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HomeDigitalNicole Diekmann: Im Netz

Meta will politische Diskussionen unterbinden: "Die Party ist vorbei"


Meinung
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Neue Strategie von Insta, Facebook und Co.
Eine Bankrotterklärung

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

14.02.2024Lesedauer: 5 Min.
They partied until they passed out. Three guys passed out after a party.Vergrößern des Bildes
Der Kater nach der Party: Im besten Fall gab es nicht nur Alkohol, sondern auch interessante Diskussionen. (Quelle: Yuri Arcurs/imago-images-bilder)
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Politische Diskussionen gehören zu Social Media. Doch nun sollen sie möglichst unterbunden werden. Unsere Kolumnistin hält das im Superwahljahr 2024 für einen riesigen Fehler.

Stellen Sie sich mal Folgendes vor – keine Angst, es wird überhaupt nicht verrückt, sondern realistisch: Sie geben eine Party. Sie laden Ihre Freunde ein. Ein überschaubarer Kreis von netten, sozial kompetenten Menschen, die Sie gern um sich haben. Mit denen Sie Zeit verbringen wollen und von denen Sie wissen: Das wird schön, denn die können sich benehmen.

Der Abend wird ein voller Erfolg. Alle sind gut drauf, gut miteinander, gut erzogen. Sie wiederholen diese Party, und mit den Jahren etabliert sie sich. Der Freundeskreis verändert sich, so wie alles im Leben. Es kommen neue Leute hinzu, der Kreis wird größer. Nach und nach tauchen dort auch immer mehr Leute auf, die Sie bisher gar nicht oder nur flüchtig kannten. Und irgendwann stellen Sie fest: Der Zauber des Anfangs ist gewichen.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach guten Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Die Zeiten sind härter und politischer geworden, und so sind es die Gespräche auf Ihren Partys. Da man nicht mehr so eng miteinander verbunden ist wie in der kleinen Schar zu Beginn, geht man auch schroffer miteinander um. Es kommt zu kleinen Eklats, zu Zerwürfnissen. Man versucht, Sie als Gastgeber in die Pflicht zu nehmen: Der oder die soll kommendes Jahr nicht mehr eingeladen werden, was erlaubt sich Person X eigentlich – und können Sie nicht bitte irgendwas tun, damit es wieder so schön wird wie damals?

Sie stehen unter Druck. Was tun Sie? Sie wollen weiter Ihre Feste feiern. Und Sie wollen den Punkt nicht verpassen, ab dem es kippt. Sie wollen so behutsam wie möglich und so klar wie nötig rechtzeitig einschreiten, bevor die Party zu einer Veranstaltung verkommt, zu der nur noch die ganz Einsamen und Verzweifelten erscheinen.

Wunsch nach Harmonie

Da eröffnen sich ja nun mehrere Möglichkeiten: Sie könnten zum Beispiel das Jahr zwischen den Partys dafür nutzen, um das eine oder andere Zwiegespräch zu führen. Unter vier Augen sind wir alle, die wir uns zum weltweit ja riesigen Klub der bei Verstand Seienden zählen, ja erreichbar. Für Argumente und für den Wunsch nach Harmonie. Sie könnten überlegen, ob Person X eigentlich ein guter Gast ist, wenn er Ihre Party zu versauen droht, weil er anscheinend nicht in der Lage beziehungsweise willens ist, selbst Themen wie das Bruttosozialprodukt oder betriebliche Altersvorsorge zu besprechen, ohne aus der Rolle zu fallen.

Sie könnten, so hilflos es auch klingen mag, auch überlegen, den Alkohol zu drosseln oder Hochprozentiges vom Einkaufszettel zu schmeißen. Damit wäre schon mal ein Eskalationsantreiber von der Karte getilgt. Oder aber, um mal aus der entgegengesetzten Richtung zu kommen: Sie buttern richtig was rein und hoffen auf den glücklich machenden Effekt von Crémant und Austern. Sie fahren dermaßen fulminant auf, dass das Captain’s Dinner auf dem Traumschiff dagegen wirkt wie eine Armenspeisung in den Slums von Kalkutta.

Keine politischen Inhalte mehr

Noch eine Idee, und jetzt wird es tatsächlich kurz verrückt – aber nicht unrealistisch, glauben Sie mir: Sie ziehen sich einfach komplett aus der Verantwortung und schlagen den Irrweg ein, für den sich jetzt der Meta-Konzern entschieden hat, also das Unternehmen hinter Facebook, Instagram und WhatsApp. Dort nämlich hat man nun angekündigt, unpolitischer werden zu wollen: Man werde künftig politische Inhalte auf den Plattformen drosseln, kündigte Instagram-Chef Adam Mosseri an.

Im Klartext heißt das: Per Zufall, zum Beispiel über die Suchfunktion, soll Ihnen nichts mehr angezeigt werden, was irgendwie politisch wirkt. Auf Politik soll man nur noch stoßen, wenn Leute etwas Politisches posten, denen man ohnehin schon folgt. Politisch wird übrigens denkbar ungenau beschrieben: Dabei handle es sich um Inhalte zu Regierungen, Wahlen oder sozialen Themen, die eine große Gruppe von Menschen oder die Gesellschaft im Ganzen betreffen. Übertragen auf das Party-Beispiel bedeutet das: Sie würden als Gastgeber Ihre Gäste vorab darum bitten, politische Themen nur noch mit denen dort zu besprechen, mit denen sie ohnehin eng vertraut sind. Mit allen anderen nur Belangloses, bitteschön. Dann gibt es nämlich auch keinen Ärger. Ganz schön absurd, oder?

Aber das ist nicht nur absurd. Es ist fatal und riskant. Bei Threads, Instagram und dem irrtümlich schon so oft totgesagten Riesen Facebook, auf den dieses feige Prinzip mittelfristig auch angewendet werden soll, handelt es sich nicht um überschaubare Partys mit mehr oder weniger angenehmen Leuten. Die Communitys dieser Dienste zählen nicht weniger als Milliarden Menschen; auch große Medienhäuser sind dort vertreten. Mächtige Unternehmen. Einflussreiche Politiker. Aktivisten.

Social Web ist ein Ort der kontroversen Debatte

Dies ist der Ort des Austauschs, des unbegrenzten Aufbrechens von Grenzen. Damit meine ich nicht die Grenzen des Anstands; das tun andere und haben Meta dazu gebracht, nun aufzugeben. Das Social Web ist der Ort, an dem man Menschen und Meinungen, Perspektiven, Argumenten nahekommen kann, mit denen man im analogen Alltag nicht in Berührung kommt. Weil wir auf unsere Partys, Abendessen, Hochzeiten eben nicht möglichst kontrovers debattierende Leute einladen. So funktionieren Freundschaften nicht. Aber soziale Netzwerke. So könnten sie zumindest funktionieren. Wenn sie dafür sorgen würden, dass der ja gar nicht schmale Grat zwischen "Nicht mein Freund" und "mein Feind" gewahrt bliebe.

Geld in die Hand zu nehmen für ausreichend Moderation, das ist der Weg, um konsequent und knallhart vorzugehen gegen alle, die Ärger machen könnte. Es sind ja nicht die Themen an sich, sondern diejenigen User, die sich nicht im Griff haben. Geld für Künstliche Intelligenz, Geld aber auch für Menschen aus Fleisch und Blut, die das erkennen, was die Maschinen nicht als Beleidigung oder Hass oder Straftat identifizieren können.

Doch Meta will seinen Nutzern stattdessen weniger "politische Inhalte" vorschlagen. Da stellt sich bei dieser schwammigen Formulierung die Frage: Was ist denn politisch? Was ist es nicht?

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Bilanzen der Tech-Riesen sind glänzend

Wenn ich mich feinmache, vor einen Hortensienbusch stelle, ein Glas Prosecco in der Hand – und in der anderen einen Zettel, auf den ich "444" geschrieben habe und den ich ins Bild halte. Was mache ich dann da? Ich benutze eine Chiffre aus dem Rechtsextremismus: Das D ist der vierte Buchstabe des Alphabets, und 444 bedeutet "Deutschland den Deutschen". AfDler grölen das derzeit gern in Clubs. Karnevalisten anscheinend auch, mitten im Zoch. Karneval ist also nicht politisch? Okay.


  • Über die Proteste gegen Rechtsextremismus diskutiert t-online-Chefredakteur Florian Harms hier mit CDU-Politiker Armin Laschet im Podcast:
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Und das Geld bei Meta ist ja da. Die Bilanzen sind glänzend. Nur: Es wird halt besser verdient, wenn man nicht allzu genau hinschaut. Laufen lassen, aber nicht so aussehen, als würde man die Algorithmen skrupellos als zusätzliche Scharfmacher einsetzen, um noch mehr Kasse zu machen – das ist die neue Strategie.

Bankrotterklärung im Kampf gegen Hass und Desinformation

Eine gefährliche Strategie – zumal 2024, einem Superwahljahr: Europawahl. Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen. "Wahlen" in Russland. In Indien. Wahlen in den USA. Ein Zufall ist es nicht, dass Meta sich ausgerechnet jetzt einen schlanken Fuß macht. Aber es ist ein riesiger Fehler.

Und es ist eine Bankrotterklärung. Sie ist das Eingeständnis des eigenen Scheiterns im Kampf gegen Hass und Desinformation. Und genau deshalb ist sie hochpolitisch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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