Vertrauensfrage gestellt? Streit zwischen VW-Management und Betriebsrat eskaliert
Der einflussreiche Volkswagen-Betriebsrat hat mitten im Diesel-Skandal dem VW-Markenchef Herbert Diess den Fehdehandschuh hingeworfen. Nach schweren Vorwürfen seitens der Betriebsräte hat Diess nun nach Informationen des Magazins "Spiegel" die Vertrauensfrage gestellt. Der Betriebsrat dementierte das jedoch später.
Laut "Spiegel" wollte Diess, der seit Juli vergangenen Jahres die Marke Volkswagen führt, vom mächtigen Betriebsrats-Boss Bernd Osterloh wissen, ob er den Konzern verlassen solle. Die Antwort des Betriebsratsvorsitzenden lautete: "Nein."
Ein Sprecher des Betriebsrats widersprach dieser Darstellung: "Das ist eine Falschmeldung. Das angebliche Gespräch am gestrigen Donnerstag, in dem Herr Diess Herrn Osterloh gefragt haben soll, ob er gehen soll, hat es nicht gegeben."
Arbeitnehmervertreter beklagen "gravierendes Vertrauensproblem"
Der Konflikt schwelt jedoch weiter. Am kommenden Montag trete das Präsidium des VW-Aufsichtsrats zusammen. Thema werde unter anderem auch der Konflikt zwischen Management und Betriebsrat bei der Marke Volkswagen sein.
In einem Brief an die Belegschaft hatten Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh und sechs Betriebsratsvorsitzende verschiedener VW-Standorte von einem "gravierenden Vertrauensproblem" zwischen dem Markenvorstand und den Arbeitnehmervertretern gesprochen.
Hinterrücks personelle Einschnitte befürchtet
Sie befürchten einen Stellenabbau unter Diess, der die Hauptmarke VW mit Sparmaßnahmen auf Vordermann bringen will: "So haben wir den Eindruck, dass der Diesel-Skandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren", heißt es in dem Schreiben, das am Donnerstag verschiedenen Medien zuging.
In der Kraftprobe mit dem Betriebsrat könne sich Diess auf den Rückhalt der Eignerfamilien Porsche und Piëch verlassen, sagte ein Insider.
Verkrustete Strukturen
Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist die Eskalation im VW-Management keine Überraschung. In einem n-tv-Interview sagte er: "VW kämpft seit Jahren mit verkrusteten Strukturen." Vor allem die Kernmarke von VW leide seit Jahren unter einer schlechten Rentabilität.
Nach der Manipulation von Abgaswerten bei weltweit elf Millionen Fahrzeugen steht der Konzern vor gewaltigen Kosten - für Rückrufaktionen, Beraterhonorare und mögliche Strafen. Der Sparkurs wird deshalb verschärft. Rund 3000 Stellen sollen Insidern zufolge in der Verwaltung abgebaut werden, ohne Kündigungen.
Unausgegorene Sparpläne
Die Betriebsräte wollen Schlimmeres verhindern. Sie fordern eine Standort-Vereinbarung für alle deutschen Werke mit festen Zusagen für Produkte, Stückzahlen und Investitionen. In Workshops arbeiten sie schon an ihrer Verhandlungsposition. "Einen anderen Weg der Gemeinsamkeit sehen wir derzeit nicht, da es der Markenvorstand an Verlässlichkeit fehlen lässt." Diess werfen sie unausgegorene Sparpläne vor.
VW-Personalchef Karlheinz Blessing bemühte sich am Donnerstag, die Wogen zu glätten. Er begrüßte das Verhandlungsangebot für einen langfristigen Zukunftspakt. "Die Sicherung der Standorte liegt auch im Interesse des Vorstands", erklärte Blessing und versprach rasche und konstruktive Gespräche.
"Hohe Lohnkosten ein Hirngespenst"
Der Konflikt zwischen Betriebsrat und Diess gärt schon länger. Der 57-jährige Manager war auf Betreiben von Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch von BMW abgeworben worden, um die bereits schwächelnde Hauptmarke des Konzerns auf Zack zu bringen. Der Österreicher hat den Ruf eines knallharten Kostendrückers. Im Juli wechselte er zu VW.
Dass Diess mit seinen Plänen für Einsparungen und Effizienzsteigerungen beim Betriebsrat, der beim VW-Konzern traditionell eine starke Rolle spielt, anecken würde, war von vornherein klar. Anfangs versuchte er, den Konflikt zu entschärfen und lobte in einem Interview mit der Mitarbeiterzeitung Osterlohs Vorschlag, die kostentreibend hohe Zahl der Modellvarianten zu verringern.
Doch der Burgfrieden hielt nicht lange. Schon im November warf Osterloh Diess und Konzernchef Matthias Müller vor, Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage zu verkünden. Diess bekräftigte im März seine Forderung nach weiteren Einsparungen mit dem Verweis auf bessere Entwicklungen bei Seat, Skoda, Audi und Porsche. "Die Marke Volkswagen muss dagegen noch einiges tun, um in den nächsten Jahren profitabler zu werden."
Eignerfamilien stehen hinter Reformkurs
Nun spitzt sich der Konflikt zu: Nach Ansicht des Betriebsrats wird die Marke Volkswagen bewusst schlecht geredet. "Die angeblich so hohen Lohnkosten durch den Haustarifvertrag bei VW sind ein Hirngespinst", schrieb Osterloh in dem Brief. Die weitreichende Mitbestimmung sei nicht für den Diesel-Skandal verantwortlich.
Die Eignerfamilien Porsche und Piëch, denen 51 Prozent des Wolfsburger Konzerns gehören, unterstützen jedoch den Reformkurs bei der Marke VW. Entsprechend hatte sich Wolfgang Porsche gegenüber dem "Handelsblatt" bereits Anfang März geäußert. Diess müsse die Kernmarke umbauen und die Marge steigern. "VW wird an einigen Stellen schlanker werden müssen."
Auch das Emirat Katar, mit 17 Prozent der Stimmrechte drittgrößter VW-Aktionär, hatte im vergangenen Jahr Insidern zufolge die ständige Kritik des Betriebsrats am Vorstand bemängelt. Vom zweitgrößten Eigentümer, dem Land Niedersachsen, war zunächst keine Stellungnahme zu der Auseinandersetzung zu erhalten.