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Horst Seehofer die Nächste: Angriff auf WhatsApp | Gastbeitrag


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Gastbeitrag zu Messenger-Apps
Seehofer die Nächste: Angriff auf WhatsApp

MeinungGastbeitrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Aktualisiert am 08.06.2019Lesedauer: 3 Min.
WhatsApp-Icon auf dem iPhone: Das Innenministerium will die Verschlüsselung des Messenger-Dienstes unterlaufen.Vergrößern des Bildes
WhatsApp-Icon auf dem iPhone: Das Innenministerium will die Verschlüsselung des Messenger-Dienstes unterlaufen. (Quelle: imageBROKER/ValentinxWolf/imago-images-bilder)

"Viel hilft viel" – diese Faustregel scheint weiterhin die Lösung in Horst Seehofers Innenministerium zu sein. Dieser Eindruck entsteht jedenfalls angesichts der bekannt gewordenen Pläne seines Hauses, die Verschlüsselung der Messenger-Dienste zu unterlaufen.

Anbieter wie WhatsApp, Wire oder Threema sollen zukünftig verpflichtet werden, ihre Verschlüsselungstechnik so zu programmieren, dass die Kommunikation ihrer Kunden auf richterliche Anordnung hin mitgeschnitten und für die Behörden in lesbarer Form ausgeworfen werden kann. Kooperieren die Dienste nicht, sollen sie durch die Bundesnetzagentur gesperrt werden können.

Das Vorhaben ist natürlich keine ganz neue Idee. Die Verschlüsselung von Messengerkommunikation stellt seit längerem eine Herausforderung für Sicherheits- und Nachrichtendienste dar. Auch in anderen Ländern fordern sie daher mehr Zugriffsrechte. So veröffentlichte etwa der britische Nachrichtendienst Government Communications Headquarter (GCHQ) bereits Ende 2018 entsprechende Pläne, die auch technisch schon sehr detailliert waren.

Dies löste jedoch eine breite Protestwelle aus. Gerade erst im Mai schickten führende Experten der Unternehmen und der Zivilgesellschaft einen offenen Protestbrief in diesem Zusammenhang an die britische Regierung.

Horst Seehofer erntet erneut Kritik

Auch für die Pläne des deutschen Innenministers hagelt es Kritik. Schon wieder – denn die letzte Empörungswelle über den Gesetzesentwurf zur Reform des Verfassungsschutzrechtes ist kaum verebbt. Selbst aus den Reihen der Union wird kritisiert, dass derartige Pläne der Digitalen Agenda und der bisherigen Beschlusslage der Bundesregierung widersprechen. Der Koalitionspartner SPD lässt sogar verlauten, das Vorhaben sei "abenteuerlich" und "fahrlässig".

Zivilgesellschaftsexperten warnen vor den verheerenden Auswirkungen auf die IT-Sicherheit insgesamt, da die Anbieter voraussichtlich eine Schwachstelle in ihre Software einbauen müssen, die dann auch von Kriminellen oder Nachrichtendiensten ausgenutzt werden könnten. Auch Bürgerrechtler sind zu Recht alarmiert und warnen vor erneuten Grundrechtsverkürzungen. Für viele zeigt dieser Fall, dass ein Recht auf Verschlüsselung endlich anerkannt werden muss.

Das Innenministerium versucht zu beschwichtigen. Es gehe lediglich um eine gesetzliche Klarstellung, die für eine Gleichbehandlung klassischer und internetbasierter Kommunikation erforderlich sei. Zwar folge daraus durchaus, dass Anbieter bei mangelnder Kooperation im Zweifel gesperrt werden könnten. Dies sei der Bundesnetzagentur aber bereits heute bei nicht kooperativen Telekommunikationsanbietern möglich.

Alles "halb so wild" also? Keineswegs. Zwar ist klar, dass die Sicherheitsbehörden die in der digitalisierten Welt erforderlichen Zugriffsmöglichkeiten erhalten müssen. Doch muss dabei ebenso klar sein, dass dies angesichts der damit verbundenen Grundrechtseingriffe und der potentiell verheerenden Auswirkungen auf die IT-Sicherheit insgesamt auf das tatsächlich Notwendige zu beschränken ist.

"Staatstrojaner" ermöglichen bereits Zugriff auf Geräte

Was tatsächlich notwendig ist, wird jedoch weder klar gesagt, noch wird eine offene Debatte darüber zugelassen. So stellt sich nämlich beispielsweise die Frage, warum zusätzlich zur kontinuierlichen Ausweitung der Befugnisse zum heimlichen Eingriff in informationstechnische Systeme per "Staatstrojaner" – etwa durch die aktuellen Entwürfe zum IT-Sicherheitsgesetz 2.0, zur Reform des Verfassungsschutzrechtes oder in diversen Polizeigesetzen – nun auch noch die Aufweichung der Verschlüsselung unbedingt notwendig sein soll.

Denn der "Staatstrojaner" ermöglicht den Sicherheitsbehörden bereits jetzt die sogenannte "Quellen-Telekommunikationsüberwachung". Hierdurch kann die Telekommunikation per Messengerdienst schon jetzt vor der Verschlüsselung direkt auf dem Gerät überwacht werden.

Es erscheint also zumindest zweifelhaft, ob das geplante Aufweichen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf so invasive Art und Weise wirklich notwendig ist. Diese Frage muss aber unbedingt geklärt werden. Dieses Vorhaben würde nicht nur in das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der IT-Systeme eingreifen, sondern auch das Recht auf Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation aus Artikel 10 des Grundgesetzes berühren.

Verschlüsselung ist elementar wichtig für IT-Sicherheit

Auch darf man die Stimmen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht ignorieren. Diese weisen darauf hin, wie elementar wichtig die Verschlüsselung in Zeiten von Cyberkriminalität, Spionage und Datendiebstahls für die IT-Sicherheit insgesamt ist.

Klar ist also: Unter dem Motto "Viel hilft viel" kann der Innenminister nicht weiter einfach alle erdenklichen Eingriffsgrundlagen schaffen. Notwendigkeit und Geeignetheit müssen im Lichte der drohenden Kollateralschäden und Grundrechtsverkürzungen fachlich, demokratisch und offen diskutiert werden. Wird dies erneut versäumt so steigt die Gefahr, dass die entscheidenden Fragen wieder durch die Verfassungsrichter in Karlsruhe beantwortet werden müssen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Bundesjustizministerin a. D.

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