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Corona-Krise in Deutschland: "Altmaier weiß nicht, worauf es ankommt"


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Wirtschaftsminister
Altmaier weiß nicht, worauf es ankommt

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 21.04.2020Lesedauer: 3 Min.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Dem Politiker gleitet sein Ressort aus den Händen.Vergrößern des Bildes
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Dem Politiker gleitet sein Ressort aus den Händen. (Quelle: imago-images-bilder)

Wirtschaftsminister haben in der Krise keine Macht. Aber sie haben eine Aufgabe: Sie müssen den wirtschaftspolitischen Kompass im Blick behalten. Wirtschaftsminister Peter Altmaier tut das allerdings nicht.

In Krisenzeiten haben es Wirtschaftsminister besonders schwer. Die Bundeskanzlerin hat das Sagen. Der Finanzminister hat das Geld. Der Wirtschaftsminister dagegen hat nur Eines: eine große Vergangenheit. Peter Altmaier (CDU) bekommt das gerade zu spüren.

Während Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Stundentakt ein Hilfspaket nach dem anderen durchwinkt und dabei aus der schwarzen Null des Bundeshaushalts in atemberaubender Geschwindigkeit eine rote Zahl mit sehr vielen Nullen macht, will Altmaier die Herstellung von Gesichtsmasken in Deutschland organisieren, die mögliche Verstaatlichung von Unternehmen nicht ausschließen, die Deglobalisierung der Pharmaindustrie stoppen. Würde die Linkspolitikerin Sarah Wagenknecht jetzt durch Zufall Wirtschaftsministerin, sie könnte die allermeisten Zettel auf Altmaiers Schreibtisch wahrscheinlich bedenkenlos unterschreiben.

Altmaier schweigt bei den wichtigsten Fragen

Natürlich kann (und sollte) man an dieser Stelle einwenden, dass es in Krisen keine rechte oder linke, sondern nur gute oder schlechte Wirtschaftspolitik gibt. Dennoch stellen sich ein paar Fragen, in denen eine Orientierung über das, was gut und was schlecht ist, schön wäre. Man kann beispielsweise die finanziellen Lasten, die jetzt aufgetürmt werden, durch eine klare Wachstumspolitik lindern, oder durch massive Steuererhöhungen.

Man kann Staatsbeteiligungen zum Aufbau einer staatlichen Manövriermasse das Wort reden, man kann sie aber gar nicht erst erwerben, oder wenigstens ganz schnell wieder verkaufen. Man kann den Automobilfacharbeitern Hoffnung machen, schon bald wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und Verbrennungsmotoren einbauen zu dürfen. Man kann aber auch ehrlich sein. Zu all den Themen hätte man jetzt einen gern gehört: Peter Altmaier.

Den Bedeutungsverlust des Wirtschaftsministeriums kann man erst ermessen, wenn man in die Vergangenheit schaut. Es liegt nahe, in solchen Zeiten an Ludwig Erhard zu erinnern, den ersten deutschen Wirtschaftsminister, der die Wirtschaftskrise nach der Währungsreform managte. Zugegeben: Auch er machte Fehler und verlor zeitweilig den Überblick. Aber er wusste, worauf es ankommt.

Für Ausnahmen vom Wettbewerb sorgen schon andere

Der Wirtschaftsminister muss das Grundprinzip der Marktwirtschaft, den Wettbewerb, gerade in harten Zeiten verteidigen. Für Ausnahmen, Sonderregeln und Einzelfälle machen sich schon alle anderen im Kabinett stark.

Auch Karl Schiller (SPD) setzte als Wirtschaftsminister in der ersten Konjunkturkrise der Bundesrepublik im Jahr 1966 und 1967 klare Zeichen. Er verschob die Koordinaten der bisher neoliberalen Politik, als er das erste schuldenfinanzierte Konjunkturprogramm durchsetzte.

Otto Graf Lambsdorff (FDP) machte rund 15 Jahre Dasselbe, nur in die andere Richtung. Das berühmte Lambsdorff-Papier "Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" war die Scheidungsurkunde für die Regierungskoalition aus SPD und FDP. Nach dem Koalitionswechsel zur CDU Helmut Kohls setzte Lambsdorff in der Wirtschaftspolitik den Kurswechsel zu mehr Wettbewerb und weniger Staat durch. Beiden Ministern war eins gemeinsam: In der Krise verschwenkten sie die Koordinaten der Wirtschaftspolitik.

Altmaier muss die großen Linien aufzeigen

Wirtschaftsminister haben in Krisenzeiten nämlich doch eine wichtige Aufgabe. Sie müssen den Kompass im Blick behalten, wenn alle anderen im akuten Krisenmanagement die Grundsätze des Wettbewerbs bedenkenlos koppheister gehen lassen.

Auch wenn Altmaier im Alltag jetzt besonders kleinteilige Arbeiten am Hals hat – die Fußnoten für Förderprogramme zu schreiben, oder die Quadratmeterzahl von Einzelhandelsläden und die Abstandsgebote für Kunden in mathematische Gleichungen zu bringen – muss der Wirtschaftsminister nun die große Linie der Wirtschaftspolitik finden und politisch vertreten.

Es reicht nicht die "soziale Marktwirtschaft" zu loben

Statt bis zu den Ellenbogen selbst im Bottich der Krisenmaßnahmen mitzurühren, müsste er ein paar Prinzipien formulieren. Zum Beispiel diese: In der tiefsten Rezession seit der Finanzkrise muss der Staat die Unternehmen und Banken unterstützen. Diese Unterstützung wird sofort beendet, wenn die akute Phase des Schocks zu Ende ist. Das gilt auch für den Arbeitsmarkt und Unnternehmensbeteiligungen.

Die Kurzarbeit ist nur dazu da, die Beschäftigung in zukunftsfähigen Unternehmen zu sichern. Unternehmensbeteiligungen werden schon innerhalb der kommenden drei Jahre wieder aufgegeben – oder die Firmen werden liquidiert. Der Wirtschaftsminister muss den Wettbewerb verteidigen, gerade in einer Zeit, in der die Konkurrenz der Unternehmen durch das Eingreifen des Staates gebremst wird.

Es reicht nicht, "unsere soziale Marktwirtschaft" zu loben. Man muss sie auch erhalten wollen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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