Wärmedämmung Wärmedämmung: das sind Ihre Rechte als Hausbesitzer
Wer nicht dämmt, muss bis zu 50.000 Euro Bußgeld zahlen – ein Horror für Immobilienbesitzer. Viele Hausherren zögern trotzdem mit der Wärmedämmung, denn die Umsetzung des Erneuerbare Energien Wärme Gesetzes (EEWärmeG) und der Energie-Einsparverordnung (EnEV) kann tausende Euro kosten. Zudem wird die Freude über die eingesparten Heizkosten getrübt, wenn Nässe und Schimmel in der neuen Fassaden-Verkleidung entstehen. Doch wie t-online.de erfuhr, können skeptische Eigentümer trotz der geltenden Gesetze zurzeit gar nicht unbedingt zum Dämmen gezwungen werden.
Viele verdienen an der Dämmung
Wegen des Dämmzwangs haben in den vergangenen Jahren viele Hausbesitzer ihre Bauten eingepackt – mitunter ohne Rücksicht auf die Ästhetik. In Frankfurt beispielsweise sind überall Gründerzeit-Häuser mit einem sogenannten Schießscharten-Effekt zu sehen, weil Fenster in der dickeren Außenwand verschwinden.
Doch spätestens seit einem Beitrag von Plusminus und vor allem seit der NDR-Sendung "Wahnsinn Wärmedämmung" Ende vorigen Jahres, in der Nässeschäden und ein Test mit einer brennenden Styropor-Fassade dokumentiert wurden, hat bei vielen Hausbesitzern ein Umdenken eingesetzt. Der NDR berichtete von einem selten erlebten Ansturm an Leser-Anfragen. Aber noch immer fühlen sich viele Hausherren alleine gelassen, sie stehen einer wohl organisierten Allianz aus Energieberatern, Architekten, Handwerkern und Dämmstoff-Herstellern gegenüber, die auch offensiv gegen die Medien vorgeht.
Hausbesitzer kennen ihre Rechte nicht
"Den Leuten ist überhaupt nichts klar – sie wissen nicht, welche Rechte sie haben. Viele Hausbesitzer sind nervös geworden, sie haben sich von Geschäftemachern über den Tisch ziehen lassen", urteilte Konrad Fischer, der wohl prominenteste Dämmungskritiker in Deutschland, im Gespräch mit t-online.de. Der auf die Sanierung von Altbauten spezialisierte Architekt aus Hochstadt am Main arbeitete unter anderem am Bremer Rathaus mit, an der Marienkirche in Berlin und am Kloster Banz.
Der erste Schritt für Neubesitzer von Altbauten sei somit die Prüfung, ob überhaupt etwas verändert werden muss. "Wenn unter zehn Prozent von Dach- oder Fassadenfläche baulich verändert werden oder nur instandgesetzt wird, dann greift die EnEV nicht“, gab Fischer Entwarnung." Der Eigentümer-Verband Haus & Grund bestätigte dies.
Verschärfte Regelung seit 1. Januar
Zwar besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Dämmung aller bisher ungedämmten, nicht begehbaren Geschossdecken zu unbeheizten Räumen, respektive der Dachflächen über dem unbeheizten Dachboden, wie Alexander Wiech, Pressesprecher von Haus & Grund im Gespräch mit t-online.de erläuterte. Ferner müssen zugängliche Leitungen abgedichtet werden. Seit dem 31. Dezember 2011 müssen zudem im Zuge der EnEV bisher nicht gedämmte oberste Geschossdecken beheizter Räume gedämmt sein.
Doch auch hier gibt es Ausnahmen: Von dieser Dämmpflicht sind alle massiven Deckenkonstruktionen, die seit 1969 errichtet wurden befreit, sowie sämtliche Holzbalkendecken jeden Alters. Für Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern besteht die Dämmpflicht außerdem nicht, wenn sie ihre Häuser bereits am 1. Februar 2002 selbst bewohnt haben. Ein neuer Eigentümer muss allerdings innerhalb von zwei Jahren dämmen. Theoretisch jedenfalls.
Hausbesitzer müssen sich nicht ruinieren
Dämmkritiker Fischer nannte Paragraf 5 des Energie-Einsparungsgesetzes (EnEG) – der besage eindeutig, dass die durch die Dämmung erzielten Energie-Einsparungen wirtschaftlich sein müssen. Im Paragraf 11 der Heizkosten-Verordnung sei beispielhaft geregelt, dass eine Wirtschaftlichkeit nur bei der Amortisierung einer Investition innerhalb von zehn Jahren gegeben ist. Auch die Rechtsprechung konzentriere sich auf diese Frist. "Es gibt so gut wie keine Maßnahme, die sich innerhalb von zehn Jahren rechnet", urteilte der Experte. Auch gemäß Paragraf 9 EEWärmeG müsse überprüft werden, ob die vorgeschriebenen Schritte wirtschaftlich vertretbar seien.
Haus & Grund verwies ebenfalls auf die Wirtschaftlichkeit als Grundvoraussetzung der Sanierung, blieb aber weniger konkret: "Von einer besonderen Härte kann ausgegangen werden, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb einer angemessenen Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass die Frist deutlich kürzer bemessen sein sollte als die technische Lebensdauer des betroffenen Bauteils."
Experten stellen Befreiungen aus
Viele Bauherren hätten sich also zur Dämmung hinreißen lassen, obwohl dies wegen der geltenden Wirtschaftlichkeitsklausel eine unzumutbare Härte sei, erläuterte Fischer weiter. Zurzeit liefen schon einige Prozesse wegen unwirtschaftlicher Sanierung gegen Architekten.
Hausbesitzer, die auf Nummer sicher gehen wollen, können laut Fischer eine Befreiung von der Sanierungspflicht nach Paragraf 25 EnEV beantragen. Die dafür notwendige Bescheinigung stellen dafür zugelassene Ingenieure, Architekten, Handwerker oder Energieberater aus, die die Kreisbaubehörden empfehlen können sollten. Die mit der Befreiung verbundene Untersuchung könne rund 2000 Euro kosten.
Etwaige Bauschäden einrechnen
Neubesitzer von Altbauten sollten bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung außerdem einen Blick auf etwaige Folgeschäden richten. Denn laut Fischer interessiert den Gesetzgeber nicht der bautechnische Sinn oder Unsinn einer Maßnahme. Bei einer Dämmfassade sei beispielsweise damit zu rechnen, dass diese bei der nächtlichen Abkühlung aufnässe und auch Regenwasser eindringe. Angrenzende Holzbalken verrotten dann über die Jahre wegen der Feuchtigkeit, die nicht mehr nach außen kann.
In Amerika seien die Wärmedämmsysteme auf Holzfassaden deswegen schon seit langem gesetzlich verboten. "Diese Kosten müssen natürlich mit eingerechnet werden", betonte Fischer.
Dämmstoff-Lobby räumt Risse ein
"Jeder Stoff dehnt sich unter Wärme aus", bestätigte Peter Seelig, Geschäftsführer des Fachverbandes Mineralwolleindustrie (FMI), im Gespräch mit t-online.de. "Das sagt aber über die Eignung als Systemkomponente in einem Dämmsystem nichts aus“. Daher müssen Handwerker für die Ausführung die Materialien wählen, die vom Deutschen Institut für Bautechnik zugelassen sind. Zur Auswahl stünden beispielsweise rein mineralische Systeme, die beim Befestigen jedoch mehr Aufwand erfordern und damit im Ergebnis oft teurer sind. Die Gefahr von Schimmel bestehe im Übrigen nicht – vielmehr werde sie durch die Dämmung reduziert.
Zwar könne es bei der Wärmedämmung von Gebäuden genau wie bei allen Baumaßnahmen, zu Schäden kommen - aber nur dann, "wenn sie nicht richtig geplant und/oder ausgeführt werden", erläuterte auch Christian Bruch, Geschäftsführer des Gesamtverbands Dämmstoffindustrie (GDI), auf Anfrage. Fehler bei anderen Gewerken könnten sich auch auf die Dämmung auswirken.
Die Tatsache, dass Fassaden mit aufgeschäumten Polystyrol (EPS) mehr Rissbildungen als andere Baustoffe zeigten, sei allein der schieren Menge geschuldet, betonte Wolfgang Setzler, Geschäftsführer des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme. Denn rund vier Fünftel der Systeme basierten auf EPS, fügte er im Gespräch mit t-online.de hinzu. "Wenn aber eine Wärmedämmung – ganz gleich ob EPS oder Mineralwolle-basiert – richtig armiert ist, dann treten im Normalfall keine Risse auf."
"Nasser Pullover" um das Haus
Architekt Fischer, der zu den lautstärksten Kritikern der Fassaden-Dämmung in Deutschland gehört, beharrte dagegen auf seiner Kritik: Egal um welches Dämm-Material es sich handele und egal, wie es an die Fassade angebracht werde - es nehme Feuchtigkeit auf. Das Haus trage somit einen "nassen Pullover". Und bei einer nassen Dämmung könne das Original-Mauerwerk seine natürliche Funktion als Wärmespeicher und Trockner nicht mehr ausüben. Massive Ziegel dagegen haben laut Fischer den Vorteil, Sonnenwärme einzufangen und ins Innere zu leiten.
Auch die beliebten Wärmebilder – genannt Thermografien – kritisierte der Architekt. Meistens kämen die Fotografen morgens, wenn die Ziegel noch Wärme abstrahlen, die aus der Sonneneinstrahlung des Vortags herrühren. Dem Hausbesitzer werde damit vorgegaukelt, dort verliere sein Haus an Heizenergie.
Bisher keine Kontrollen
Wer sich angesichts dieser Argumente gegen eine Dämmung entscheidet, muss bislang die Behörden nicht fürchten. Kontrollen werde es wohl nur in Ausnahmenfällen geben, in der Regel werde es wohl bei Stichproben bleiben, erläuterte Verbandssprecher Wiech. Wer dennoch dämmt, sollte sich die Arbeit unbedingt vom Handwerker bestätigen lassen. Diese Erklärung muss der Eigentümer fünf Jahre lang aufbewahren und auf Verlangen den Behörden vorlegen.
Bislang sei ihm kein einziger Fall bekannt, bei dem die zuständige Baubehörde eine Strafe verhängt oder überhaupt eine Kontrolle durchgeführt hätte, erläuterte auch Fischer. Die Ämter verwiesen darauf, dass sie nicht genug Mitarbeiter hätten.
"Ich befürchte zwar für die Zukunft ein professionelles Denunziantentum, indem möglicherweise kommerzielle Firmen solche Kontrollen übernehmen. Die Deutsche Umwelthilfe ruft hier ständig nach Verschärfung." Fischer erwartet aber auch in Zukunft keine extremen Strafen - wenn etwa sozial Schwache plötzlich mit hohen Bußgeldern konfrontiert würden, müssten Politiker mit Skandalen rechnen.