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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Top-Platzierung gegen Geld? "Apples Podcast-Charts können leicht manipuliert werden"
Apple ist eine der wichtigsten Plattformen für Podcasts. Wer in den Charts bei iTunes oder in der Podcast-App auftaucht, schafft Aufmerksamkeit für Hörer und Werbekunden. t-online hat mit dem Radio-Experten James Cridland gesprochen und er erklärt, wie leicht es ist, diese Podcast-Charts zu manipulieren.
t-online.de: Herr Cridland, Sie sind Radio- und Podcast-Experte. Wenn Sie neue Podcasts entdecken oder herausfinden wollen, welche Trends es auf dem Markt gibt, was machen Sie dann?
James Cridland: Ich gebe einen täglichen Podcast-Newsletter heraus, also weiß ich oft vor anderen von neuen Trends. Früher habe ich aber die Vorschlags-Funktionen in Podcast-Apps genutzt und auch gelegentlich in die Podcast-Charts von Apple geschaut, denn: Etwa 60 Prozent der Podcasts, die wir hören, werden durch Apple verteilt. Entweder mit der Apple Podcast-App auf dem iPhone oder mit iTunes auf dem Computer. Auf Platz zwei folgt Spotify mit fünf Prozent Anteil. Da sieht man, wie mächtig Apple auf dem Podcast-Markt ist.
Apple bietet mehrere Möglichkeiten, um neue Podcasts zu entdecken: Es gibt einige redaktionell ausgewählte Vorschläge, dann eine Auswahl mit dem Titel "Neu und beachtenswert ", und es gibt die Podcast-Charts – und genau die sind bei Apples Diensten sehr präsent und sollen mehr Hörer anziehen.
Was wissen Sie über die Art und Weise, wie Apple seine Podcast-Charts erstellt?
Wir wissen nicht viel. Apple hat nie gesagt, wie die Podcast-Charts funktionieren. Apple hat aber sicherlich ein Interesse daran, dass sich die Auswahl häufig ändert und neue Inhalte ganz besonders hervorstechen. Es wird daher allgemein angenommen, dass die Podcast-Charts sehr stark davon beeinflusst werden, wie die Abo-Zahlen innerhalb der letzten 24 Stunden waren.
Was mir auch sicher erscheint: Die reinen Downloads spielen keine große Rolle bei den Charts. Ich habe viele neue Podcasts gesehen, die an die Spitze der Charts geschossen sind. Bis heute gibt’s bei einigen aber nur diese eine Folge.
Ist das ein Problem?
Man muss eben wissen, dass Apples Podcast-Charts leicht manipuliert werden können. Außerdem geht’s darin ja auch nur um Apple-Nutzer. Googles Android-Betriebssystem hat in Deutschland einen Marktanteil von 75 Prozent. All diese Nutzer tauchen in den Apple Podcast-Charts genau so wenig auf wie Nutzer von anderen Podcast-Apps auf dem iPhone.
James Cridland, 47, ist Radio-Futurologe, beschäftigt sich also mit der Zukunft von Radio und Audio. Er arbeitet seit 28 Jahren beim Radio, ist Autor, Redner und Berater. Außerdem gibt er den täglichen Podcast-Newsletter "Podnews" heraus. Cridland wurde in London geboren und lebt heute in Brisbane, Australien.
Sie schreiben in einem Beitrag, dass man Top-Platzierungen in den Podcast-Charts bei iTunes ganz einfach kaufen kann. Was haben Sie darüber herausgefunden?
Ich hatte von einer Firma gehört, die damit wirbt, die entsprechenden Algorithmen genau zu kennen. Nach einiger Recherche habe ich dann eine Reihe von E-Mails von dieser Firma an potentielle Kunden gesehen. Darin gab es eine Art Preisliste, um einen beliebigen Podcast in Apples Charts zu bekommen. Außerdem gab es für jede Kategorie eine Tabelle und eine Einschätzung, wie sicher die gewünschte Top-Platzierung dort zu erreichen ist.
Apples Podcast-Charts sind für mich dadurch nicht mehr glaubwürdig.
Was genau bietet denn die Firma ihren Kunden an – und zu welchem Preis?
Sie behauptet, dass sie jeden Podcast in Apples Charts hinein bekommen, innerhalb einer bestimmten Kategorie sogar auf eine vom Kunden gewünschte Position. Das kostet zwischen 5.000 und 15.000 US-Dollar. Letzteres bringt dann einen Monat lang eine Platzierung in den Top 10.
Gibt es Beispiele, wer diese Dienste nutzt? Klappt das wirklich?
Ich kenne einige Kunden, die diesen Service nutzen. Es scheint, als wenn sie wirklich in der Lage wären, sich auf diese Weise eine Platzierung in Apples Podcast-Charts zu kaufen. Interessanterweise sorgt die Top-Position aber nicht dafür, dass die Download-Zahlen für die entsprechenden Podcasts steigen. Das stützt die Vermutung, dass Apple die Downloads bei den Chart-Platzierungen kaum berücksichtigt.
Übrigens macht diese Firma nichts Illegales. Es gibt auch andere Unternehmen, die Charts manipulieren.
Warum nutzen Podcaster diesen Manipulations-Service? Was haben sie davon?
Hauptgrund, warum Podcast-Macher in die Charts möchten, ist, entweder Zuhörer oder Werbetreibende anzuziehen. Aus meiner Sicht ist es trügerisch, Werbetreibende mit Chart-Platzierungen zu locken. Podcast-Charts spiegeln nicht die gesamte Hörerschaft wider.
Nützlicher ist sicherlich, mehr Zuhörer zu bekommen. Aber viele Podcast-Macher haben mir erzählt, dass Chart-Platzierungen bei ihnen nicht so eine große Wirkung bei den Zugriffszahlen hatten wie sie dachten.
Haben Sie Vorschläge, um das Problem mit den manipulierbaren Podcast-Charts zu beheben? Was könnte man tun?
Vorschlag 1: Wir sollten Apples Charts nicht mehr als das einzig Wahre und Erstrebenswerte für Podcasts ansehen. Podcast-Macher sollten sich darauf konzentrieren, ihre Hörerschaft über alle Plattformen hinweg zu steigern. Damit würde auch die Gesamt-Nutzung von Podcasts steigen.
Vorschlag 2: Wir sollten Werbetreibende besser darüber aufklären, welch geringe Aussagekraft Apples Podcast-Charts haben.
Vorschlag 3: Wir brauchen unabhängige Podcast-Charts. Alle großen Anbieter müssten sie nutzen und es müsste sichergestellt sein, dass sie für Podcast-Macher kostenlos und nicht manipulierbar sind. Wenn das jemand geschafft hat, könnte er oder sie sich hinterher einer einfacheren Aufgabe widmen – zum Beispiel den Hunger in der Welt zu bekämpfen und alle Kriege zu beenden.