Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russland-Exporte Salamander produzierte für russische Kampfstiefel
Nachhaltiges Leder, genutzt für Sohlen in Ballettschuhen russischer Tänzerinnen: Das war die Idealvorstellung des deutschen Unternehmens Salamander SPS. Herauskamen Kampfstiefel.
Mehrere Hilfstransporte haben in den vergangenen Monaten von Türkheim im Unterallgäu aus das ukrainische Städtchen Krywyj Rih erreicht. Dort hat die Salamander-Gruppe ein Tochterunternehmen, das bei russischen Angriffen getroffen wurde. Die Verbundenheit dorthin ist groß. Geschäftsführer Götz Schmiedeknecht ist "überzeugt davon, dass die Ukraine unterstützt werden muss". Allerdings hat sein Unternehmen in den vergangenen Monaten auch dabei geholfen, dass die russischen Soldaten in der Ukraine mit neuen Kampfstiefeln versorgt wurden und werden.
Die Salamander SPS GmbH & Co. KG ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Lederrecycling. Bei der Zerschlagung des Mischkonzerns Salamander 2004 wurde aus dem Geschäftsfeld Industrieprodukte eine eigene Unternehmensgruppe. Auch wenn es sonst keine Verbindungen mehr zu der gleichnamigen Schuhfirma mit dem Lurchi gibt, trägt das Unternehmen noch den Namen und sitzt am Standort von 1917. Dort werden heute 80 Prozent des Umsatzes mit Kunststoff-Fensterprofilen erzielt, Lederrecycling bei der Salamander SPS trägt zehn Prozent zum Umsatz bei.
Zwei Kunden dieser kleinen Sparte werfen jetzt ein schlechtes Licht auf Salamander – weil sie die Soldaten im Krieg in der Ukraine ausstatten. t-online hat sich auf die Spur gemacht, wie es dazu kam und wie das Unternehmen reagiert.
Unter "Hunderten Kunden" auch russische Kriegswirtschaft
Für das recyclte Ledermaterial hat Salamander SPS "Hunderte Kunden", erklärt Firmenchef Schmiedeknecht, die in Russland fielen kaum ins Gewicht: Der Umsatz mit dem größten Schuhhersteller Südrusslands, der Firma Donobuv in Rostow am Don unweit der ukrainischen Grenze, habe 2022 bei 56.000 Euro gelegen, der mit dem weiteren Schuhfabrikanten Faraday bei 100.000 Euro.
Das Geschäft ist klein für Salamander, entwickelte sich aber gut: Donobuv hat in den ersten viereinhalb Monaten 2023 schon für 35.000 Euro eingekauft, Faraday für 70.000 Euro. Beide produzieren auf Hochtouren fürs russische Militär. Donobuv verkündete das im November ganz offen: "Jetzt haben wir die Produktion komplett für das Verteidigungsministerium umgestellt", sagte da Sergey Kutasov, Vizechef des Unternehmens, der örtlichen Presse.
Jeden Monat würden nun rund 60.000 Paar Stiefel für Soldaten im "militärischen Spezialeinsatz" produziert, wie der Ukraine-Krieg in Russland verharmlosend heißt. Nach dem Einmarsch habe die Fabrik Schuhe mit dem Buchstaben Z entworfen, dem Symbol für die Unterstützung des Krieges. Es prangt auf der Lasche der Schuhe, und in Kommentaren im russischen Netzwerk VK wird disuktiert, ob das Weiß nicht zu auffällig sei.
Der Stiefel stand bis vor Kurzem auch an erster Stelle auf der Produktübersicht des Unternehmens, zum Preis von 2.800 Rubel, umgerechnet etwa 32 Euro. Er ist von der Internetseite verschwunden. Weil es jetzt Nachfragen dazu gibt?
"Europäische Zulieferer ziehen den russischen Soldaten Stiefel an"
Dem aus dem Ausland betriebenen russischen Investigativportal "The Insider" waren die Z-Stiefel aufgefallen. Die Redaktion hatte in Datenbanken des Zolls zu Lieferungen europäischer Firmen recherchiert, sie machte die Verbindung öffentlich: "Europäische Zulieferer ziehen den russischen Soldaten buchstäblich die Stiefel an." Auch italienische Unternehmen steuern Teile bei, das Traditionsunternehmen Jakob Keck Chemie aus der deutschen Schuhmetropole Pirmasens liefert bisher Spezialkleber.
In Türkheim erfuhr Götz Schmiedeknecht nach seiner Darstellung durch den Bericht davon, was sein Abnehmer mit den Lieferungen macht. "So was melden Kunden uns ja nicht, und für einen Mittelständler lässt sich so etwas kaum verfolgen." Das Recyclingleder von Salamander wird nicht für den Oberschuh genutzt, sondern für Komponenten wie etwa Sohlen von Ballettschuhen, "gerade dafür wird einiges nach Russland geliefert", sagt Schmiedeknecht.
Aber auch die Hinterkappe in Sicherheitsschuhen ist aus dem Material, das aus zerfasertem Leder und Naturkautschuk besteht – 75 Prozent weniger CO2-Ausstoß als bei Leder an sich, rühmt sich Salamander. Eigentlich sei das ein "schönes, nachhaltiges Produkt", sagt der Firmenchef, und produziert wird zunehmend mit eigenem Solarstrom. "Da tut es umso mehr weh, wenn das dann zu den laufenden Menschenrechtsverletzungen in dem verbrecherischen Krieg Russlands beiträgt. Das ist absolut nicht in unserem Sinn." Auf der Homepage war es allerdings ersichtlich, als Lieferant des Verteidigungsministeriums präsentiert sich die Firma Donobuv schon lange.
Mit Kenntnis der Kriegsproduktion habe er am Feiertag die Rechtsabteilung darauf angesetzt, die Verträge zu prüfen, so Schmiedeknecht. Ergebnis: "Wir sind frei in unserer Entscheidung. Wir werden keinerlei Ware dorthin mehr liefern." Das Unternehmen habe in der Vergangenheit eigens mit Spezialisten für Zollprüfung nachvollziehen lassen, dass es keine Konflikte mit Sanktionen gebe. "Das ist auch hier nicht der Fall, aber für uns ist das mit dem neuen Wissensstand selbstverständlich, nicht mehr zu liefern." Überprüft werden nun auch die Lieferungen an andere russische Schuhhersteller.
Die Produktion von Kampfstiefeln für Russlands Krieg werde man aber mit dem Lieferstopp nicht schachmatt setzen, sagt Schmiedeknecht. Zwar werden die Unternehmen keine großen Vorräte haben, angefordert worden seien regelmäßig vier bis sechs Container. "In der Türkei wird es Wettbewerber geben, die dafür mit geringerer Qualität einspringen werden."
- Telefonat mit Götz Schmiedeknecht
- theinsider.ru: BiZness as usual: 25 European companies still supplying the Russian army
- donobuv.com: Katalog (archiviert)