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Kolumne: Europa und die Klitzekleinen Rückzieher


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Lernen vom Brexit
Was der Dexit für Deutschland bedeuten würde

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

15.01.2019Lesedauer: 3 Min.
Pro-EU-Demonstranten protestieren gegen den Brexit: Seitdem klar geworden ist, wie schwierig der Abschied Großbritanniens fällt, sind die Pläne zu Brexit, Grexit, Dexit, Italoexit und Co. in den Hintergrund gerückt.Vergrößern des Bildes
Pro-EU-Demonstranten protestieren gegen den Brexit: Seitdem klar geworden ist, wie schwierig der Abschied Großbritanniens fällt, sind die Pläne zu Brexit, Grexit, Dexit, Italoexit und Co. in den Hintergrund gerückt. (Quelle: Frank Augstein/dpa)

Das Brexit-Drama hat in den meisten europäischen Ländern diejenigen kuriert, die von einem Ausstieg aus der Europäischen Union träumen. Gut so.

Brexit, Grexit, Dexit, Italoexit. Viele Länder Europas haben in den vergangenen Jahren damit kokettiert, die Europäische Union auch zu verlassen. Nur die Briten machen Ernst. Seitdem aber klar geworden ist, wie schwierig der Abschied Großbritanniens fällt, sind die großartigen politischen Entwürfe zu klitzekleinen Plänchen geschrumpft, die ganz hinten in der Schublade versteckt werden. Zu Recht. Denn Europa ist ein großes Glück, trotz all seiner Probleme.

Überzeugungen sind wichtiger als volkswirtschaftliche Abwägungen

Begründet wird die neue Zurückhaltung allerdings selten mit dieser Überzeugung, sondern mit möglichen ökonomischen Folgen. Schaut auf die Briten, heißt es dann selbst bei der AfD, die bisher für einen Ausstieg Deutschlands getrommelt hat. Die absehbare Rezession nach einem harten Ausstieg zeige, dass das Thema nicht mehrheitsfähig sei.

Diese Haltung ist falsch und feige. Denn ob man in der Europäischen Union bleiben will, oder ob man sie verlässt, sollte eine Überzeugung spiegeln. Gerade das britische Beispiel zeigt, dass am Ende Emotionen und Haltungen wichtiger sind als kühle volkswirtschaftliche Abwägungen. Das müssen sich nicht nur die Freunde Europas – zu denen die Autorin gehört – hinter die Ohren schreiben. Auch die Gegner der Gemeinschaft und der Eurozone müssen es tun. Es lohnt sich, um Europa zu streiten.

Welche Folgen ein Dexit haben könnte

Für Deutschland beispielsweise wären die ökonomischen Folgen eines Dexit wahrscheinlich sogar verkraftbar, die politischen und sozialen Konsequenzen dagegen kaum. Klar, auch ein Dexit wäre schwierig. Aber wenn der Streit mit Italien über die Defizit-Kriterien und den Euro in den nächsten Jahren eskalieren sollte, müsste man darüber nachdenken. Denn dann wäre der Ausstieg Deutschlands aus der Währungsunion am Ende möglicherweise das kleinere Übel, als Italien herauszuwerfen: Der Süd-Euro könnte nach dem Abschied der Deutschen kräftig abwerten, und so die Volkswirtschaften des Südens wettbewerbsfähiger machen. Sie könnten preiswerter exportieren und ihre Staatsschulden durch hohe Inflationsraten entwerten. Die Bürger wären am Ende des Prozesses zwar viel ärmer, als sie es heute sind. Aber sie wären wieder frei, ihre Wohlstandsüberlegungen im nationalen Rahmen anzustellen.

Die wirtschaftliche Katastrophe für den Nord-Euro würde wahrscheinlich gar nicht so groß ausfallen. Zwar würde eine neue deutsche Währung gewaltig aufwerten und damit den Export in alle anderen Länder schlagartig verteuern. Doch fast die Hälfte der in Deutschland hergestellten Waren kommen inzwischen als Vorprodukte oder Zulieferungen aus dem Ausland, die dann entsprechend billiger würden. Auch Rohstoffe würden billiger. Zudem geht die Bedeutung Europas für den Export deutscher Waren immer weiter zurück, weil andere Wirtschaftsräume schneller wachsen: Exportierte Deutschland zu Beginn der Währungsunion noch knapp die Hälfte seiner Produktion nach Europa, sind es heute nur noch gut 40 Prozent.

Was würde am Zahltag passieren?

Allerdings: Vermutlich würden die Targetsalden – das ist das Geld, das sich die Eurostaaten untereinander zur Verfügung stellen, um den Zahlungsverkehr abzuwickeln, dummerweise stellt Deutschland sehr viel Geld zur Verfügung – vermutlich nicht zurückgezahlt. Schlimmer noch: Da auch die anderen Verbindlichkeiten der Eurozone in Euro gehandelt werden, würden sie weniger wert. Am Zahltag würde Deutschland wahrscheinlich auf einem großen Teil seiner Kredite sitzen bleiben.
Das alles wäre unter dem Strich eine ordentliche Belastung – aber wenn ein Dexit politisch gewollt, oder bei einer Rückkehr der Eurokrise nötig würde, wäre das verkraftbar. Man muss es ja nicht so verrückt anstellen wie die Briten.


Auf der politischen und sozialen Seite sieht das anders aus. Würde Deutschland den Euro verlassen, würde über kurz oder lang auch die Europäische Union zerbrechen. Doch nicht einmal Deutschland ist groß genug, um in Zukunft eigene und günstige Verträge mit den USA oder China abschließen zu können. Nicht einmal Deutschland ist stark genug, um sich dauerhaft als bedeutender Gestalter in der Weltpolitik halten zu können. Nicht einmal Deutschland ist attraktiv genug, um die Einwanderer zu bekommen, die es braucht – und die anderen draußen zu halten.
Abgesehen einmal von der komplizierten deutschen Sprache, den kühlen deutschen Stränden, und den Vorteilen, die man hat, wenn man frei und grenzenlos reist, arbeitet und lernt...

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