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"Lasst Euch das Internet erklären, bevor ihr es kaputt macht"


Massenproteste gegen Urheberrechtsreform
"Lasst Euch das Internet erklären, bevor ihr es kaputt macht"

dpa, Uta Winkhaus

Aktualisiert am 23.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Demo gegen die EU-Urheberrechtsreform: Kurz vor der Abstimmung über die Reform haben Tausende in Europa gegen das Vorhaben protestiert.Vergrößern des Bildes
Demo gegen die EU-Urheberrechtsreform: Kurz vor der Abstimmung über die Reform haben Tausende in Europa gegen das Vorhaben protestiert. (Quelle: Paul Zinken/dpa)
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Kurz vor der Abstimmung im Europaparlament gehen Zehntausende auf die Straße, um gegen die EU-Urheberrechtsreform zu protestieren. Es sind vor allem junge Leute. Lässt sich die Politik davon beeindrucken?

Bunt, laut, lustig – und wütend: Es sind vor allem junge Leute, die an diesem sonnigen Samstag in vielen Städten Deutschlands auf die Straße gehen. "Lasst Euch das Internet doch wenigstens kurz erklären, bevor ihr es kaputt macht", heißt es auf einem Schild, das Demonstranten vielerorts in die Höhe strecken. Es bringt die zentrale Kritik auf den Punkt: Die in Brüssel ausgehandelte Reform des Urheberrechts, davon sind die Demonstranten überzeugt, wird die Freiheit des Internets einschränken, wenn nicht gar zerstören.

Es ist ein machtvolles Zeichen. Am Dienstag will das Europaparlament über die umstrittene Reform entscheiden, die vor allem die junge Generation, die mit Youtube und Co aufgewachsen ist, in Wallung bringt. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen Artikel 13, der Plattformen wie Youtube beim Urheberschutz in Zukunft deutlich stärker in die Pflicht nehmen will. Aus Protest dagegen hatte ein Aktionsbündnis zu Demonstrationen in rund 20 Ländern aufgerufen.

Mehr als 50.000 Demonstranten in München

Doch nirgendwo ist der Protest so stark wie in Deutschland. Es sind Zehntausende, von Hamburg bis München, von Chemnitz bis Saarbrücken, die es am Samstag auf die Straße treibt. "Dieselfilter statt Uploadfilter", heißt es auf Transparenten, oder: "Wir sind keine Bots". Die wohl größte Demonstration findet in München statt, wo die Veranstalter von mehr als 50.000 Teilnehmern sprechen, die Polizei immerhin von 40.000. Auch in anderen Städten wie Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf sind Tausende auf den Beinen. Kann die Politik dies ignorieren?

Die SPD nutzt die Gunst der Stunde. Sie hat just am Samstag zum Parteikonvent in Berlin geladen, um ihr Europawahlprogramm zu verabschieden. Die Europawahlen Ende Mai sind für alle Parteien eine Wegmarke, für die im Umfragetief steckende SPD aber erst recht. Während sich draußen in der Stadt Tausende junger Leute versammeln, beschließt der Konvent, sich gegen die umstrittenen Filter zu stemmen. In der SPD geht man davon aus, dass die eigenen Abgeordneten bei der Abstimmung am Dienstag geschlossen Nein zu Artikel 13 sagen.

Wie kam es zur Reform?

Doch was ist das für eine Reform, die Zehntausende in ganz Europa auf die Straße bringt? Die Youtuber politisch werden lässt? Und bei der die EU nach Ansicht der Netzgemeinde so ein miserables Bild abgibt?

Als Günther Oettinger, damals EU-Digitalkommissar, 2016 die Reform vorschlug, sollte alles besser werden. Das angestaubte Urheberrecht sollte an das Internet-Zeitalter angepasst werden. Künstler, Kreative und Urheber sollten stärker davon profitieren, dass ihre Werke im Netz genutzt werden. Auf dieses Ziel können sich sogar die meisten Gegner von Artikel 13 einigen.

YouTube soll in Zukunft haften

Doch der Weg dorthin ist umstritten. Erst Mitte Februar hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten auf einen Kompromiss der Reform geeinigt. Stimmt das Europaparlament am Dienstag zu, ist die Reform so gut wie durch. Sicher ist das aber nicht. Und dies liegt vor allem am Artikel 13 – der in der finalen Fassung des Gesetzentwurfs mittlerweile unter Artikel 17 firmiert.

Dieser sieht konkret vor, dass Plattformen wie Youtube für Verletzungen des Urheberrechts künftig haften – zumindest dann, wenn sie nicht größtmögliche Anstrengungen unternommen haben, eine Lizenz für das Werk einzuholen. Sie sollen in Zukunft schon beim Hochladen überprüfen, ob Inhalte geschütztes Material enthalten. Kritiker fürchten, dass dies nur über automatisierte Filter möglich ist, was einer Zensur gleichkommen könnte. In Artikel 11 ist zudem ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorgesehen. Danach sollen Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an die Verlage zahlen müssen.

Angriffe gegen Axel Voss

Für das Parlament federführend ausgehandelt hat den Kompromiss der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss. Für die Gegner der Reform ist er zum Symbol für das geworden, was ihrer Meinung nach schief läuft. In sozialen Netzwerken wird er beschimpft, bloßgestellt, und unter dem Hashtag #Axelsurft machen sich viele über ihn lustig.

Voss selbst hat allerdings auch nicht immer eine gute Figur gemacht. So sprach er in einem Interview mit "Vice" von einer speziellen Rubrik bei Google für "Memes" – Fotos oder Videos, die sich im Netz ausbreiten. Eine solche Rubrik gibt es aber gar nicht. ("Ja, da kann man richtig draufklicken. Memes.") Zuletzt beklagte er "Diffamierungen, die in sozialen Medien ablaufen, die mit der Sache nichts zu tun haben". Dabei wird er nicht müde, die Reform zu verteidigen. Es gehe nur darum, Plattformen, die wissentlich mit fremden Inhalten Geld verdienen, zu einer fairen Lizenzierung zu zwingen.

Kann die Reform gestoppt werden?

Das Vorhaben hat auch viele Fürsprecher: Am Freitag sprachen sich verschiedene Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter, Produktionsfirmen und Medienschaffende für die Reform aus. In einem Aufruf fordern sie eine faire Beteiligung am Geschäft mit den Inhalten, um damit ein reichhaltiges und vielfältiges Internet zu sichern, in dem Information und Kultur ihren festen Platz haben.

Kann diese Reform noch gestoppt werden? Ihre Gegner legen all ihre Hoffnung auf die Abstimmung im Europaparlament. Die Verhältnisse sind unübersichtlich. Wie viele Abgeordnete sich vom Protest beeindrucken lassen, ist unklar. Bei entsprechenden Mehrheiten könnten die Abgeordneten jedoch beispielsweise bewirken, dass Artikel 13 einfach gestrichen wird. Dann müssten die EU-Staaten diesem Vorgehen allerdings nochmal zustimmen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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