Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Spekulieren auf den Zins Wie lange geht es am Immobilienmarkt noch gut?
In Deutschland zahlen Sie mittlerweile rund vier Prozent Zinsen für einen zehn Jahre laufenden Immobilienkredit. Doch es geht noch bitterer.
Kann das gutgehen? Britische Hauskäufer pflegen ihre Kredite mitunter alle zwei Jahre zu rollen, sprich: neu abzuschließen. Vor zwei Jahren war dies ein Traum, denn die Zinsen lagen bei rund einem Prozent. Zwischenzeitlich hat die Bank of England den Leitzins auf fünf Prozent gezogen, die Zinsen am Häusermarkt liegen mitunter darüber. Bei einem normalen Häuschen können so aus 1.500 Pfund Zinsen rasch 2.500 Pfund im Monat werden – ein richtig dickes Zinsbrett.
"Entsprechend sind die Hauspreise in Großbritannien in den letzten zwölf Monaten so stark gesunken wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr", sagt Analyst Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Und auch in den USA haben sich die Zahlen gewaschen.
7,4 Prozent muss ein Immobilieninteressent dort derzeit hinblättern, wenn er einen 30-Jahres-Kredit haben möchte. Vor zwei Jahren lag der Tarif noch bei rund drei Prozent. "Eine 100 Jahre lang laufende und mit 2,1 Prozent verzinste Anleihe des Staates Österreich notierte vor wenigen Monaten im Kurs noch bei in der Spitze 225. Sie liegt mittlerweile bei rund 65", liefert Kapitalmarktexperte Molnar von RoboMarkets noch eine weitere Zahl.
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
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Für all jene, die solche Anleihen teuer gekauft haben, ist der Kursverlust mittlerweile immens. Und wer momentan bei seiner Bank in Deutschland anklopft für eine zehnjährige Verzinsung, der erhält mitunter Angebote von 3,9 bis 4,2 Prozent bei 90 Prozent Fremdkapitalquote. Noch vor zwei Jahren wurden solche Anfragen mit weit unter einem Prozent beantwortet.
2023 kommt vieles zusammen
Das Jahr 2023 ist in vielerlei Hinsicht bislang toxisch für alle Teilnehmer am Immobilienmarkt, und man fragt sich, wie lange der Aktienmarkt dies noch ausblenden kann. Denn die Löhne und Gehälter sind auch in den USA gestiegen, unbestritten. Die erhöhte Zinslast für Wohnungen und Häuser bei der Finanzierung ist aber derart merklich, dass das Geld irgendwann an anderer Stelle fehlen wird und dann auch den Konsum schwächt. In den Daten zum Verbrauchervertrauen sieht man erste Warnsignale, aber noch nicht mehr.
"Bei Kreditkartenzinsen ist die Lage in den USA noch verrückter", sagt Salah-Eddine Bouhmidi, Head of Markets beim Online-Broker IG Europe. "Die durchschnittliche Zinsrate bei Kreditkartenschulden hat jüngst 22,2 Prozent erreicht und liegt damit sechs Prozentpunkte höher als vor zwei Jahren und zehn Prozentpunkte über dem Level von 2013", so der Experte.
Immobilien am Ende?
Für den deutschen Immobilienmarkt gilt, dass die Aktien dem Markt weit vorauseilen. So haben sich die Aktien von Vonovia oder TAG Immobilien interessanterweise in den vergangenen Wochen nicht mehr weiter verbilligt, und auch bei Aroundtown oder LEG Immobilien war eine Stabilisierung der Kurse zu sehen.
Womöglich resultiert diese Erholung zum einen daraus, dass die FDP die allergrößten Verrücktheiten aus dem Hause Habeck korrigieren respektive verhindern konnte. Man setzt außerdem auch schon darauf, dass eine neue Regierung 2025 vieles zurückdrehen würde, was die Ampelregierung jetzt beschließt.
Zum anderen sehen einige auch ungeachtet der Beteuerungen der Notenbanker bald wieder sinkende Zinsen und statt hoher Inflation sogar deflationäre Tendenzen. Diese Wette ist gewagt, jedoch angesichts der Dynamiken der vergangenen Jahre nicht völlig aus der Luft gegriffen. Dass die Worte von Lagarde oder Powell im Zweifel eine sehr kurze Halbwertszeit haben, das konnte man seit 2020 mehrfach beobachten.
"Kommt irgendwann Bewegung vor allem in die langfristigen Zinsen, dann dürfte das auch der Immobilienmarkt schnell merken", so Analyst Molnar. Von zehnjährigen Zinsen von null oder einem Prozent sollte bei Immobilien in Deutschland niemand träumen, doch ein Rücksetzer von den gegenwärtigen Levels scheint möglich zu sein.
Die Zinswette läuft auch deshalb, weil der Immobilienmarkt durchaus noch den Aktienmarkt und den Konsum mit herunterziehen könnte. Dann schwächelte die Konjunktur, dies würde die Notenbanken auf den Plan rufen und dann wäre der Kreis wieder geschlossen.
Spekulieren auf den Zins
Wer übrigens auf sinkende Zinsen spekulieren möchte, muss in Deutschland auf einen steigenden Bund-Future setzen. Dieser Umkehrschluss ist wichtig. Konkret klappt dies zum Beispiel mit Hebelprodukten wie dem Turbo-Bull auf den Bund-Future mit der Wertpapierkennnummer JQ9J69 von JP Morgan.
Der Euro-Bund-Future gilt dabei als ein Indikator für die weitere Zinsentwicklung. Futures sind börsengehandelte Terminkontrakte aus der Gruppe der Derivate. Das sind Finanzprodukte, deren Preisentwicklung von einem zugrundeliegenden Basisprodukt abgeleitet wird. Mehr zu Derivaten lesen Sie hier.
Bei sinkendem Bund-Future-Kurs steigt wie bei Rentenpapieren die Rendite oder der Zins, während die Rendite beziehungsweise der Zins bei steigendem Kurs niedriger ausfällt. So stehen Zinsen und am Ende auch Immobilienwerte im engen Verhältnis zueinander und Anleger können mitmischen.
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