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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Präsident und Börsenliebling Der Trump-Boom ist bereits vorbei
Der DAX hat die 20.000er-Marke geschafft und seit dem Herbst 2022 um atemberaubende 8.000 Punkte zugelegt. Sexy ist er damit aber noch lange nicht.
Im Herbst 2022 war mau noch eine wohlwollende Umschreibung für die Stimmung beim deutschen Aktienindex Dax. Die zweite Korrekturwelle ein halbes Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs war in vollem Gange und mancher fabulierte von Stromausfällen im Winter und Rationierungen von Energie. Es kam anders und die internationale Fokussierung vieler Dax-Schwergewichte wie SAP, Telekom, Siemens, Allianz oder Münchener Rück katapultierten den Index in gut zwei Jahren von 12.000 auf 20.500 Zähler.
70 Prozent Wertzuwachs sind auch deshalb geradezu sensationell, da Aktien bekanntlich im Schnitt sieben Prozent pro Jahr abwerfen. Zugegeben, der Ukraine-Crash beförderte den Dax auch von 16.000 Punkten auf 12.000 abwärts.
Dennoch ist die Rally beeindruckend. Sie schlägt sich allerdings kaum in der Fokussierung auf deutsche Aktien wieder. Im Gegenteil. Am Börsenplatz Gettex der Börse München dominieren seit Wochen die Aktien von Tesla, Nvidia, Palantir, SuperMicro, Alphabet oder Microstrategy das Geschehen. Das gleiche Bild sieht man beim Aktienbroker RoboMarkets oder bei Smartbroker in Berlin.
Mischen sich deutsche Titel unter die Top-Aktien, dann sind es mit Siemens Energy oder Rheinmetall die schwankungsfreudigen Basiswerte. Im Gegensatz zu früher sind Adidas, BMW oder die Deutsche Bank von angesagten US-Titeln abgelöst worden. Verstärkt wird dieser Trend zu Weihnachten 2024 durch Donald Trump.
Trump macht blind
Denn selten hat ein US-Präsident Anleger so elektrisiert wie er. Schon jetzt sind seine Stimmungswerte unter Investoren deutlich positiver als zu den besten Zeiten der ersten Präsidentschaft. Steuererleichterungen und Deregulierung scheinen den Nerv der Anleger getroffen zu haben. "Aktuelle Umfragen zeigen deutlich, dass US-Aktien derzeit den größten Bullenüberhang seit 2001 aufweisen", so die Experten von Lynx-Broker.
Dazu ist die Sorglosigkeit gemessen am Angstbarometer VIX so ausgeprägt wie zuletzt Ende 2019 und Beginn 2020. Euphorie herrscht für die Wall Street, ganz nach seinem Motto "America First". Die starke Fokussierung auf US-Titel sollten Anleger aber auch mit Blick auf die Analysten mit Vorsicht genießen. Denn 2024 lagen die Analysten im Schnitt so sehr daneben wie nie zuvor. Sie unterschätzten die Rally bei S&P 500 und Nasdaq und hatten durch die Bank viel zu niedrige Kursziele für 2024.
Und nun für 2025? Gehen Analysten genau den umgekehrten Weg. Sie sind bullish und prognostizieren ein ausgesprochen starkes Jahr 2025. Mit 30 Jahren Börsenerfahrung gehe ich davon aus, dass es auch diesmal anders kommen könnte – wie so oft.
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
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Fundamental noch einiges ok
Grundsätzlich konnten die US-Konzerne zuletzt durchaus überzeugen. Zumindest auf den ersten Blick. Wurde vor der Berichtssaison noch ein Gewinnwachstum von knapp fünf Prozent erwartet, zeichnet sich nun ein Plus von rund 8,5 Prozent ab. Erneut waren die "Magnificent 7" (auf Deutsch: die "glorreichen 7", die sieben US-Techkonzerne mit dem größten Börsenwert, Anm. d. Red.) mit einem Anstieg von 29 Prozent der entscheidende Treiber, wobei Nvidia am 20. November den Deckel drauf machte und gute Zahlen lieferte. Betrachtet man nur die übrigen 493 Mitglieder des S&P 500, so ergibt sich allerdings ein mageres Gewinnplus von weniger als vier Prozent.
Trumps wirtschaftsfreundliche Politik sollte die US-Wirtschaft zwar weiter ankurbeln und den Unternehmen gute Umsätze bescheren. An der Börse ist dies jedoch bereits eingepreist. "Während die Gewinnschätzungen für 2024 und 2025 zuletzt leicht nach unten revidiert wurden, sind Nasdaq 100 und S&P 500 seit Ende der letzten Berichtssaison um rund 15 Prozent gestiegen. Steigende Kurse bei stagnierenden Gewinnen haben das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf knapp 25 getrieben", rechnet Vanyo Walter von RoboMarkets vor. Zur Einordnung: Der Zehnjahresdurchschnitt des KGV im S&P 500 liegt bei 18.
"Damit liegt die Bewertung nur noch knapp unter dem Spitzenwert der vergangenen 25 Jahre: Im März 2000 lag der Faktor bei 24,4", so der Experte. Selbst die Kurse von Small- und Mid-Caps, also Firmen mit kleinem oder mittelgroßem Börsenwert, sind zuletzt deutlich schneller gestiegen als ihre Gewinnprognosen. Mit einem KGV von gut 29 für den Russell 2000 haben die kleineren Unternehmen an der Börse bereits viele Vorschusslorbeeren der Trump-Präsidentschaft eingepreist.
Trump-Wette sportlich gepreist
Steigende Inflationsgefahren, sehr hohe Bewertungen sowie Erwartungen und eine euphorische Stimmung für US-Aktien sind eine Mischung, die nicht unbedingt positiv auf das Jahr 2025 blicken lässt. Dies muss nicht zwangsläufig zu einer scharfen Korrektur führen. Bereits während seiner ersten Präsidentschaft hat Trump seinen Erfolg auch an der Entwicklung des Aktienmarktes gemessen und neue Höchststände regelmäßig kommentiert. Daher wird er auch jetzt ein Interesse an steigenden Märkten haben, zumal die Aktienkultur in den USA deutlich ausgeprägter ist als in Deutschland.
Allerdings sollten Anleger nach den weit überdurchschnittlichen Kursgewinnen in diesem Jahr nicht glauben, dass es 2025 so weitergeht. Und sich, bei aller Liebe für US-Aktien, deren Fallhöhe bewusst sein. Wer sein US-Aktienportfolio absichern möchte, hat gegenwärtig dafür beste Konditionen. Ein Put (Finanzprodukt, bei dem Anleger bei fallende Kursen profitieren, Anm. d. Red.) auf den S&P 500 mit Basis von 6.000 Punkten und der Wertpapierkennnummer VC7HNA ist dank geringer Volatilität ausgesprochen günstig.
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