Digitalkonferenz in Berlin eröffnet Bundespräsident Steinmeier fordert Herkunftssiegel für politische Informationen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die großen sozialen Netzwerke und Internetkonzerne zur Kooperation bei der Sicherung der Debattenqualität im Netz aufgefordert.
"Wer mit einer Plattform einen politischen Diskursraum schafft, der trägt Verantwortung für die Demokratie – ob er es will oder nicht", sagte Steinmeier am Montag laut Redetext bei der Eröffnung der Internetkonferenz re:publica in Berlin.
"Nach vielen Worten und Ankündigungen, nach Gesprächsrunden und fotogenen Politikerterminen ist es an der Zeit, dass Facebook, Twitter, YouTube & Co. ihre Verantwortung für die Demokratie endlich wahrnehmen", sagte er. Ein Geschäftsmodell, das allein auf die Steigerung von Werbeeinnahmen ziele, werde die Debattenqualität nicht maximieren. "Deshalb braucht es demokratische Regulierung."
Steinmeier sprach sich insbesondere für "glasklare Herkunftssiegel für Informationen" im Zusammenhang mit politischer Werbung aus. Wer Werbung über soziale Medien verbreite, müsse notfalls per Gesetz dazu gezwungen werden, etwa Geldgeber offenzulegen. "Demagogen" hätten es zu einfach, "solange die schnelle Lüge und die seriöse Nachricht, der überprüfte Fakt und die bloße Meinung, solange Vernunft und Hetze unterschiedslos nacheinander in Newsfeeds auftauchen". Nutzer müssten erkennen, "wessen Spiel" jemand spiele.
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Weder naive Euphorie noch Kulturpessimismus
Zugleich wandte sich der Bundespräsident gegen Untergangsszenarien aufgrund der digitalen Veränderungen. Er erinnerte an vergleichbare Debatten, die zu Lebzeiten des Schriftstellers Theodor Fontane nach dem Aufkommen der Telegrafie in Preußen geführt wurden. Er neige mit Blick auf die Folgen der Digitalisierung für die Demokratie weder zu "naiver Euphorie" noch zu "Kulturpessimismus", sagte er.
"Weder Telegramme noch Tweets können aus sich heraus die Demokratie zersetzen", betonte Steinmeier. Es sei aber dringend erforderlich, sich gemeinsam um die "politische Debattenkultur" im Internet zu kümmern. Diese neige derzeit dazu, "toxisch" zu werden. Vernunft und zivile Umgangsformen bräuchten Regeln, um sich durchzusetzen. Nötig seien Raum und Ruhe. "Wichtige Debatten aber brauchen Zeit."
"Too long; didn't read"
Drei Tage lang dreht sich auf der re:publica alles um das Leben in der digitalen Gesellschaft. Ein Schwerpunkt ist in diesem Jahr das Thema Nachhaltigkeit, das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Die re:publica findet vom 6. bis 8. Mai in Berlin statt.
Das Motto in diesem Jahr lautet "tl;dr: too long; didn’t read". Damit sei die Veranstaltung dem Kleingedruckten gewidmet, erklärte Mitgründerin Tanja Haeusler. "Den Fußnoten. Der Kraft der Recherche, dem Wissen und der Kontroverse. Der Notwendigkeit und Dringlichkeit, die Themen kritisch zu hinterfragen, die polarisieren, uns spalten – oder auch vereinen."
Nachhaltigkeit im Fokus
Ein Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe der Digitalkonferenz ist dabei das Thema Nachhaltigkeit. Die Veränderungen durch den Klimawandel für die globale Gesellschaft seien so essenziell dass sie nicht ignoriert werden könnten, sagte re:publica-Mitorganisator Markus Beckedahl.
Dabei berichten die Sprecher aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Johan Rockström, Direktor des Potsdamer Institute for Climate Impact Research, wird ebenso auf der Bühne stehen, wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer wird auf der parallel stattfindenden Jugendmesse Tincon erwartet. Ein besonderes Highlight zum Abschluss ist der Auftritt von Astronaut Alexander Gerst.
Zentrale Digitalthemen werden behandelt
Darüber hinaus geht es bei der dreizehnten Ausgabe der re:publica natürlich wieder um digitale Themen in allen Facetten: künstliche Intelligenz, Plattformregulierung, die Urheberrechtsreform oder die Zukunft der Arbeit. EU-Kommissarin Margrethe Vestager werde darüber sprechen, "welche Möglichkeiten es gibt, digitale Monopole zu begrenzen", sagte Beckedahl. Schließlich würden immer weniger Konzerne immer mehr Kontrolle übernehmen.
Als weitere Sprecher stehen die afrikanische Forscherin Nanjira Sambuli, Taiwans Digitalministerin Audrey Tang oder Künstler Wolfgang Tillmans und Autorin Sybille Berg auf dem Programm.
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Hunderte Programmpunkte
Insgesamt umfassen die re:publica und die begleitende Media Convention Berlin (MCB) Hunderte Programmpunkte. Die MCB weise mit dem diesjährigen Motto "Playing for Keeps: Jetzt wirds ernst!" auf die "enormen wirtschaftlichen, regulatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen" im Zuge der Digitalisierung hin, hieß es.
Eröffnet wird die Media Convention von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer – auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder – spricht über die Gestaltung der digitalen Gesellschaft. Außerdem haben sich zahlreiche Journalisten, Wissenschaftler, Vertreter von Plattformen wie Facebook aber auch Schauspieler wie Jürgen Vogel oder Anna Maria Mühe angekündigt.
Jugendkonferenz Tincon im Rahmen der re:publica
Ein Novum in diesem Jahr ist die Tincon, die erstmals im Rahmen der re:publica stattfindet. Auf der Jugendkonferenz wird neben Neubauer auch Autorin Sophie Passmann erwartet. Außerdem stellt sich Familienministerin Franziska Giffey (SPD) den Fragen der Jugendlichen.
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Die re:publica wird in diesem Jahr zum dreizehnten Mal veranstaltet. 2018 waren etwa 10.000 Menschen in die Berliner Station gekommen. Ein Standard-Ticket kostet 220 Euro. Daneben gibt es noch Abendtickets ab 18 Uhr für 10 Euro. Das vollständige Programm der re:publica finden Sie auf der Website des Veranstalters.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- Website der re:publica