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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Digitale Corona-Bekämpfung So denken die Deutschen über die Luca-App
Anders als die Corona-Warn-App funktioniert die Luca-App nicht anonym. Eine Umfrage zeigt jedoch: Viele Bundesbürger sind bereit, auf Privatsphäre zu verzichten, wenn das den Gesundheitsämtern hilft.
Mehrere Bundesländer wollen die Luca-App einführen, um die Nachverfolgung von Kontaktpersonen von Corona-Infizierten in den Gesundheitsämtern digital zu unterstützen und zu beschleunigen. Indirekt soll die Anwendung dadurch auch weitere Öffnungsschritte im Einzelhandel und der Gastronomie ermöglichen und rechtfertigen.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von t-online stehen viele Nutzer dieser Idee aufgeschlossen gegenüber, vor allem in den Städten.
Rund die Hälfte würde die App freiwillig installieren
Demnach gibt rund die Hälfte der deutschen Smartphone-Nutzer an, dass sie die App freiwillig installieren würden oder dies sogar bereits getan haben. Knapp 14 Prozent würden die App nur nutzen, wenn es verpflichtend ist. In einigen Regionen Deutschlands ist dies für Besucher bestimmter Einrichtungen, wie zum Beispiel Campingplätzen, bereits der Fall. Gut 22 Prozent der Befragten lehnen die Installation ab. Der Rest verfügt entweder nicht über das nötige Mobilgerät oder machte keine Angaben.
Die Luca-App soll als Ergänzung zur Corona-Warn-App des Bundes eingeführt werden, da diese bestimmte Wünsche und Anforderungen der Länder nicht erfüllt. Hintergrund ist die Corona-Schutzverordnung, die eine Dokumentationspflicht für Gastgeber, Veranstalter, Vereine und Betriebe vorsieht. Die Corona-Warn-App soll zwar ebenfalls nach Ostern eine Check-in-Funktion für private oder öffentliche Veranstaltungen erhalten. Dabei werden jedoch keine persönlichen Daten wie Namen, Ortsangaben und Kontaktinformationen der Nutzer erhoben.
So funktioniert Luca
In der Luca-App hingegen werden sowohl Name, Adresse und Telefonnummer als auch die besuchten Orte des Nutzers hinterlegt und laut dem Betreiber verschlüsselt gespeichert. App-Nutzer müssen sich dann beispielsweise bei einem Kneipenbesuch nicht mehr in Papierlisten eintragen, sondern können per QR-Code einchecken.
Nach dem Bekanntwerden eines Infektionsfalls erhält das zuständige Gesundheitsamt über das App-System die Kontaktdaten aller Besucher, die sich zum fraglichen Zeitpunkt am selben Ort eingeloggt haben. Auch die Betroffenen erhalten automatisch einen Warnhinweis, dass es an einem ihrer kürzlich besuchten Orte einen Infektionsfall gegeben hat – sofern der Indexpatient die App ebenfalls nutzt und sein Besuchsprotokoll freigegeben hat.
Kritiker weisen auf Schwächen hin
Die Bundesländer hoffen, dass die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern durch das System effizienter gestaltet werden kann. Außerdem soll verhindert werden, dass sich Kunden durch die Angabe von falschen Namen und Kontaktdaten möglichen Quarantänemaßnahmen entziehen können. Drittens sollen potenzielle Infektionscluster durch die Zusammenführung der Daten schneller entdeckt und die Beteiligten gewarnt werden.
Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Nutzer den Check-in am Eingang lediglich vortäuschen oder eine Fake-App vorzeigen könnten, um der Nachverfolgung zu entgehen. Bei einer hohen Inzidenz könnten die Gesundheitsämter zudem mit Datensätzen überflutet werden und mit der Sichtung und Abarbeitung schnell überfordert sein.
Im Idealfall sind zwar alle Kontaktdaten vollständig verfügbar – alle Betroffenen abzutelefonieren, die individuellen Risiken einzuschätzen, Tests und Quarantäneanweisungen zu veranlassen, kostet dennoch Zeit und Ressourcen. Hinzu kommt, dass die Pandemiesoftware Sormas, in der die Luca-App-Daten einlaufen sollen, in den allermeisten Gesundheitsämtern noch gar nicht im Betrieb ist.
Nutzer glauben, dass Luca-App etwas bewirken kann
Bei einem Großteil der Nutzer scheint die Hoffnung gegenüber den Bedenken zu überwiegen, wie eine zweite Civey-Umfrage zeigt. Demnach halten gut 41 Prozent der Befragten die Luca-App für "sehr wirkungsvoll" oder "eher wirkungsvoll". Nur 16,6 Prozent bezweifeln, dass die App einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten kann. Gut 15 Prozent sind sich unsicher und fast 27 Prozent kennen die App nicht.
In den meisten Regionen Deutschlands kann die Luca-App noch nicht genutzt werden, da erste Öffnungsschritte angesichts des hohen Infektionsgeschehens bereits wieder zurückgenommen werden mussten – oder weil die Anbindung an die Gesundheitsämter noch fehlt.
Experten melden Sicherheitsbedenken
Die Corona-Warn-App des Bundes wurde seit Juni 2020 mehr als 26 Millionen Mal heruntergeladen. Pro Tag melden gut 3.000 Personen einen positiven Test (Stand 3. April), um andere App-Nutzer vor einem möglichen Ansteckungsrisiko zu warnen.
Bei der Corona-Warn-App hatten viele Smartphone-Nutzer Datenschutzbedenken als Grund genannt, warum sie die App nicht installieren wollen. Dabei werden für die Kontaktprotokolle via Bluetooth-Signal gar keine persönlichen Daten erhoben. Alle Begegnungen werden zunächst dezentral auf den Geräten gespeichert, bis sich ein Nutzer von sich aus als infiziert meldet. Dieses Video erklärt das Prinzip. Es besteht keine Gefahr, dass die App zu Überwachungszwecken missbraucht wird.
Bei der Luca-App werden die Besuchsprotokolle hingegen in Echtzeit auf einen zentralen Server hochgeladen. IT-Sicherheitsexperten warnen vor potenziellen Datenlecks und fordern eine unabhängige Prüfung des Verschlüsselungskonzepts der Luca-App.
Länder zahlen mehr als zehn Millionen Euro für Lizenz
Die App genießt mit dem Musiker Smudo von den "Fantastischen Vier" prominente Unterstützung. Auch die Länderchefs und -chefinnen scheinen den Machern zu vertrauen. Mehrere Bundesländer haben bereits Verträge mit dem Anbieter, dem Berliner Startup Culture4Life, abgeschlossen oder sind kurz davor. Aus mindestens sechs Ländern sind die Kosten schon bekannt: Sie belaufen sich auf mindestens zehn Millionen Euro. Die Gesamtkosten für die Corona-Warn-App, die von Telekom und SAP entwickelt und betrieben wird, belaufen sich auf mehr als 60 Millionen Euro.
Eine generelle Installations- oder Nutzungspflicht gibt es für keine der beiden Apps. Für bestimmte Aktivitäten wird den Bürgern in einigen Bundesländern aber gar nichts anderes übrig bleiben, als die Luca-App zu nutzen. Wer kein Smartphone besitzt, kann sich Zuhause für das System registrieren und einen QR-Code zum Mitnehmen ausdrucken.
Langfristig wollen sich Bund und Länder möglichst auf ein einheitliches System einigen, damit Nutzer nicht auf zwei verschiedene Apps mit ähnlichen Funktionen angewiesen sind. So soll es einheitliche QR-Codes geben, die sowohl mit der Luca- als auch der Corona-Warn-App funktionieren. Um allerdings die "Zettelwirtschaft" in der Gastronomie zu beenden, müsste auch die Corona-Schutzverordnung entsprechend angepasst werden.
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Zur Methodik: Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat zu der Frage "Wann würden Sie sich die Luca-App (zur Nachverfolgung von persönlichen Kontakten) auf Ihrem Smartphone installieren?" im Zeitraum vom 30. März bis 1. April 2021 die Antworten von 5.059 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Teilnehmern ausgewertet. Zu der Frage "Für wie wirkungsvoll halten Sie die Luca-App, die zur Nachverfolgung von persönlichen Kontakten dient?" wurden die Antworten von 5.020 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Teilnehmern ausgewertet. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse beträgt jeweils 2,5 Prozentpunkte, für Teilgruppen kann er abweichen.
- Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey