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Parler: Im sozialen Netzwerk ohne Kontrolle sammeln sich jetzt Trump-Anhänger


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Soziales Netzwerk ohne Kontrolle
Parler: Hier sammeln sich jetzt die Trump-Anhänger


Aktualisiert am 19.11.2020Lesedauer: 7 Min.
Trump spricht zu seinen Anhängern (Symbolbild). Viele Konservative weichen auf die Plattform Parler aus.Vergrößern des Bildes
Trump spricht zu seinen Anhängern (Symbolbild). Viele Konservative weichen auf die Plattform Parler aus. (Quelle: Evan Vucci/ap)

Facebook und Twitter kennzeichnen mittlerweile falsche Behauptungen von Donald Trump. Seine Anhänger beklagen das als Einschränkung der Meinungsfreiheit und haben sich nun ein neues soziales Netzwerk gesucht: "Parler".

"FREIHEIT" – dieses Wort erscheint in einem Werbevideo für das soziale Netzwerk Parler. Im Hintergrund fliegt zeitgleich ein Weißkopfseeadler vorbei – der Wappenvogel der USA. Zwei Sekunden später sagt der Sprecher: "Parler ist die einzige Social-Media-Plattform, die eurer verfassungsgemäßes Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt."

Auf solche und auch ähnliche Slogans stoßen Nutzer immer wieder, wenn sie sich mit Parler beschäftigen. Das Motto der Plattform: "free speech" – Redefreiheit. Das Wort Parler ist französisch für "sprechen", die Plattform selbst gibt es seit 2018 und ähnelt in Aufbau und Erscheinung Twitter. Tweet heißt auf Parler jedoch "Parley", Retweet "Echo". Und statt 280 Zeichen dürfen Nutzer 1.000 Zeichen pro Beitrag schreiben, die sich hier auch hoch- oder runterwählen lassen.

Parler wächst und wächst

Bisher war die Plattform nur eines von vielen sozialen Netzwerken, die mit Platzhirschen wie Twitter oder Facebook um die Gunst der Nutzer kämpften. Doch in den vergangenen Monaten bekam Parler plötzlich mehr Zuspruch: In den USA gehörte es Anfang November zu den am meisten heruntergeladenen Apps für Android und Apple. In einem Interview mit Fox News sagte Parler-CEO John Matze, dass die Plattform innerhalb weniger Tage fast fünf Millionen neue Nutzer gewonnen habe. Insgesamt seien etwa zehn Millionen Nutzer angemeldet.

Im Vergleich zu Twitters mehr als 330 Millionen und Facebooks mehr als 2,5 Milliarden aktiven Nutzern wirken Parlers Zahlen noch klein – auch wenn ein Wachstum innerhalb so kurzer Zeit beachtlich sein mag. Wer sich nun fragt, woher diese Zahlenexplosion kommt, braucht nur die Parler-App zu öffnen. Schnell wird klar: Das soziale Netzwerk ist ein Tummelplatz für Rechte und Trump-Anhänger, die wohl vor der "Zensur" auf Facebook und Twitter flüchten.

Parler empfiehlt vor allem Konservative

Denn Parlers Nutzerzahlen stiegen vor allem während und nach den Präsidentschaftswahlen in den USA. Laut Medienberichten gilt Demokrat Joe Biden als Gewinner, doch weder Donald Trump noch viele seiner Anhänger wollen das akzeptieren. Trump selbst bombardierte Twitter mit Posts über Wahlbetrug, von denen sich fast alle als falsch erwiesen. Twitter reagierte, indem es einen Großteil der Beiträge mit Hinweisen markierte. Facebook ging ähnlich vor.

Trump-Anhängern wie der Fox-Business-Moderatorin Maria Bartiromo gefiel das nicht. Die hatte auf Twitter einen Beitrag mit Falschbehauptungen zu Wahlbetrug geteilt, den die Plattform markierte. Daraufhin verkündete Bartiromo, zu Paler zu wechseln und forderte ihre Anhänger auf, es ihr gleichzutun – was laut den Kommentaren in dem Tweet auch viele machten. Auf Parler folgen ihr bereits mehr als 1,5 Millionen Nutzer, auf Twitter sind es etwas mehr als 900 Tausend.

Wer Parler selbst besucht, bekommt gleich zu Beginn eine Liste mit der Prominenz des konservativen und rechten Spektrums präsentiert: Neuen Nutzern schlägt Parler vor, Usern wie den Fox-Moderatoren Tucker Carlson oder Sean Hannity zu folgen. Auch Maria Bartiromo oder Radiomoderator Mark Levin stehen auf der Liste. Vor allem Levin gilt als großer Trump-Verteidiger. Facebook schränkte seinen Account im Oktober wegen "wiederholter Verbreitung von Falschinformationen" ein.

Auf Parler hat Biden die Wahl "gestohlen"

Auf Parler droht Nutzern so etwas nicht. So schreibt die Plattform in seinen Nutzerrichtlinien, dass sie "auf keinen Fall" Beiträge oder Konten aufgrund der "im Inhalt geäußerten Meinung" entfernen werde. Und in einem Gespräch mit Fox News sagte CEO Matze: "Sobald man anfängt, Inhalte zu kuratieren und Fakten zu prüfen, führt man eine Voreingenommenheit ein – und ich glaube nicht, dass es eine perfekte Gruppe ohne Voreingenommenheit gibt."

Nur in wenigen Fällen sollen Inhalte entfernt werden. Laut Parler betrifft das vor allem Beiträge über Kinderpornografie, Copyright-Verletzungen oder Inhalte von terroristischen Organisationen. Auch kriminelle Anwerbung, Betrug und Belästigung haben laut Richtlinie nichts auf der Plattform zu suchen. Spam wird ebenfalls ungern gesehen.

Auf Parler hat das folgenden Effekt: Nutzer können Falschmeldungen teilen, ohne dass jemand einschreitet. Unter Hashtags wie #StoptheSteal oder #ElectionFraud verbreiteten User alle möglichen Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug – von angeblich verschwundenen oder "gestohlenen" Stimmen bis hin zu gehackten Wahlmaschinen. Mehrere US-Behörden bezeichneten die Wahl als die sicherste US-Abstimmung bisher und konnten keine Beweise für Wahlbetrug entdecken.

Unter solchen Postern findet sich auch die republikanische Politikerin Marjorie Taylor Greene, die als Anhängerin der QAnon-Verschwörung gilt. Deren Vertreter glauben, dass eine satanistische Elite Kinder entführt, um deren Blut zu trinken. Donald Trump aber versuche, das zu verhindern. Greene verbreitete auf Parler ebenfalls Posts mit den Worten "Stop the Biden Steal". Unter einem ihrer Beiträge behauptet ein Kommentator mit dem Namen "GOD4TRUMP", dass die Wahlsoftware Dominion Stimmen "gestohlen" habe. Ein anderer Nutzer schreibt: "Wenn Trump verliert, gehe ich Demokraten jagen", der Beitrag wurde 26 Mal runter- und 368 Mal hochgewählt.

Ähnlich radikal äußert sich der in den USA bekannte Moderator Wayne Dupree. In einem Parley schreibt er: "Ich gebe lieber auf, was ich habe und kämpfe in einem Bürgerkrieg, als dass ich zulasse, dass diese liberalen Miststücke gewinnen, indem sie die Wahl stehlen. Das Böse ist außer Kontrolle geraten und es wird Zeit, den Müll rauszubringen." Auch Dupree ist auf der Empfehlungsliste zum Folgen für neu angemeldete Nutzer. Auf Parler folgen ihm etwa 472.000 User. Auf Twitter sind es knapp 500.000.

"Liberales Schaf"

Unter Beiträgen von Greene, Dupree und anderen Pro-Trump-Stimmen finden sich vereinzelt auch Nutzer, die widersprechen. Unter Greenes Post schreibt ein Nutzer in sachlichem Ton, dass Trump verloren habe und "alles, was er tue, die zerbrechliche Republik untergräbt, die wir haben. Reagan hatte davor gewarnt." Unter einem der viele Aufrufe des Trump-Wahlkampfteams, Beweise für Wahlbetrug zu melden, schreibt eine Nutzerin dagegen provokant: "Darum habt ihr Vollidioten verloren. Betrug".

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In beiden Fällen erhielten die Beiträge deutlich mehr Down- statt Upvotes. Viele Nutzer bezeichnen die Kommentatoren zudem wahlweise als "Troll", "Demokrat", "Libtard", "dumm", liberales Schaf" oder schreiben andere Beleidigungen. Im Falle der Nutzerin gab es dazu noch frauenfeindliche Bemerkungen. Bei anderen Kommentaren, die offensichtlich nicht die Meinung der konservativen Nutzer teilen, verhält es sich ähnlich.

Bikinifotos statt Wahlbetrug

Wie auch bei Twitter können Nutzer gesondert nach Hashtags zu bestimmten Themen suchen. Allerdings scheint Parlers System noch nicht ausgereift zu sein: Wer nach einem beliebten Hashtag wie #voterfraud oder #trump2020 sucht, bekommt statt Beweisen zu Wahlbetrug Bikinifotos junger Frauen präsentiert (mit Bildausschnitt auf die Oberweite). Dazwischen mogeln sich Beiträge zu Wundermedikamenten. Die Posts sind dabei mit Dutzenden Hashtags zu allen möglichen Themen bestückt.

Will man Beiträge sehen, die wirklich die eingegebenen Hasthtags behandeln, muss man oft lange scrollen: Mit etwas Glück findet sich zwischen einem anzüglichen Bild einer Katy27, die mit ihren Nacktfotos wirbt und einem Gavin Miller, der eine Pille für seinen Penis geschluckt hat ("Hat funktioniert, echt jetzt") ein Beitrag, der das gewünschte Thema behandelt.

Trump-Unterstützer finanzieren Parler

Wer zu den Investoren von Parler recherchiert, mag vermuten, dass Parlers Anbiederung an konservative und rechte Kreise kein Zufall sein kann. In einem Gespräch mit CNBC Ende Juni 2020 sagte CEO John Matze zwar, dass er "keine der politischen Parteien mag" und, dass die "ganze Firma niemals dazu gedacht war, eine Pro-Trump-Sache zu werden". Auch versprach er eine Belohnung von 20.000 Dollar für einen "liberalen Experten" mit mehr 50.000 Followern auf Twitter oder Facebook, wenn der einen Account auf Parler starten würde.

Doch Anfang November nannte Matze als Investoren von Parler auch Dan Bongino und Jeffrey Wernick. Zumindest Bongino gilt als großer Trump-Anhänger. Und wenige Tage später wurde bekannt, dass auch die konservativen Hedgefonds-Investoren Robert Mercer und seine Tochter Rebekah Mercer Parler unterstützen. Beide förderten Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016 mit Summen in Millionenhöhe. Auch finanzierten sie die Datenanalysefirma Cambridge Analytica. Die soll das Wahlverhalten von Nutzern in sozialen Medien zugunsten Donald Trumps beeinflusst haben.

Experten warnen vor Parler

Experten bewerten die aktuelle Beliebtheit Parlers ähnlich. So sagt Shannon McGregor dem National Public Radio, dass die vielen Fehlinformationen auf der Plattform ein Grund zur Beunruhigung seien. "Was wir in der Vergangenheit bei manchen dieser alternativen Seiten, die ohne Regeln und abgeschottet sind, gesehen haben, ist, dass sie immer extremer werden." In der "New York Times" warnt McGregor zudem davor, dass durch die Fehlinformationen auch eine Gefahr für "unsere Wahlintegrität" entstehe. McGregor forscht zu sozialen Medien an der University of North Carolina at Chapel Hill.

Rechtsextremismusforscher Miro Dittrich von der Amadeu Antonio Stiftung macht im Gespräch mit dem Deutschlandfunk ähnliche Beobachtungen. Er sagt, dass durch Falschinformationen von Verschwörungsgläubigen auf Parler Menschen in "alternative Wirklichkeiten" geraten, wo der Feind "maximal dämonisiert sei. Zudem werde in solchen Communitys oft von einer anstehenden Apokalypse gesprochen: "All das erzeugt Handlungsdruck. Und wir sehen leider, dass sich dieser Handlungsdruck auch in Gewalt in der Offline-Welt entlädt."

Donald Trump ist nicht auf Parler

Dass Parler sich dauerhaft halten kann, daran zweifeln einige Experten. Extremismusforscher Amarnath Amarasingam der Queen’s University begründet das im Gespräch mit dem Online-Magazin "Slate" so: "Ich denke, ein Teil dessen, was die Rechte – und bis zu einem gewissen Grad auch die Linke – und insbesondere die extreme Rechte belebt, ist die Fähigkeit, mit 'dem anderen' zu argumentieren", so Amarasingam. "Selbstgespräche in einer dunklen Ecke des Internets sind tatsächlich weniger befriedigend."

Auch Rechtsextremismusforscher Dittrich argumentiert ähnlich und sagt dem Deutschlandfunk: "Man will ja Leute belästigen und sich an seinen Gegnern abarbeiten. Für diese Fraktion ist das ein großer Teil der Motivation, auf Social Media aktiv zu sein." Laut Dittrich könnten darum bald viele Parler-Nutzer wieder zu Twitter zurückkehren.

Dort hält sich tatsächlich auch noch Donald Trump auf und veröffentlicht — trotz der Einschränkungen – weiterhin mehrere Tweets am Tag. Zumindest Parler-CEO Matze würde aber den Noch-US-Präsidenten auf seiner Plattform begrüßen, sagte er in einem Interview mit Fox Business: "Ich würde ihn gerne dabei dabeihaben", sagt Matze. "Wenn man bedenkt, wie er an diesen anderen Orten behandelt wurde, wäre das wahrscheinlich ein schöner, frischer Wind für ihn."

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