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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Energie- und Ölunternehmen Übergewinnsteuer könnte bis zu 100 Milliarden Euro einbringen
Angesichts der Gasumlage wird wieder die Idee einer Übergewinnsteuer diskutiert. Sie könnte wichtige Entlastungen bringen – spaltet aber die Ampel.
Die Energiekosten steigen. Das belastet Verbraucher, aber auch auf der Unternehmerseite klagen Konzerne wie Uniper und Co. Langfristige Lieferverträge mit Russland sind angesichts der reduzierten Mengen, die Deutschland über die Pipeline Nord Stream 1 erreichen, keine Absicherung mehr.
Um ihre Verträge mit den Versorgungsdienstleistern zu erfüllen – also damit kein Verbraucher ohne Gas oder Strom dastehen muss – müssen die Energieunternehmen Gas aus anderen Quellen kaufen.
Um diese Mehrkosten aufzufangen, müssen die Gaskundinnen und -kunden bald Hunderte Euro in Form der Gasumlage zahlen. Doch gibt es dafür nicht Alternativen? Eine Untersuchung des Netzwerks Steuergerechtigkeit für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei "Die Linke" nahesteht, deutet genau das an.
Übergewinnsteuer könnte Gasumlage überflüssig machen
Denn mit einer Übergewinnsteuer auf krisenbedingte Zusatzgewinne von Öl-, Gas- und Stromkonzernen könnte der Staat je nach Ausgestaltung "Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr" erzielen. Das berichtete zuerst "Der Spiegel" am Dienstag.
Die von den Autorinnen und Autoren berechnete Höchstsumme von knapp 102 Milliarden Euro ergibt sich demnach aus einer Besteuerung der Übergewinne mit 90 Prozent. Würde der Steuersatz lediglich 50 Prozent betragen, wären es dem Bericht zufolge noch knapp 57 Milliarden Euro an Einnahmen, bei 25 Prozent gut 28 Milliarden Euro.
Damit könnte der Staat die Mehrkosten der Energieunternehmen vollständig oder zumindest zum größten Teil decken – je nach Höhe der Besteuerung der zusätzlichen Gewinne.
Scholz schreckt vor "technischen" Herausforderungen zurück
Denn für die plötzlichen Gaseinkäufe schätzen die Energieunternehmen die Mehrkosten auf etwa 34 Milliarden Euro, gab der Trading Hub Europe (THE) am Montag bekannt. Das gemeinsame Tochterunternehmen der Gasimporteure hatte die Höhe der Umlage auf die Verbraucher angesichts der Mehrkosten errechnet.
Bundeskanzler Scholz stand einer Übergewinnsteuer in den vergangenen Wochen skeptisch gegenüber, da diese "technisch sehr herausfordernd wäre". Auch Finanzminister Lindner lehnte einen solchen Schritt strikt ab – dabei hat die EU-Kommission sogar bereits eine Leitlinie veröffentlicht, wie Mitgliedstaaten eine solche Steuer ausgestalten könnten.
Viele Gewinne fallen im Ausland an
Die Studie geht laut "Spiegel" auf die Herausforderungen ein, die eine solche Steuer mit sich bringen könnte. Etwa der Aspekt, dass beispielsweise die Gewinne von Mineralölkonzernen überwiegend im Ausland anfallen.
Das liege auch daran, dass die Unternehmen "einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne in Steueroasen wie Singapur oder die Schweiz verschieben", schreiben die Studienautoren Christoph Trautvetter und David Kern-Fehrenbach.
Um dennoch auf nennenswerte Steuereinnahmen in Deutschland zu kommen, schlagen die Autoren und Autorinnen deshalb vor, die Übergewinnsteuer vom deutschen Anteil am Umsatz aus den Konzerngewinnen abzuleiten.
Gleichbehandlungsgrundsatz erschwert Abgabe
Einfach wäre die Umsetzung wohl dennoch nicht. Trotz einer OECD-Vorlage für eine international abgestimmte Übergewinnsteuer wäre "der politische Weg dorthin wahrscheinlich lang", schreiben die Autoren.
Auch rechtlich gibt es einige Hürden. So könnte es angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes schwierig sein, Unternehmen einzelner Branche zusätzlich zu besteuern und andere nicht. Gleichzeitig müsste der Staat definieren, welcher Gewinn regulär ist und welcher übermäßig.
Grundsätzlich wäre die Einführung einer solchen Abgabe aber möglich, wie ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags laut "Spiegel" zeigt. Der Staat müsste demnach darlegen, dass betroffene Unternehmen "unverdiente Gewinne" erzielt haben und sich diese bestimmen lassen. "Angesichts der offenkundigen aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten scheint dies nicht ausgeschlossen", zitiert der "Spiegel" aus dem Papier.
Viele europäische Länder gehen voran
Und: Bereits bei anderen Reformen, wie etwa der Digitalsteuer, seien Staaten wie Deutschland und andere EU-Staaten vorangegangen und hätten damit den Weg geebnet, argumentieren die Studienautoren der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Fest steht auch: Bei einer Übergewinnsteuer wäre Deutschland kein Vorreiter mehr, viele andere Staaten haben besondere Abgaben auf Krisengewinne bereits eingeführt.
Darunter sind etwa EU-Länder wie Italien, Griechenland, Rumänien oder Ungarn. Aber auch der europäische Nachbar Großbritannien, der als besonders unternehmerfreundlich gilt, hat eine solche Steuer verabschiedet. Andere Länder planen solche Abgaben bereits.
Selbst FDP-Wähler begrüßen Übergewinnsteuer
Das Thema spaltet auch die Ampel: In Deutschland fordern beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und SPD-Chefin Saskia Esken eine Übergewinnsteuer. Auch 76 Prozent der Wahlberechtigten befürworten laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap für den Deutschlandtrend der ARD eine Übergewinnsteuer.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist aber strikt dagegen – obwohl selbst 58 Prozent seiner Wähler eine solche Steuer unterstützen würden. Der Finanzminister argumentiert dagegen, dass eine solche Abgabe Investitionen hemmen und Deutschland als Standort unattraktiver machen könnte.
- Eigene Recherche
- spiegel.de: "Übergewinnsteuer könnte bis zu 100 Milliarden Euro einbringen (€)"
- mdr.de: "Gasumlage für alle, Gasgewinne für Aktionäre"
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP