Besonders eine Branche unter Druck Studie: Deutlich mehr Firmenpleiten als erwartet
Experten hatten einen Anstieg von Insolvenzen in diesem Jahr um 30 Prozent vorausgesagt – doch es kommt wohl schlimmer. Eine Branche ist besonders gefährdet.
Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist einem Medienbericht zufolge in diesem Jahr stärker gestiegen als von Experten erwartet. In den ersten sechs Monaten gerieten 162 Unternehmen mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz in finanzielle Schieflage – ein Plus von 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das "Handelsblatt" in seiner Dienstagausgabe berichtet.
Die Zeitung stützt sich auf eine Analyse der Restrukturierungsberatung Falkensteg. Die Zahl der Insolvenzen liegt damit laut dem Bericht deutlich über dem Anstieg von 30 Prozent, den Sanierungsexperten bereits zu Jahresbeginn erwartet hatten. Unter den insolventen Firmen sind prominente Namen wie der Reiseveranstalter FTI, die Warenhauskette Galeria oder die Modefirma Esprit.
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Baubranche besonders in Bedrängnis
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hatte im Frühjahr mit Blick auf die Entwicklung der Firmenpleiten keine Wende zum Besseren ausgemacht und mit weiter steigenden Zahlen gerechnet – trotz sinkender Inflationszahlen und einer relativ stabilen Weltwirtschaft. Strukturelle Probleme wie Fachkräftemangel, weiter hohe Zinsen und im internationalen Vergleich hohe Energiekosten wirken sich demnach negativ aus.
Über alle Unternehmensgrößen hinweg registrierte die Auskunftei Creditreform im ersten Halbjahr rund 11.000 Insolvenzen – das höchste Niveau seit annähernd einem Jahrzehnt. Besonders betroffen sind Automobilzulieferer, Maschinenbauer und Immobilienunternehmen.
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Wegen fehlender Aufträge dürfte laut dem "Handelsblatt"-Bericht in den kommenden Monaten die Baubranche verstärkt in Bedrängnis geraten. Einige Baumittelhersteller hätten im ersten Quartal Umsatzrückgänge von fast 60 Prozent gegenüber 2021, so der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Dirk Andres: "Das schlägt dann irgendwann auch auf die Bauunternehmen durch."
Standortnachteile wirken sich zusätzlich negativ aus
Es gibt jedoch nicht nur mehr Pleiten: Angeschlagene Firmen haben dem Bericht zufolge auch zunehmend schlechtere Chancen, sich erfolgreich zu sanieren. In der Konsequenz müssen sie im Insolvenzverfahren endgültig den Betrieb einstellen: "Die Rettungsquote sinkt, weil Investoren die Talsohle noch nicht erreicht wähnen", sagte Insolvenzverwalter Andres. Selbst strategische Investoren seien derzeit sehr zurückhaltend.
Von den 279 betrachteten Unternehmen, die 2023 Insolvenz anmelden mussten, konnten bis zum Ende des ersten Halbjahres 2024 nur 35 Prozent gerettet werden - durch einen Verkauf an einen Investor oder weil die Gläubiger einem Insolvenzplan zustimmten. Im gleichen Zeitraum vor drei Jahren gelang dies noch in 57 Prozent der Fälle.
Als Gründe für die Insolvenzwelle werden die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Inflation, steigende Energie- und Materialkosten sowie eine schwächelnde Nachfrage genannt. Erschwerend kommen Standortnachteile wie Fachkräftemangel und Bürokratie hinzu. Globale Krisen, schlechte Konjunkturaussichten und hohe Zinsen machen Sanierungen und Investitionen in angeschlagene Unternehmen zunehmend unattraktiv.
- Nachrichtenagentur Reuters