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Dating-Betrüger in München zu Haftstrafen verurteilt


Spiel mit der Sehnsucht
Dating-Betrüger in München zu Haftstrafen verurteilt

dpa, Britta Schultejans

Aktualisiert am 12.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Deko-Herzchen liegen auf einer Laptop-Tastatur: Auf vielen Dating-Portalen tummeln sich auch Betrüger.Vergrößern des Bildes
Deko-Herzchen liegen auf einer Laptop-Tastatur: Auf vielen Dating-Portalen tummeln sich auch Betrüger. (Quelle: Thomas Eisenhuth/imago-images-bilder)

Ein angeblicher US-Soldat verspricht Liebe und Diamanten – im Hintergrund kassieren Kriminelle ab: In München werden drei Männer für Betrug mit erfundenen Identitäten beim Online-Dating verurteilt. Und die Betroffenen fragen sich: Wie konnte mir das nur passieren?

Ingrid kann selbst nicht glauben, was ihr da passiert ist. "Es ist natürlich alles total peinlich." Knapp zwei Jahre, nachdem sie im Internet einen Mann kennengelernt hat, sitzt die Rentnerin aus Berlin in einem Gerichtssaal des Landgerichts München I und muss manchmal fast lachen über sich selbst. "Ich habe mich einwickeln lassen", sagt sie. Und dass sie die Online-Gespräche mit Thomas Fischer genossen, ihm vieles erzählt hat. "Ich dachte, bei ihm war es auch so."

Heute weiß die 70-Jährige: Ihren Thomas Fischer hat es nie gegeben. Sie ist hereingefallen auf ein von Betrügern angelegtes Fake-Profil in einer Partnerbörse und hat dabei nicht nur ihren Glauben an die Liebe im Netz verloren, sondern auch viel Geld.

Zwei Monate lang schreiben Ingrid und Thomas Fischer Nachrichten hin und her ("im Nachhinein betrachtet hat er natürlich den größten Mist erzählt") – dann fragt er zum ersten Mal nach Geld. Er stecke in China fest und müsse Zollgebühren zahlen. Ingrid überweist erst 5.000 Euro, dann 10.000 – zum Schluss sind es 35.000. "Naiverweise – und weil der Mann wirklich gut aussah auf dem Foto", erzählt sie.

Ihr Verhalten macht sie heute noch fassungslos: "Ich habe noch nie in meinem Leben einen Fehler gemacht. Ich habe keine Erklärung dafür. Fakt ist: Es ist meine Schuld."

Die Täter sacken Millionen-Beute ein

Hinter dem Profil von Thomas Fischer steckten Betrüger, die Ingrid und andere allzu arglose Opfer mit dieser Masche um viel Geld gebracht haben – insgesamt um eine Million Euro. Drei von ihnen – ein Deutscher, ein Nigerianer und ein Ghanaer - sind deshalb am Donnerstag in München zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb Jahren und drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Insgesamt 270.000 Euro müssen sie laut Urteil als Entschädigung an die Opfer zahlen.

Ihre fiese Masche hat einen Namen: "Love Scamming". Vor allem ältere Internetnutzer fallen immer wieder darauf herein. Eine britische Studie der Universitäten Leicester und Westminster aus dem Jahr 2013 hat herausgefunden, dass damals schon seit 2007 insgesamt 230.000 Menschen in Großbritannien Opfer der Masche wurden. Und das war noch vor dem Online-Dating-Boom dank Apps wie Tinder und Co.

Aussage unter Tränen

Wie viele Frauen und Männer bayern- oder bundesweit zu Opfern dieser Betrugsmasche werden, ist unklar. Das Bundeskriminalamt (BKA) und auch das bayerische Landeskriminalamt (LKA) erheben nur Zahlen zum Online-Betrug allgemein. In Sachsen hat das LKA dagegen gezählt und kommt im vergangenen Jahr auf 181 Fälle. Nach Angaben der bayerischen Polizei dürfte die Dunkelziffer in jedem Fall sehr viel höher liegen, weil viele Opfer sich schämten.

Scham bestimmt vor Gericht in München auch die Aussage einer 62-Jährigen aus Sachsen-Anhalt, die – wie Ingrid – auf Thomas Fischer hereingefallen ist und ihre Tränen vor Gericht nicht zurückhalten kann. 20.000 Euro hat sie an die vermeintliche Internet-Liebe überwiesen, für 15.000 davon hat sie einen Kredit aufgenommen – gegen den Rat ihrer Bank, gegen den Rat von Freunden. "Man wollte das eben nicht glauben", sagt sie. "Naja, wie man so dumm ist. Man hat 'ne rosarote Brille auf."

60 Geschädigte haben die Ermittler allein in dem Verfahren in München ermittelt, 18 Fälle – auch aus den USA, Großbritannien, Schweden, der Schweiz und Österreich – kamen zur Anklage. Darunter ist auch der Fall eines älteren Herren aus Stuttgart, der nach eigenen Angaben um die 150.000 Euro an eine Frau aus Ghana überwies, die es nicht gab. Sie hatte ihm erzählt, sie müsse heiraten, damit ihr eine Erbschaft ausgezahlt wird – und sie brauche bis dahin Geld. Der Mann, seit fünf Jahren Witwer, wollte helfen.

Frauen über 40 sind besonders empfänglich

Den größten Teil der Million, um die es im Prozess geht, zahlte laut Anklage eine Frau aus Starnberg, die auf einer Plattform einen vermeintlichen US-Soldaten namens Thomas Stabler kennenlernte. Sie überwies 380.900 Euro, einem angeblichen Anwalt gab sie im Hotel Bayerischer Hof in München zusätzlich noch 128.000 Euro in bar.

"Die spielen mit der Sehnsucht nach Partnerschaft und Liebe", sagt Alexandra Langbein, Sprecherin von singleboersenvergleich.de, über die Lovescam-Betrüger. Die Vorgehensweise sei immer gleich, die Fake-Profile ähnelten sich. "Es ist immer jemand von Rang und Namen, ein Offizier der US-Armee zum Beispiel." Vor allem Frauen "ab 40 aufwärts" fielen auf die Masche herein. Oft gehe es um Gold und Diamanten und Geld, das für den Zoll benötigt werde.

"Dann verstricken sie die Frau über Wochen und Monate in solche Gespräche; und dann ist die Frau so "in love", dass sie 20.000 Euro an jemanden überweist, den sie nie gesehen hat", sagt sie. "Der Schreiberling, der dahintersteckt, hat so viele psychologische Kniffe, macht Komplimente. Er appelliert an das Grundbedürfnis des Menschen, geliebt zu werden."

"Das Phänomen gibt es schon seit langem in verschiedenen Varianten", sagt ein Polizeibeamter vor Gericht. "Der Ursprung geht immer von Afrika aus", sagt er. "Da gibt es regelrechte Zentralen, in denen 100 Leute nichts anderes machen, als die Dating-Portale zu durchsuchen." In der Regel treffe es gut situierte Menschen.

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Große Plattformen wie lovescout24.de, die Geld von ihren Mitgliedern nehmen, haben inzwischen Mitarbeiter darauf angesetzt, Fake-Profile so schnell wie möglich zu enttarnen, um ihre Mitglieder zu schützen. "Wir bieten auf diese Weise die größtmögliche Sicherheit – eine 100-prozentige Sicherheit kann es aber nicht geben", sagt eine Sprecherin des Portals. Langbein sagt, für die Nutzer gelte darum: "Immer den Kopf einschalten."

Verwendete Quellen
  • dpa
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