Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.IFA 2018 elektrisiert Diese Tretroller starten richtig durch
In den USA sind sie bereits ein Hit: Elektrisch betriebene Tretroller und Skateboards sollen hippe Großstädter von A nach B bringen. Doch erst einmal ist der Gesetzgeber gefragt. In Deutschland wären die meisten Geräte nämlich illegal – noch.
Geschäftsleute im Anzug, die auf einem Tretroller zur Arbeit düsen – in Deutschland kann man sich das heute nur schwer vorstellen. Auf der IFA hingegen begegnen dem Besucher gleich mehrere Firmen, die überzeugt sind: Das ist die Zukunft. Vom Hoverboard, über elektrische Einräder und Tretroller bis hin zum hippen E-Skateboard – die Auswahl an elektrisch betriebenen Kleinstfahrzeugen wächst.
Leider gibt es ein Problem: In Deutschland ist fast keines dieser Gefährte im Straßenverkehr zugelassen. "Momentan verkaufen wir die Geräte noch mit dem Hinweis, dass man sie nur auf dem Privatgelände fahren darf", sagt Michael Kern des E-Scooter-Herstellers "Denver Electronics". Trotz dieser Einschränkung sei der Verkauf der Elektro-Tretroller vor allem im Online-Handel sehr gut angelaufen, auch in Deutschland.
- IFA 2018: Vom Mega-Fernseher bis zum Billig-Smartphone – alle Trends im Überblick
- Edel und praktisch: Sonys XZ3 fotografiert fast von alleine
Deutschland will Tretroller mit Fahrersitz
In seiner Schweizer Heimat konnte Hug seine elektrischen Tretroller problemlos auf die Straße bringen. In anderen Ländern wie etwa in Deutschland seien die Behörden deutlich strenger und verlangen vom Hersteller Modifikationen, beispielsweise einen aufmontierten Fahrersitz, bevor sie eine Genehmigung erteilen. "Dann macht das ganze Produkt natürlich keinen Sinn mehr", klagt der SoFlow-Gründer.
EU arbeitet bereits an neuen Vorgaben
Doch all das könnte sich schon bald erübrigen. Die EU arbeite bereits an neuen Vorgaben für die "Personal Light Electric Vehicles" oder PLEVs, wie die Fahrgeräte im Brüsseler Bürokratensprech genannt werden, berichtet Hug. Die Anforderungen der Prüfstellen an die neue Fahrzeugklasse seien bereits seit ein paar Wochen bekannt, sagt Hug. Jetzt müssen die Fahrzeuge daran angepasst werden. "Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft wollen wir die ersten EU-konformen Geräte herausbringen", kündigt der SoFlow-Gründer an.
Keine Frage: Gelten erst einmal EU-weite Standards, dürfte das dem Markt für elektrische Kleinstfahrzeuge einen deutlichen Schub verpassen. In den USA sind die handlichen "E-Scooter" bereits ein Hit – allerdings auch nicht ganz unumstritten. Leihanbieter wie "Lime" oder "Bird" haben die elektrifizierten Tretroller in Großstädten wie New York oder San Francisco populär gemacht. Ihr Erfolg hat die Stadtverwaltungen geradezu überrumpelt. Achtlos abgestellte Fahrzeuge sorgten bald für Ärger – ähnlich wie bei den Leihradanbietern.
- Alltagshelfer auf der IFA: Jetzt steigen die Roboter schon zu uns ins Bett
- IFA 2018: Diese schlauen Uhren überzeugen auch Smartwatch-Muffel
E-Scooter als Lösung für Verkehrsprobleme
Die Menschen mussten sich wohl erst von der Vorstellung lösen, dass es sich bei den Gefährten um Freizeit- oder Sportgeräte handelt. "Es geht in erster Linie um Mobilität", erklärt Hug. Außer der Form hätten seine Produkte nichts mehr mit einem klassischen Tretroller oder Skateboard gemeinsam.
Skaten per Fernbedienung
Um mit einem elektrischen Skateboard zu fahren, braucht man nicht viel Übung, versichert Hug. Denn anders als beim klassischen Skaten, bleibt man mit beiden Beinen auf dem Board stehen. Man muss nicht einmal antreten: Über eine Fernbedienung, die man während der Fahrt in der Hand hält, lässt sich die Geschwindigkeit regulieren. Das neueste Premium-Modell, das Louboard 3.0, kommt auf bis zu 35 Stundenkilometer (km/h) und kostet knapp 1.000 Euro.
Noch leichter geht es mit den SoFlow-Rollern. Man steigt auf, tritt einmal an, drückt gleichzeitig den Geschwindigkeitsregler nach vorne und los geht’s. Links am Lenker befindet sich die Bremse. Theoretisch können die Gefährte bis zu 37 km/h schnell werden. Der Gesetzgeber wird die Höchstgeschwindigkeit aber voraussichtlich auf 20 km/h beschränken. Eine Batterieladung reiche, je nach Modell, für zehn bis 35 Kilometer, sagt Hug.
Um die volle Geschwindigkeit der Tretroller auskosten zu können, braucht man eine freie, gerade Strecke. In engen Kurven wird es mit dem E-Scooter schwierig. Auch zum Wenden braucht man eine große Fläche oder muss absteigen und schieben. Allzu weite Wege möchte man mit einem solchen Gerät im Gepäck nicht zurücklegen. Das leichteste Modell von SoFlow wiegt immerhin knapp sieben Kilo. Und sie sind nicht billig: Zwischen 300 und 600 Euro kostet ein elektrischer Tretroller von SoFlow. Ein Skateboard gibt es schon ab 249 Euro.
Im Straßenverkehr sollte man sich mit so einem Ding besser nicht erwischen lassen. Für das Fahren eines Kraftfahrzeugs ohne Zulassung und Versicherungsschutz drohen in Deutschland saftige Strafen. "Und sind wir mal ehrlich: Auf der Straße haben die Dinger wirklich nichts zu suchen", sagt Kern von Denver Electronics über die E-Tretroller. Eine Freigabe für Fuß- und Radwege könne er sich aber gut vorstellen. Jetzt liegt es am Gesetzgeber, die Sache ins Rollen zu bringen.
- Eigene Recherchen