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Debatte um Ehegattensplitting: Wer ist dafür und wer dagegen?


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Abschaffung des Ehengattensplittings?
Hier hat sich Klingbeil verrechnet


13.07.2023Lesedauer: 4 Min.
Vor dem Internationalen Frauentag werden auch Forderungen nach Abschaffung des Ehegattensplittings laut.Vergrößern des Bildes
Ein älteres Ehepaar hält Händchen (Symbolbild): Die Politik diskutiert über die Abschaffung des Ehegattensplittings. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa./dpa)

In der Finanzierungsdebatte um Elterngeld und Kindergrundsicherung steht nun auch das Ehegattensplitting auf dem Prüfstand. Eine Abschaffung könnte Milliardenbeträge sparen.

Die Hochzeit gilt als Fest der Liebe, die Ehe als Versprechen der Treue bis zum Lebensende. Rein rechtlich jedoch ist der Bund fürs Leben aber vor allem eins: ein Vertrag. Und dieser bietet verheirateten Paaren in Deutschland einige Vorteile gegenüber unverheirateten, unter anderem bei der Steuer.

Der Staat lässt sich das einiges kosten: Laut Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung aus dem Jahr 2020 belaufen sich die Steuervorteile durch das Ehegattensplitting auf 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Damit könnte nun bald Schluss sein. Zumindest, wenn es nach der SPD geht. Wäre das gut, halten Experten das für den richtigen Weg? Im Gespräch mit t-online begrüßen mehrere Ökonomen eine Reform des Ehegattensplittings, den Vorstoß von SPD-Chef Lars Klingbeil halten sie aber für problematisch.

Uneinigkeit in der Ampel

Das Problem ist dabei vor allem die Rechnung, die Klingbeil aufgemacht hat. Im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" brachte er die Möglichkeit ins Spiel, mit den steuerlichen Mehreinnahmen bei Abschaffung des Ehegattensplittings das Elterngeld zu finanzieren (mehr zur Debatte über das Elterngeld lesen Sie hier). Immerhin handele es sich um ein "antiquiertes Steuermodell". Zuspruch kam unter anderem von Grünen-Chefin Ricarda Lang.

Ehegattensplitting meint, dass die Einkünfte beider Ehepartner zusammengerechnet und dann halbiert werden. Für diesen Wert wird die Einkommenssteuer berechnet und dann verdoppelt. Das Ergebnis stellt die Steuerlast für das Ehepaar dar. Durch diese Berechnung ist das Ehegattensplitting für all jene Paare vorteilhaft, die große Einkommensunterschiede haben. Kritikerinnen und Kritiker sehen darin einen Anreiz dafür, dass insbesondere Ehefrauen weniger arbeiten und verdienen. Zudem wird die finanzielle Bevorzugung von verheirateten Paaren gegenüber unverheirateten Eltern bemängelt.

Beim dritten Koalitionspartner im Bunde kam der Vorschlag hingegen nicht gut an. "Die FDP stellt sich klar gegen die Idee, Familien in unserem Land steuerlich noch mehr zu belasten", sagte der Generalsekretär der Liberalen, Bijan Djir-Sarai, der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. "Die Abschaffung des Ehegattensplittings käme einer massiven Steuererhöhung für die Mitte der Gesellschaft gleich."

Gegen diese Kritik wehrte sich Klingbeil und präzisierte: Es gehe ihm nur um "zukünftig geschlossene Ehen" und nicht diejenigen, "die jetzt schon sich mit diesem Modell auch über Jahre, über Jahrzehnte, eingerichtet haben".

Doch damit fallen auch die versprochenen Mehreinnahmen für den Staat weg. "Bei einer Reform nur für neu geschlossene Ehen wären entsprechend etwas mehr als zwei Prozent aller Ehepaare im Jahr 2024 betroffen. Entsprechend gering sind die fiskalischen Wirkungen, die allerdings dann allmählich über die Jahre steigen", sagt Martin Beznoska, Steuerexperte am Institut für Wirtschaft in Köln.

"Eine Änderung nur für neu geschlossene Ehen zu beschließen, bedeutet, dass der Staat in den kommenden Jahren kaum Mehreinnahmen hätte", sagt auch Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dabei hält sie die Debatte insgesamt für notwendig: "Ich freue mich über die Diskussion zum Ehegattensplitting, immerhin wird es schon seit Jahren aus verteilungs-, gleichstellungs- und familienpolitischen Gründen kritisiert."

Abschaffung rechtlich schwierig

Das Ehegattensplitting ganz zu streichen, sei allerdings nicht einfach. "Das Ehegattensplitting ganz abzuschaffen, ist rechtlich schwierig. Das heißt allerdings nicht, dass es keine Reform geben kann", so Expertin Wrohlich.

Überraschend findet sie daher, dass nicht nur die FDP die Debatte über das Splitting ablehnt. Auch Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbands, sieht den Vorschlag kritisch. "Das Ehegattensplitting, das auch für viele Familien mit durchschnittlichen und niedrigen Einkommen relevant ist, abzuschaffen, um ausgerechnet das Elterngeld für Bestverdiener zu finanzieren, scheint wenig durchdacht und käme einer Umverteilung von unten nach oben gleich", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

"Mich wundert der Gegenwind der Sozialverbände. Alle angedachten Reformen, die ich für realistisch und umsetzbar halte, haben zum Ziel, die steuerlichen Vorteile für besonders reiche Alleinverdienerhaushalte zu dämpfen und nicht sämtliche Unterstützung für Familien zu streichen", so Wrohlich.

Wie eine solche Reform aussehen könnte, ist in der politischen Debatte bislang allerdings kaum zur Sprache gekommen. "Es gibt verschiedene Alternativen. Eine davon ist das Realsplitting mit doppeltem Grundfreibetrag", sagt Wrohlich. Damit ist gemeint, dass unabhängig von den einzelnen Einkommen bei einem Ehepaar bei einer gemeinsamen Veranlagung der doppelte Grundfreibetrag angerechnet wird. Somit wäre sichergestellt, dass immer für beide Personen das Existenzminimum steuerfrei bleibt.

Experte: Auswirkungen begrenzt

Auch IW-Experte Beznoska hält eine solche Reform für denkbar. "Als mögliche Reform steht aus verfassungsrechtlichen Gründen nur eine Begrenzung des Ehegattensplittings zur Verfügung und keine vollständige Abschaffung."

Er ist allerdings skeptisch, wie groß die sozial- und familienpolitischen Auswirkungen einer solchen Veränderung wären. "Die zu erwartenden zusätzlichen Arbeitsanreize einer solchen Begrenzung sind eher gering", sagt er mit Blick vor allem auf Frauen in klassischen Alleinverdienerhaushalten. Neben einer Änderung im Steuerrecht brauche es dafür ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch Fragen nach Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse bei Arbeit auf Mini-Job-Basis und ähnliches müssten geklärt werden.

Auf der finanziellen Seite würde eine Beschränkung des Ehegattensplittings zwar mehr bringen, als es lediglich für neue Ehepaare abzuschaffen, aber dennoch seien die Auswirkungen auch hierbei überschaubar. "Bei einer Begrenzung des Ehegattensplittings sind die fiskalischen Wirkungen nicht sehr hoch – deutlich unter 10 Milliarden Euro im Jahr, wenn alle Paare betroffen wären", so Beznoska.

Familiensplitting als Alternative?

Und was ist mit dem sogenannten Familiensplitting? Einer Idee, die immer wieder in der Diskussion als Alternative aufploppt. "Familiensplitting ist kein geschützter Begriff und in der Diskussion werden verschiedene Modelle durcheinandergeworfen", sagt Wrohlich.

Oft sei dabei ein Modell wie in Frankreich gemeint, bei dem Kinder nicht wie in Deutschland mit einem Kinderfreibetrag bei der Steuer geltend gemacht werden, sondern per Faktor. Doch da der Betrag in Frankreich gedeckelt ist, sei der tatsächliche finanzielle Unterschied gegenüber dem deutschen Modell gering.

Anders verhält es sich bei der Forderung, dass die Ehe nicht als entscheidendes Merkmal für steuerliche Vorteile gelten soll, sondern diese einzig und allein an Kinder gekoppelt werden sollen. In diese Richtung geht auch die Forderung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin, der früheren Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD).

Sie stellte sich zwar hinter den Vorschlag ihres Parteikollegen Klingbeil. Doch lieferte sie eine neue Begründung: "Das Steuerrecht ist schon lange für Familien sehr ungerecht und es wäre sehr fortschrittlich, wenn die Ampel die Kraft findet, das zu ändern", sagte Schwesig dem "Spiegel".

Die Streichung des Splittings solle aber nicht "zum Stopfen von Haushaltslöchern" genutzt werden. Vielmehr sollten Veränderungen bei Familienleistungen "auch Familien zugutekommen – für mehr Partnerschaftlichkeit, mehr Unterstützung von Frauen und gegen Kinderarmut". Also mehr Geld für Familien, weniger für Paare – gleichzeitig soll das Geld aber auch nicht zur Finanzierung des Elterngelds genutzt werden. Ob die Rechnung der SPD so aufgehen kann, bleibt abzuwarten.

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Sollte das Ehegattensplittung abgeschafft oder beibehalten werden? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Ehegattensplitting" und begründen Sie.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Katharina Wrohlich (DIW)
  • Statement Martin Beznoska (IW)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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