt. Was der neue XXL-Konzern für Immobilienmarkt und Mieter bedeutet.
Der Größte schluckt den Zweitgrößten: Zweimal schon ist dieses Vorhaben am deutschen Wohnungsmarkt gescheitert. Jetzt aber soll alles klappen. Das Unternehmen Vonovia , dem rund 400.000 Wohnungen in Deutschland gehören, will die Deutsche Wohnen mit rund 140.000 Wohnungen übernehmen. Beide Dax-Konzerne einigten sich nach Angaben vom Pfingstmontag auf eine Fusion, 18 Milliarden Euro legt Vonovia für die Deutsche Wohnen auf den Tisch.
Durch den Zusammenschluss entsteht den Angaben zufolge Europas größter Wohnimmobilienkonzern mit einer gemeinsamen Marktkapitalisierung von voraussichtlich rund 45 Milliarden Euro. Der Wert des gemeinsamen Immobilienportfolios beläuft sich auf knapp 90 Milliarden Euro.
Wie kommt es zu diesem Schritt? Wie wahrscheinlich ist es, dass der Deal wirklich glattgeht? Und welche Folgen hat das für die Mieter in Deutschland? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Mega-Fusion.
Warum will Vonovia die Deutsche Wohnen übernehmen?
Kurz gesagt: Um nicht länger gegen-, sondern künftig miteinander zu spielen. Wie häufig bei Fusionen dieser Größenordnung geht es also vor allem darum, sich als gemeinsamer, noch größerer Spieler auf den entscheidenden Märkten nicht in die Quere zu kommen. Zudem dürften sich in beiden Unternehmen durch den Zusammenschluss Kosten sparen lassen, etwa in der Verwaltung.
Vonovia hatte in der Vergangenheit schon zweimal erwogen, die Deutsche Wohnen zu kaufen. Ein erster Versuch war 2016 am Widerstand der Aktionäre von Deutsche Wohnen gescheitert, die darin eine feindliche Übernahme sahen. Anfang 2020 hatte Vonovia Kreisen zufolge erneut einen Kauf erwogen. Am Ende der Erwägungen habe der Konzern aber entschieden, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen, hatte der Wirtschaftsdienst Bloomberg damals berichtet.
Dieses Mal jedoch ist alles anders, denn: Die Spitzen beider Unternehmen haben jetzt erklärt, wie die Fusion laufen soll. Das gemeinsame Unternehmen soll demnach unter dem Namen "Vonovia SE" firmieren, wobei auch die Marke "Deutsche Wohnen" zunächst erhalten bleiben soll, wie Vonovia-Chef Rolf Buch am Dienstag in einer Pressekonferenz sagte: "Die Deutsche Wohnen wird es weiterhin geben, wir sind dann der Mehrheitsaktionär.“
Buch bliebe demnach auch Chef der Vonovia SE, Deutsche-Wohnen-CEO Michael Zahn würde sein Stellvertreter. Betriebsbedingte Kündigungen soll es bis Ende 2023 nicht geben, Sitz des Konzerns soll die Bochumer Vonovia-Zentrale werden, wobei das Unternehmen auch aus Berlin geführt werden soll.
Welche Folgen hätte ein Zusammenschluss für die Mieter?
Die unmittelbaren Auswirkungen der Fusion auf die Mieter in Deutschland sind aller Voraussicht nach relativ gering. Zwar entstünde durch den Zusammenschluss ein neuer Mega-Wohnungskonzern, doch wäre dessen Marktmacht weiterhin überschaubar.
Selbst zusammen kämen Vonovia, aktuell Eigentümer von rund 415.000 Wohnungen in Deutschland, und Deutsche Wohnen, Eigentümer von rund 142.000 Wohnungen, lediglich auf rund 550.000 Wohneinheiten in Deutschland. Das entspricht gerade einmal einem Marktanteil von rund 2 Prozent. Selbst in Ballungsgebieten, in denen der Konzern viele Wohnungen anbietet, muss deshalb vermutlich niemand mit zu hohen Mietangeboten rechnen.
Wenig bis gar nicht spüren dürften die Fusion auch die Bestandsmieter beider Unternehmen. Zwar bekämen die Mieter der Deutschen Wohnen nach der möglichen Übernahme durch Vonovia ihre Nebenkostenabrechnungen künftig von anderer Stelle – an den bestehenden Mietverträgen selbst aber wird sich nichts ändern. Eine positive Folge für Bestandsmieter könnte sein, dass der neue große Konzern künftig schneller Geld für nötige Sanierungen bereitstellt.
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Steigen durch die Fusion die Mieten noch schneller?
Nein – zumindest, wenn man den Worten von Vonovia-Chef Buch und Deutsche-Wohnen-Boss Michael Zahn glaubt. "Wenn die Menschen immer mehr Geld für ihre Mieten ausgeben müssen, ist das kein nachhaltiges Geschäftsmodell", sagte Buch. "Diese Angst müssen wir den Mietern nehmen."
Das gelte vor allem für den angespannten Wohnungsmarkt in der Hauptstadt, wo beide Unternehmen einen großen Teil ihres Bestandes haben. Konkret versprachen beide, die Mieten in Berlin bis 2026 um jährlich maximal ein Prozent anzuheben – bei Modernisierungen sollen die Mieter mit höchstens 2 Euro je Quadratmeter beteiligt werden. Rund 20.000 Wohnungen will der Konzern zudem an Berlins kommunalen Wohnungsbaugesellschaften verkaufen.
Selbst will das neue Großunternehmen dafür Tausende neue Wohnungen bauen, um das Angebot zu vergrößern und so den Druck auf die Mieten zu verringern. "Zudem wollen wir mehr für junge Familien in Berlin tun", sagte Zahn. Ihnen wolle man bei Vier-Zimmer-Wohnungen Mieten anbieten, die zehn Prozent unterhalb der ortsüblichen Miete liege.
Kann der Deal noch scheitern?
Theoretisch ja, praktisch eher nein – aus zwei Gründen: Erstens könnten die Aktionäre der Deutsche Wohnen das Kaufangebot von Vonovia ablehnen. Schafft es Vonovia in diesem Fall nicht, mehr als 50 Prozent der Unternehmensanteile zu erwerben, scheitert die Übernahme. Zweitens haben auch die Kartellhüter noch ein Wörtchen mitzusprechen. Sie müssen zunächst prüfen, ob der neue Großkonzern zu viel Marktmacht hat. Stimmen sie der Fusion nicht zu, platzt der Deal.
In der Praxis jedoch gelten beide Vorbehalte zumindest als überwindbar. Das Vonovia-Angebot an die Aktionäre der Deutsche Wohnen ist relativ großzügig, der gebotene Preis pro Aktie liegt liegt mit 53,03 Euro 18 Prozent oberhalb des Schlusskurses vom vergangenen Freitag.
Deshalb ist sehr wahrscheinlich, dass genügend Aktionäre bis Ende August die Kaufofferte annehmen, wie auch Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn am Dienstag sagte: "Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass sehr viele Aktionäre dieses Angebot annehmen werden." Die 18 Milliarden Euro schwere Offerte sei fair und attraktiv. Zudem gebe es große Überschneidungen in der Aktionärsbasis beider Unternehmen.
Auch kartellrechtliche Bedenken müssen die beiden Fusionspartner wohl eher nicht befürchten. Der Grund: Der weitaus größte Teil der Mietwohnungen in Deutschland gehört dem Staat, Kommunen oder privaten Vermietern. Vonovia hatte sich angesichts spärlicher und teurer Übernahmemöglichkeiten in Deutschland zuletzt außerhalb der Landesgrenzen umgetan und war in den skandinavischen Markt eingestiegen.
Zu viel Marktmacht dürfte der neue Konzern nicht einmal im Großraum Berlin haben, wo rund 113.000 der Deutsche-Wohnen-Wohnungen und 43.000 der mehr als 400.000 Vonovia-Wohnungen liegen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass Vonovia dem Land Berlin um die 20.000 Wohnungen verkaufen will, um so das Versprechen eines "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" einzulösen.
Gleichwohl ist die Zustimmung der Kartellwächter noch keine ausgemachte Sache, wie auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, erklärt. "Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird", sagte er.
Bereits jetzt hätten beide Konzerne in vielen Regionen einen erheblichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt, sowohl auf Mietpreise als auch auf Kaufpreise. "Ich vermute, dass das Kartellamt dies ähnlich kritisch sehen wird und daher die Chancen für eine Fusion nicht sehr hoch sind", sagte Fratzscher.
- Eigene Recherche
- Pressemitteilung Deutsche Wohnen
- Handelsblatt
- Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa-AFX