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Lobbyismus: Wie mächtig sind Deutschlands Mittelstandsverbände?


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Einfluss auf die Politik
Die verborgene Macht der Einflüsterer


Aktualisiert am 03.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Kuppel des Reichstagsgebäudes (Symbolbild): Sie steht für Transparenz. (Quelle: IMAGO)
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Politiker gehen bei ihren Veranstaltungen ein und aus, bekannte Unternehmer und Firmen sind Mitglieder – doch wie einflussreich sind Deutschlands Mittelstandsverbände?

Der Bundeskanzler und seine Minister haben einen vollen Terminkalender, für manche Veranstaltungen nehmen sie sich aber regelmäßig Zeit: Ob "Familienunternehmertage", "Wirtschaftstag" oder "Tag der Industrie" – wenn Vertreter der Wirtschaft und vor allem des deutschen Mittelstands einladen, sagen Politgrößen für Reden und Paneldiskussionen fast immer zu.

Vielen Bürgern ist das suspekt. Den Austausch zwischen Interessenvertretern und Politikern beäugen sie kritisch. Das hat Folgen: Beide Berufsgruppen – Politiker und Lobbyisten – landen bei Vertrauensrankings regelmäßig auf den hintersten Plätzen.

Dass sich Politiker dennoch immer wieder gerne auf entsprechenden Veranstaltungen blicken lassen, lässt eine gewisse Nähe mit den Interessenvertretern erahnen. Und das lassen sich die Verbände einiges kosten. Doch wie genau funktioniert Wirtschaftslobbyismus in Deutschland?

"Mittelstand" verkauft sich gut

"Hinter dem Begriff 'Mittelstand' verbirgt sich eine große Vielfalt an Unternehmen", sagt Aurel Eschmann vom Verein Lobbycontrol im Gespräch mit t-online. "Die entsprechenden Verbände profitieren von diesem positiven Framing." Eschmann und seine Kollegen setzen sich seit Jahren für mehr Transparenz in diesem Bereich ein – wobei er damit ironischerweise selbst zur Riege der Interessenvertreter zählt.

Was er mit "positivem Framing" meint: Die Namen und der dadurch formulierte Vertretungsanspruch der Verbände machen nicht immer direkt deutlich, wer in den Verbänden Mitglied ist. So denken etwa beim Wort "Familienunternehmer" wohl die meisten Menschen eher an kleine Handwerksbetriebe, an Autowerkstätten oder die inhabergeführte Bäckerei an der Ecke.

Tatsächlich können genau die aber gar nicht Mitglied bei den Familienunternehmern werden. Denn dafür sind mindestens zehn Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von einer Million Euro erforderlich. Dementsprechend zählen zu den rund 600 Firmen des Verbandes die Chefs von großen Konzernen wie Henkel, Dr. Oetker oder Deichmann – die alle von Eigentümerfamilien geführt werden.

Zwischen klaren Worten und "aggressivem" Auftreten

Das Beispiel zeigt: Familienunternehmen sind nicht zwingend Teil dessen, was gemeinhin als Mittelstand gilt, auch wenn sie häufig in einem Atemzug genannt werden. Nach eigenen Angaben liegt der Fokus des Verbandes vor allem auf dem Austausch der Mitglieder über die besondere Organisationsstruktur, etwa bei der Nachfolgefrage.

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Dafür schreckt der Verband nicht vor bildlicher, teils drastischer Sprache zurück, um seine Interessen zu vertreten: Pläne der CDU zur Erbschaftssteuer sind ein "zerstörerischer Tritt", Vorschläge zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes "eine fiskale Sterbehilfe". Und generell beansprucht der Verband gleich für alle Unternehmer zu sprechen, wenn sie auf ihrer Webseite proklamieren "Wir sind die Wirtschaft!".

Eine Recherche der Wochenzeitung "Zeit" beschäftigte sich zuletzt mit dem Vorgehen des Verbandes und zitierte den Grünen-Abgeordneten Anton Hofreiter, der dem Verband vorwirft, teilweise "aggressiver als die Waffen- und Chemieindustrie" vorzugehen. Zudem verweist die Recherche auf interne Dokumente des Verbandes, darunter ein Protokoll einer Mitgliederversammlung. Bei dieser habe der Vizepräsident Karl Tack betont, der Verband habe "meinungsbildend" auf FDP und die Mittelstandsvereinigung der CDU eingewirkt.

Das klingt mächtig, ist aber mit Vorsicht zu betrachten. Denn es handelt sich dabei um interne Kommunikation, die zudem nicht mit konkreten Belegen unterfüttert ist. Dass die Familienunternehmer Einfluss auf die Politik ausüben wollen, ist kein Geheimnis, doch inwiefern sie damit Erfolg haben, ist schwer zu bemessen.

Stattdessen ist klar: Diese Art der Kommunikation richtet sich vor allem an die eigenen Mitglieder, denn ohne sie können die Verbände nicht bestehen, sie ist essenzieller Teil ihrer Arbeit.

Interessenvertretung gehört in Deutschland dazu

Insgesamt gibt es in Deutschland rund 15.000 Verbände. Das mag viel – manchen auch zu viel – erscheinen. Deshalb aber gleich auf eine große Macht zu schließen, erscheint voreilig. Denn erstens entscheiden die Mitglieder, ob ein Verband benötigt wird. Anders als etwa eine Mitgliedschaft in der örtlichen Industrie- und Handelskammer ist eine Verbandsmitgliedschaft nicht verpflichtend. Zweitens sind viele Firmen und Unternehmer oft auch gleich in mehreren Verbänden Mitglied, was die große Zahl erklärt.

So gibt es etwa für kleine und mittlere Unternehmen mehrere branchenübergreifende, aber auch branchen- oder organisationsformspezifische Interessenvertretungen. Abseits lokaler Gruppen buhlen bundesweit zum Beispiel der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der Wirtschaftsrat der CDU, das Wirtschaftsforum der SPD und seit Kurzem auch die Wirtschaftsvereinigung der Grünen – um nur ein paar wenige zu nennen – um Aufmerksamkeit.

Denn das Potenzial für Mitglieder ist groß: Mit knapp 2,5 Millionen machten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 2020 ganze 99,4 Prozent der Unternehmen insgesamt aus. Über 55 Prozent der deutschen Beschäftigten entfielen auf diese Unternehmen.

Enger Austausch auch mit Gewerkschaften

Die Mitglieder finanzieren durch ihre Beiträge die Arbeit der Verbände mit hauptamtlichen Mitarbeitern und in vielen Fällen einem Büro in der Nähe des Berliner Regierungsviertels. Die Mitarbeiter wiederum tauschen sich mit den Mitgliedern in unterschiedlichen Formaten aus und erfragen die Positionen der Unternehmen. Daraus werden dann Positionspapiere und Pressemitteilungen erstellt.

Zudem finden geschlossene Veranstaltungen statt, zu denen häufig Politiker und Wissenschaftler eingeladen werden, um so in den Austausch zu treten. Seltener, dafür mit weitaus mehr Beachtung der Öffentlichkeit gibt es dann repräsentative Veranstaltungen wie etwa die Familienunternehmertage, die Mitte April stattgefunden haben, oder den Wirtschaftstag des Wirtschaftsrats der CDU, der im Mai ansteht.

Dort treten dann auch regelmäßig Politiker auf, was ganz im Interesse der Verbände ist. Für sie nämlich sind persönliche Drähte in die Politik extrem wichtig, weil sich so Gesetzesvorhaben leichter beeinflussen lassen.

Die Nähe entsteht in vielen Fällen darüber, dass frühere Politikerinnen und Politiker hohe Ämter in den Verbänden übernehmen. So wird etwa der Wirtschaftsrat der CDU hauptamtlichen durch den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Steiger geführt. Den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft leitet die frühere Grünen-Abgeordnete Kerstin Andreae.

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Dieser enge Austausch beschränkt sich allerdings nicht auf Wirtschaftslobbyisten. Auch von Gewerkschaftsvertretern wie der Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes und früheren SPD-Abgeordneten Yasmin Fahimi heißt es, es gebe einen guten Draht ins Bundeskanzleramt und sie stehe in regelmäßigem Kontakt. Ein Blick in die Veranstaltungsankündigungen von Sozial- und Umweltverbänden zeigt, dass Kanzler und Minister hier ebenfalls gern gesehene Gäste sind.

Treffen und Gespräche gibt es also in verschiedensten Konstellationen, wie groß der Einfluss der verschiedenen Interessengruppen dadurch ist, ist kaum zu messen. Leichter fällt das bei den finanziellen Aufwendungen für Lobbyarbeit. "Mittelstand und Familienunternehmen sind extrem einflussreich, das zeigen schon die gelisteten Ausgaben im Lobbyregister", sagt Eschmann von Lobbycontrol.

Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften nicht im Lobbyregister

Aus der öffentlich einsehbaren Datenbank geht hervor: Im Jahr 2021 gaben die Familienunternehmer nach eigenen Angaben mehr als 3 Millionen Euro für Lobbytätigkeiten aus, der Wirtschaftsrat der CDU gut 4,7 Millionen. Der BVMW verzeichnet für 2021 sogar mehr als 8 Millionen Euro.

Dass Verbände diese Zahlen veröffentlichen müssen, ist eine Folge der Maskenaffäre in der Corona-Krise und der Verwicklungen des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor. Das gab auch in der CDU/CSU-Fraktion den entscheidenden Anstoß, das Gesetz zum Lobbyregister zu beschließen.

Seit dem 1. Januar 2022 müssen sich nun alle professionellen Interessenvertreter im Lobbyregister eintragen und Angaben über die Höhe ihrer finanziellen und personellen Aufwendungen machen. Zudem müssen sie angeben, zu welchen Themen sie arbeiten. Ein Verstoß gegen das Gesetz kann bis zu 50.000 Euro kosten. Bislang gibt es rund 5.800 Einträge. Und es könnten noch deutlich mehr sein, denn bislang sind Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Kirchen nicht zur Meldung verpflichtet.

Und auch die Art der Angaben reicht Lobbycontrol noch nicht. "Im Lobbyregister wird bislang nicht erfasst, auf welche Gesetze Lobbyisten konkret versuchen, Einfluss zu nehmen. Das sollte angepasst werden", fordert Eschmann.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Aurel Eschmann (Lobbycontrol)
  • destatis.de: Kleine und mittlere Unternehmen
  • lpb-bw: Lobbyismus
  • zeit.de: "Die heimliche Rückschrittslobby"
  • Pressemitteilungen der Familienunternehmer, Wirtschaftsrat der CDU, BVMW
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