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Markus Söder: Was er von "La Boum" über Strategie lernen kann


Politiker oder Meme
Die Party findet ohne ihn statt

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

12.03.2025 - 15:30 UhrLesedauer: 4 Min.
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Markus Söder: Der CSU-Chef sollte sich "La Boum" ansehen. (Quelle: IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler/imago)
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Markus Söder hat sich als digitaler Witzbold etabliert, doch seine politische Strategie weist Lücken auf. Der Kultfilm "La Boum" könnte ihm wertvolle Lektionen erteilen.

Ich bin mit dem Kultfilm "La Boum" aufgewachsen. "Boum" ist das französische Wort für "Fete". Damals sagten wir das noch so. Um Feten geht es in dem französischen Kultfilm und seiner Fortsetzung: um die Pubertät, um die erste große Liebe, den ersten Liebeskummer, das Erwachsenwerden. Ums Abnabeln.

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Aber es geht auch um knallharte Strategie. Und deswegen hätte sich Markus Söder "La Boum" vielleicht in den vergangenen Monaten mal anschauen sollen.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Denn es begibt sich in diesem Kultfilm, dass Hauptprotagonistin Vic, soeben in die Pubertät eingetreten und gespielt von der fortan zum Schwarm einer ganzen Generation avancierten Sophie Marceau, auf eine Party will. Und dazu grünes Licht von ihren Eltern braucht. Dabei geht Vic mit Bedacht und Klugheit vor: Sie lässt ihrer Mutter ein Bad ein und spricht das Thema vorsichtig an, als die Frau am längeren Hebel, also ihre Mutter, wohlig im Schaum versinkt. Maximale Entspannung gleich maximal großer Verhandlungsspielraum, so Vics Rechnung. Das Kalkül geht auf: Sie darf auf die Party.

Hätte die Hauptfigur in "La Boum" nicht Vic geheißen, sondern Markus Söder, wäre die Szene womöglich eher so oder zumindest ähnlich abgelaufen: Er hätte sich an der Wohnungstür postiert. In dem Moment, in dem sich seine Mutter bis zu den Achseln vollgepackt mit viel zu schweren Einkaufstüten (damals trug man noch Plastik) und genervt den Weg durch die Tür freigekämpft hätte, hätte er ihr genau den abgeschnitten, ihr zur Begrüßung vors Schienbein getreten und ins Gesicht geschrien, dass sie eine Volltrottelin sei, er auf diese Party gehen werde und sie das gefälligst erlauben solle.

Er ist kein Volltrottel

Ich sage es mal so, völlig unabhängig davon, wer auf welche Party gehen oder sonst irgendetwas will: Universell und weltweit würden nur die volltrotteligsten aller Volltrottel nach einem solchen Auftritt grünes Licht für irgendetwas geben.

Nun ist Markus Söder ja laut offiziellen Angaben erwachsen, und die Grünen sind trotz ihres nicht zu leugnenden Hangs zur Pädagogik nicht seine Eltern. Aktuell aber sitzen sie an einem Hebel. Und da geht es nicht um eine Party, sondern um etwas sehr viel Wichtigeres. Nicht mal ein naturgemäß egozentrischer Teenager würde das leugnen. Die Parallele ist eine andere: Söder hat sich dermaßen oft dermaßen danebenbenommen, dass die Grünen gar nicht anders können, als (erst mal) Nein zu sagen.

Markus Söder ist aber erwachsen und auch kein Volltrottel. Über seine moralische Reife will ich mich hier nicht auslassen, das haben andere bereits zur Genüge getan: Sein Parteifreund Horst Seehofer attestierte seinem Nachfolger als Ministerpräsident "charakterliche Schwächen" und einen "Hang zu Schmutzeleien", und erst kürzlich trug ein vernichtender und viel beachteter Artikel die vielsagende Überschrift "Schlimm, schlimmer, Söder".

Billiger Applaus bleibt billig

Ich glaube, Söder hat sich in sich selbst verliebt. In seine selbst geschaffene Rolle als Internet-Meme, also lustige Bilder, Texte oder Videos, die im Netz geteilt werden – eine Art digitale Witzfigur. Denn im Internet, im Social Web, da funktioniert Söder sensationell gut.

Wenig ist so einfach zu erheischen wie billiger Applaus. Billiger Applaus ist das Schmieröl sozialer Netzwerke. Wer ganz oben bei Likes und Reichweite mitspielen will, siedelt seine Postings auf der Sozialkompetenz-Skala ganz unten an. Bei X, Insta und anderen regiert die moralische Unverbindlichkeit, da sind klare Werte sogar eher hinderlich. Söder weiß das, Söder lebt das. Und er ist sich da für wenig zu schade.

Da passen zwei zusammen

Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass er sich Anfang April mit Cathy Hummels trifft und von ihr interviewen lässt. Hummels ist selbst für B- oder C-Promi-Verhältnisse das, was Söder für Vertreter der bürgerlichen Parteien ist. Beide halten sich selbst für viel zu flexibel und umtriebig für feste Standpunkte. Und das Leben und die Welt für etwas, das ihrer Gier nach Profit zu dienen hat – nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Hummels etwa hielt den Überfall Russlands auf die Ukraine für den perfekten Zeitpunkt für eine Werbepartnerschaft: Mode-Accessoires und die ukrainischen Nationalfarben waren für sie eine verspielte Melange in einer Foto-Strecke. ("Der Teufel trägt Prada", auch ein toller Film, fällt mir an dieser Stelle ein.)

Depressionen dienen ihr als lukratives Zeitgeist-Thema, das ihr sowohl Geld als auch den so dringend ersehnten Anstrich wenigstens eines Hauchs von Ernsthaftigkeit einbringen soll. Söder wiederum umarmte erst Bäume, um wenig später so zu tun, als würde er die Grünen am liebsten an ihnen hängen sehen.

Das alles wäre je nach Perspektive lustig bis bedauernswert in seiner Bedürftigkeit nach Aufmerksamkeit und Getätscheltwerden. Stünde nicht so viel auf dem Spiel. Das Leben ist nun mal keine Party. Ach ja, auch dies ein Filmtipp: "Der Partyschreck". Sehenswert!

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