Misstrauen der EZB-Chefin Lagarde ließ Handys ihrer Kollegen offenbar einsammeln
Vor einer wichtigen Nominierung ließ die EZB-Chefin offenbar die Handys ihrer Kollegen einsammeln. Außerdem rüffelte sie ihre Kollegen, keine Informationen durchzustechen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat Insidern zufolge auf der Zinssitzung diese Woche die Mobiltelefone der Währungshüter einsammeln lassen, um ein Durchstechen wichtiger Informationen an die Medien zu verhindern. Zudem habe sie im Kreis der Währungshüter einen Rüffel erteilt, weil vor dem anstehenden Zinsentscheid wichtige Daten preisgegeben worden seien, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab. Bereits unter Lagardes Vorgänger Mario Draghi waren wiederholt Informationen aus dem Kreis der Euro-Wächter durchgesickert.
Den Insidern zufolge wurden die Mitglieder des 26-köpfigen EZB-Rats am Mittwoch, dem ersten Tag der Zinssitzung, aufgefordert, ihre Handys abzugeben. Die Währungshüter hätten zu dem Zeitpunkt kurz davor gestanden, Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch für den frei werdenden Spitzenposten bei der EZB-Bankenaufsicht zu nominieren.
Telefone gab es erst nach Nominierung zurück
Die Mobiltelefone seien erst wieder zurückgegeben worden, nachdem Buchs Nominierung durch die Euro-Notenbank öffentlich gemacht worden sei. Vor fünf Jahren, als der derzeitige oberste EZB-Bankenaufseher Andrea Enria für den Posten nominiert worden war, gelangte die Nachricht bereits in die Medien, bevor die EZB dies offiziell mitgeteilt hatte.
Lagarde griff zu der Maßnahme, nachdem am Tag zuvor die Nachrichtenagentur Reuters berichtet hatte, dass die EZB-Stäbe entscheidende Inflationsprognosen für die Eurozone angehoben hätten. Diese vierteljährlichen Konjunktur- und Inflationsvorhersagen der Notenbank gelten als wichtiger Faktor für Zinsentscheidungen.
Volkswirte waren zuvor noch mehrheitlich davon ausgegangen, dass die EZB auf der Sitzung nach neun Erhöhungen in Folge diesmal eine Zinspause beschließen wird. Viele Ökonomen änderten nach der Reuters-Nachricht ihre Einschätzung und setzten auf eine Anhebung – und lagen damit richtig. Den Insidern zufolge kritisierte Lagarde zu Beginn des zweitägigen Zinstreffens das Durchstechen dieser Information. Auch unter den Ratskollegen habe es kritische Stimmen gegeben.
- Nachrichtenagentur Reuters