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Adidas' "Yeezy"-Debakel: Wie Kanye West das Unternehmen in eine Krise stürzte


"Großer Trümmerhaufen"
Kanye Wests Spur der Verwüstung – Adidas' Debakel im Überblick

Von t-online, cha

Aktualisiert am 20.05.2023Lesedauer: 4 Min.
Kanye West, auch Ye genannt: Der Rappel fiel negativ wegen antisemitischer Äußerungen auf.Vergrößern des Bildes
Kanye West, auch Ye genannt: Der Rappel fiel negativ wegen antisemitischer Äußerungen auf. (Quelle: Ashley Landis)

Die Kooperation von Kanye West und Adidas sollte dem Unternehmen zum Umsatzhoch verhelfen. Doch dann stürzte der Musiker den Konzern in eine Krise. Ein Überblick.

Vor nicht allzu langer Zeit feierte der Sportartikelhersteller Adidas den Musiker Kanye West noch als genialen Designer – und vor allem als Umsatzgarant. Er habe "große Augen" bekommen, gab Konzernchef Björn Gulden zu, als er – damals noch beim Rivalen Puma angestellt – sah, was bei Adidas und dem US-Musiker so alles ging.

Doch dann wurden die öffentlichen Äußerungen des Rappers immer extremer, sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern immer unverschämter und der Druck auf Adidas immer größer. Nach antisemitischen Äußerungen von West, der sich inzwischen "Ye" nennt, kam es im Oktober 2022 schließlich zum Bruch: West musste gehen, die von ihm verursachten Probleme samt eines riesigen Haufens von ihm designter Lifestyle-Produkte aber blieben.

Nach intensiven Gesprächen mit Aktionären am Freitag schließlich die Lösung: Die Produkte werden weiterhin verkauft – zumindest erst einmal ein Teil. Ein "signifikanter Teil" des Geldes soll an Organisationen gespendet werden, die sich gegen Diskriminierung, Hass, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Mehr dazu lesen Sie hier.

Krise also abgewendet? Davon kann nicht wirklich die Rede sein. Skandalrapper West hat einen erheblichen Flurschaden hinterlassen bei Adidas. Verluste in Millionenhöhe, der Chefsessel musste neu besetzt werden, die Reputation des Unternehmens wurde in Mitleidenschaft gezogen und dann ist da auch noch eine Sammelklage der Investoren.

Verluste in Millionenhöhe

Die teure Abkehr von dem Skandalrapper und seinen "Yeezy"-Produkten hat dem Sportartikelhersteller im ersten Quartal bereits einen Verlust eingebrockt. Unter dem Strich stand in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 ein Minus von 24 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr wird es kaum Gewinn geben, man werde mit einem nur knapp positiven Ergebnis abschließen, prognostizierte das Unternehmen bereits im Februar.

Der Konzern hatte erklärt, durch den Verkaufsstopp fehlten ihm in diesem Jahr 1,2 Milliarden Euro Umsatz und 500 Millionen Euro operativer Gewinn. Und West hat bei einem Verkauf Anspruch auf Provisionen. Die Aktionäre begehrten schon bei der Hauptversammlung Mitte Mai auf, weil ein guter Teil ihres Aktienwertes zumindest vorübergehend verloren ging. Einige von ihnen verwehrten Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung.

Die finanziellen Auswirkungen der nun kommunizierten Vermarktungsaktion sind noch unklar. Die Entscheidung, einen Teil der Produkte jetzt doch zu verkaufen, habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den bekannten Finanzausblick, hieß es am Freitag seitens des Unternehmens. Im Falle des Verkaufs und der Spende der Erlöse geht Adidas jedoch noch immer von einem Verlust von 500 Millionen Euro aus. So würden aber zumindest die Kosten für die Vernichtung der Artikel in Höhe von 200 Millionen Euro gespart.

Reputationsrisiko

Für die am Freitag gefundene Lösung rund um den Verkauf der "Yeezy"-Produkte erhielt Adidas Applaus. Die mit dem Verkauf erlösten Spenden sollen an Organisationen gehen, die sich gegen Antisemitismus und Diskriminierung einsetzen. Darunter sind die amerikanische Anti-Defamation League (ADL), die gegen Antisemitismus kämpft, und das Philonise & Keeta Floyd Institute for Social Change, das auf den Tod von George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis vor drei Jahren zurückgeht.

"In einer Zeit, in der Antisemitismus in den USA ein historisches Niveau erreicht hat und weltweit zunimmt, schätzen wir es, wie Adidas eine negative Situation in ein sehr positives Ergebnis verwandelt hat", sagte der Vorstandschef der Anti-Defamation-League, Jonathan A. Greenblatt.

Riskant bleibt aber, welche Folgen der Verkauf der Produkte haben könnte. Die Sammlerszene steht in den Startlöchern. "Die Herausforderung ist: Wenn die Schuhe auf dem Markt sind und von Leuten getragen werden, müssen wir sicherstellen, dass sich die antisemitischen Botschaften ihres Schöpfers nicht verbreiten", sagte Holly Huffnagle vom American Jewish Committee.

Unklar bleibt auch die Lösung für ein weiteres mögliches Dilemma: Verkauft man den bei Fans begehrten "Yeezy"-Bestand, stehen West hohe Provisionen zu, was dem Image von Adidas nicht zuträglich wäre. Auf die Frage, ob "Ye" in die am Freitag kommunizierte Lösung einbezogen worden sei, sagte eine Sprecherin: Die Entscheidung zum Verkauf der Restbestände sei die Entscheidung von Adidas gewesen.

Klagen

Als weitere Schwierigkeit kommt eine Sammelklage von Investoren in den USA hinzu. In einer Anfang Mai bei einem Bundesgericht im US-Bundesstaat Oregon eingereichten Sammelklage wirft ein Investmentfonds Adidas Fehler bei der Zusammenarbeit mit West vor. So habe das Unternehmen trotz früherer umstrittener Äußerungen des Musikers und Modeunternehmers an einer Kooperation festgehalten, obwohl klar gewesen sei, dass dies schaden könne. Adidas habe außerdem keine ausreichenden Vorkehrungen für mögliche finanzielle Verluste im Falle eines Endes der Partnerschaft mit West getroffen.

In der Sammelklage wird nun argumentiert, West habe schon in den Jahren zuvor mit Äußerungen zur Sklaverei, zu Fragen der Hautfarbe und zu Politik für Kontroversen gesorgt. Verwiesen wird unter anderem auf einen Satz aus dem Jahr 2018, als der Rapper sagte, Schwarze hätten bei der Sklaverei in den USA eine "Wahl" gehabt.

Die Kläger verlangen von Adidas Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Der Sammelklage können sich Aktionäre anschließen, die zwischen Mai 2018 und Februar 2023 Adidas-Aktien gekauft hatten. Eingereicht wurde die Klage in Oregon, weil Adidas dort seinen US-Sitz hat. Die Klage richtet sich gegen Adidas, den früheren Konzernchef Kasper Rorsted und Adidas-Finanzchef Harm Ohlmeyer.

Hinzu kommen mögliche juristische Auseinandersetzungen mit Kanye West selbst. Adidas hat den Musiker auf Schadenersatz verklagt.

CEO-Wechsel

Konzernchef Kasper Rorsted musste im November vorzeitig gehen. Sein Abgang war überschattet von der West-Problematik. Für Kritik sorgte im Anschluss, dass er im vergangenen Jahr dank einer Abfindung von zwölf Millionen Euro auf eine Vergütung von insgesamt 15,37 Millionen Euro kam. Mehrere Aktionäre kritisierten das angesichts der Misserfolge als zu hoch.

"Die Investoren stehen vor einem großen Trümmerhaufen, der sich nicht so schnell aufräumen lässt", sagte Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka während der Adidas-Hauptversammlung Mitte Mai.

Doch auch abseits der "Yeezy"-Kollektion scheint es nicht unbedingt ruhig um Adidas zu werden. Kurz vor Beginn des "Pride Months" hat das Unternehmen eine neue Kollektion herausgebracht, mit der sich Adidas für die queere Community und für eine inklusivere Modeindustrie einsetzt. Doch die Präsentation eines Kleidungsstücks hat dem Unternehmen neben Zuspruch auch einen Shitstorm eingebrockt. Hier lesen Sie mehr über die Debatte.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
  • Eigene Recherche
  • theguardian.com: "Adidas shareholders launch class action lawsuit over Kanye West brand Yeezy" (englisch)
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